Beiträge vom April, 2010

Die Rückkehr der Herren Lenz und Zimmermann

Dienstag, 6. April 2010 8:14

sonne3Archibald Mahler, der Bär vom Brandplatz und seine Gedanken setzten sich zusammen und faßten folgenden Entschluß: Anläßlich der Rückkehr des Herrn Lenz feiern wir – im übrigen vorwurfsfrei – einen Tag der Mittelhessischen Untätigkeit. So leget denn nieder Hammer, Sichel, Maus und Car und summet und singet mit uns: „Here comes the sun / here comes the sun / and I say it’s all right / Little darling, it’s been a long cold lonely winter / Little darling, it feels like years since it’s been here / Here comes the sun, here comes the sun / and I say it’s all right / Little darling, the smiles returning to the faces / Little darling, it seems like years since it’s been here / Here comes the sun, here comes the sun / and I say it’s all right / Sun, sun, sun, here it comes / Sun, sun, sun, here it comes / Sun, sun, sun, here it comes / Sun, sun, sun, here it comes / Sun, sun, sun, here it comes / Little darling, I feel that ice is slowly melting / Little darling, it seems like years since it’s been clear / Here comes the sun, here comes the sun / and I say it’s all right / It’s all right!”

Im Hintergrund beging Ernst Albert seinen monatlichen Concert-for-Bangla Desh-Tag und zog den Koffer aus dem Schrank. Archibald versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Er summte vor sich hin. Und so ging es weiter. Damals, als Herr Zimmermann zurückkam.

Thema: Draußen vor der Tür, Robert Zimmermann | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Von gestempelten Eiern und daß es eigentlich um etwas ganz anderes geht

Montag, 5. April 2010 8:51

basilikumEva Pelagia und Ernst Albert  waren aufgebrochen, um ganz in der Tradition des alten Geheimrates und Grüne-Soße-Fans JWvG nachzuschauen, “ob durch des Frühlings holden, belebenden Blick Strom und Bäche vom Eise befreit seien, im Tale Hoffnungsglück grüne, da der alte Winter, in seiner Schwäche, sich in rauhe Berge zurückgezogen”. Archibald wiederum zog sich zurück auf das grüne Fensterbrett, da ihn der Geruch von frischem Basilikum beim Denken unterstützte. Hier war er Bär, hier durfte er sein.

Heute galt es nachzudenken über die hiesigen Aufrechtgeher und ihr großes Eierfest. Offensichtlich haben die Fellfreien ein sehr inniges Verhältnis zu ihren Eiern. Seit einiger Zeit beschriften sie ihre Eier mit allerlei geheimen Zeichen. Aus diesen Zeichen kann man wohl erkennen, wann das Ei gelegt wurde, von wem, wie, warum, ob draußen oder drinnen, ob der Stall beheizt oder tapeziert ist, wie weit es vom Stall bis zur nächsten Autobahnauffahrt ist, wann die Legehenne das letzte Mal den gesetzlich vorgeschriebenen Legeurlaub genommen hatte, ob der Bauer verheiratet ist oder eine Frau sucht, mit welchem LKW-Typ die Eier in welchen Markt geliefert wurden und warum und wie oft die Verkäuferin dem Kunden noch einen schönen Tag gewünscht hat. Deshalb verbringen die Zweibeiner wohl auch die Hälfte ihres Lebens in den Kaufbuden, den diese Informationsflut muß erst einmal erfaßt und verarbeitet werden. Sicher ist sicher und keine Experimente. Dafür hatte Archibald ein gewisses Verständnis, da auch er kein großer Freund von Überraschungen ist. Das muß ja nicht sein, daß dort, wo gestern noch ein mit Lachsen gefüllter Wildbach durchs Gehölz rauschte, heute eine monströse Staumauer aus Beton steht und der Wald zu einem Unterwasserpark mutiert ist. Aber dies, und soweit war Archibald schon in der Zweibeiner Denkensart eingedrungen, war wohl ein wesentlicher Bestandteil humanoider Denke: dem Anderen mit großer Freude Überraschungseier vor die Haustür zu setzen, aber im umgekehrten Fall laut aufzuschreien, daß solch eine unliebsame Bescherung einem doch gehörig auf die Eier gehe und man möge dies gefälligst unterlassen. Wobei der Andere dann wiederum darauf pocht, dies sei auf keinen Fall seine Schuld, wenn man sich mit dieser kleinen Veränderung nicht arrangieren könne. Archibald mußte an den Mann denken, der vor Tagen auf seinem Fahrrad mit mörderischer Geschwindigkeit durch die kleine, enge Straße unter seinem Fenster gerast war, so daß eine dort gehende alte Frau in letzter Sekunde zur Seite springen konnte, dabei stürzte und sich am Kopf verletzte. Der Radfahrer, ein großer, kräftiger Mann, der einen Helm auf dem Kopf hatte und aussah, als zöge er in den Krieg, half der alten Frau auf und als diese sich über den Fahrstil des Helmträgers beschwerte, beschimpfte dieser sie und meinte, wenn auch sie einen Helm trüge, würde ihr auch nichts passieren. Erhobenen und behelmten Hauptes rauschte er davon. Seltsame Vögel!

Wieder bimmelten die Kirchenglocken und Archibald hatte das Gefühl, daß es bei diesem Eierfest eigentlich gar nicht um Eier geht, sondern um etwas ganz anderes, wichtigeres, fundamentaleres. Archibald Mahler, als Bär vom Brandplatz, konnte dies nur ahnen. Wer sollte es ihm auch erklären? Die meisten Aufrechtgeher hatten es längst vergessen. Schade eigentlich. Aber das Basilikum roch noch immer gut und die Sonne schien und die Birken vor dem Fenster trugen erste Blütenkätzchen. Und dies alles schien dem Bären zuzurufen: „Fürchte Dich nicht, Archibald!“

Thema: Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Von langen Ohren, eiligen Hasen und heiligen Eiern

Sonntag, 4. April 2010 18:27

ostersonntagUnd plötzlich überall nur noch Eier und lange Ohren. Ernst Albert und Eva Pelagia, feiertäglich gestimmt und gewiß auch mit einem Hauch von schlechtem Gewissen behaftet, was die Zumutungen, die Archibald in den letzten Tagen erleiden mußte, betrifft, hatten den Bären zum Frühstück eingeladen. Obwohl Bären nun wirklich keinen Bezug zum hartgekochten oder schokoladeumfaßten Ei haben, machte er gute Miene zum undurchschaubaren Spiel, dachte aber, daß dies für einen Solitär doch ein bißchen viel an Sozialgebimse sei. Aber was solls, von draußen schlugen Graupelkörner gegen die Fenster, man sah nix als grau.

Archibald spürte, wie ihm lange Ohren wuchsen, denn auf seinem Rücken hockte der heimliche Fieberthermometerhalter und sprach: „Bär, weil Du keine Ahnung hast, hier die Wahrheit über die eierbringenden Osterhasen. Es ist eine alte deutsche Geschichte, obwohl man behauptet Elsässer und Lothringer und alle möglichen Welschen hätten da auch mitgemischt. In ersten überlieferten Erzählungen hatte das Langohr in Sachen Eierzustellung noch Konkurrenz vom Kranich und dem Storch und dem Kuckuck über den Fuchs bis hin zum Hahn – die Hennen mußten ja die Eier legen und diese ausbrüten. Irgendwann blieb es am Hasen hängen, weil er sehr schnell rennen kann und da er viele Feinde hat, sehr vorsichtig und ängstlich ist. Zudem ist er in der Lage, sein Blickfeld auf bis zu 230 Grad zu weiten, also alles im Blick, keine Hausnummer entgeht ihm. Urkundlich wird der eierbringende Meister Lampe erstmals erwähnt in den Jahren 1638 und 1682, und zwar im Saarland, im Neckarraum und im Elsaß, unter anderem in “De ovis paschalibus – Von Oster-Eyern”, einer von einen Heidelberger Historiker verfaßten Dissertation. Zu der Zeit war das Hoppelviech mit den braunglänzenden Augen und dem flinken Geläuf also dabei sich als anerkannte Eierpost durchzusetzen. Man erzählte den Einfältigen und den Kindern, es sei der Hase, der die Eier bringe und sie verstecke, auf daß die Knaben und Mägdelein sie suchen sollten zum Ergötzen der Erwachsenen. Und so verbinden gleich zwei Symbole ihre Eigenschaften zu einem Auftritt. Einmal das Ei als Symbol für Leben und Fruchtbarkeit, dann der Hase, zumindest seit Beginn der Christenheit, als eine Art Auferstehungssysmbol. Außerdem kam hinzu, daß es im Mittelalter in deutschen Landen üblich war, Pacht und Zins oder die Steuern, vorwiegend in Naturalien zu entrichten. Und einer der beiden großen Abgabetermine war Ostern, und das war die Zeit der ersten Eierschwemme und zugleich die der schmackhaften Frühjahrshasen. Voila! So vereinen sich Ritual und Geschäft. So groß haben die Zeiten sich also nicht geändert. Eine andere Möglichkeit wäre auch diese: bei den Katholiken haben sich in der langen Fastenzeit stets sehr viele Eier angesammelt, und die mußten irgendwann mal raus. Also wurde der Eierberg zum Fastenbrechen bunt bemalt und an fromme Patenkindern verschenkt. (Höre ich da eine Anspielung auf die aktuelle Diskussion?, fragt der Setzer) Solchem Brauch allerdings mochten sich die Protestanten nicht anschließen, sie tranken ein oder vier Gläschen, säkularisierten die geweihten Eier und erfanden einem neuen Eierkurier, den bei den Kindern beliebten Meister Lampe. Alles klar, Bär? Und wenn Dich wer fragt, meine kleine Rede wurden nach dem Hegemannprinzip erstellt. Eierklau und so. Kuckuck! Und nicht vergessen: ‚Fichel, dey moiens so laud pfafe, dey höld am Owed de Hobsch.’ Ei jo, frohe Ostern dann noch!“ Weg war er.

Ernst Albert hatte sich zum Mittagessen „Geduffeln mit Grie Soß“ gewünscht und Eva Pelagia, mit den regionalen Gewohnheiten vertraut, servierte sie in gewohnter Qualität. Und Archibald hatte wieder was dazugelernt. Wo soll das nur enden?

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Archibald folgt der Stimme des Herrn und Eva Pelagia beendet den Spuk

Samstag, 3. April 2010 17:37

osternArchibald machte sich auf in die Richtung, aus welcher er die Stimme seines Herrn vernommen hatte. Er kam an einen kleinen Platz, an der drei mit Kaufbuden gesäumte Straßen zusammenliefen. Und der Platz war wüst und leer. Bis auf sechs große Betonkugeln, welche die Baumeister der kleinen häßlichen Stadt dort haben liegen lassen. Vor wenigen Wochen hatten sie den Bodenbelag des Plätzchens erneuern lassen und seitdem sahen die grauen Kugeln noch trostloser aus. Doch wie schon erwähnt legen die Einwohner der kleinen häßlichen Stadt und ihre Oberbaumeister in Sachen Negativästhetik gerne noch mal eine ordentliche Schippe drauf. Aber vielleicht sind es auch die Eier von längst verstorbenen Sauropoden und man wartet nur darauf, daß irgendwann kleine Alberto-, Tyranno- oder Guidosauren ausschlüpfen.

Ernst Albert stand im Hasenkostüm auf dem größten der Sauropodeneier. Und er sprach: „Liebe Bewohner und Bewohnerinnen von You Turbi et You Torbi! Wirtschaftsstudien zeigen in diesen Tagen, daß die Mittelschicht in Deutschland schrumpft. Seitdem die FDP auf Bundesebene nicht mehr regiert, wird die Mittelschicht dünner und die Schichten oben und unten werden breiter. Wohlsein!“ Eigentlich wollte Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz, der Stimme seines Herrn lauschen, doch er wurde abgelenkt, denn er erblickte hinter der Scheibe einer Kaufbude gar Seltsames. „Die Osterbärchen sind da!“, stand dort und neben dem Schriftzug saßen und grinsten debil kleine aus Gummi geformte Bärenviecher. Und sie hatten lange ganz und gar unbärige Schlabberohren! Wie Ernst Albert respektive sein Kostüm. Was war das denn? Eine Mutation? Das Ergebnis eines bösartigen Laborversuches perverser Aufrechtgeher? Archibald dachte nach. Ernst Albert sprach. Eva Pelagia kaufte ein.

Dann ging alles recht schnell. Es begann zu regnen, Eva Pelagia bog um die Ecke, die drei Männer in den blauen Anzügen mit den gelben Krawatten, die dem Geschehen in sicherer Entfernung beigewohnt hatten, stürzten aus ihren Verstecken, fingen an zu schreien und zerrten ans Ernst Alberts rechtem Bein, Eva Pelagia wurde ungewohnt laut und haute einem der Anzugmänner einen Bund Lauch um die Ohren, der Wind raffte sich zu Orkanstärke auf, Ernst Albert zuckte mit den Schultern und stieg von seiner Kugel, Archibald kratzte sich am Hintern und begann zu frösteln, ein Graupelschauer überfiel die kleine häßliche Stadt und eine Minute später war der Platz mit den Kugeln wieder wüst und leer, als wäre nichts geschehen.

Klären wir die Geschichte auf. Am 1. April 2010 hatten die gegenwärtigen Regierungssesselverwalter das 1. Anti-Dekadenz-Gesetz (ADG) mit einfacher Mehrheit beschlossen und auch gleich ratifiziert. Ernst Albert, zur Zeit untätiger Musentempelarbeiter war einer der Ersten, an dem das neue Gesetz Anwendung finden sollte. Und so wurde er von den „Freiwilligen Frührömern“, einer neu ins Leben gerufenen Patrouille der Regierungssimulanten, zu Hause abgeholt, dem aktuellen Festtag entsprechend kostümiert und seiner gerechten Strafe zugeführt. Er wurde „gebeten“ eine der legendären Reden des Großen Vorsitzenden Guidosaurus Rex zu rezitieren – denn dies war für die kleine häßliche Stadt (KHS) als zentrales Züchtigungswerkzeug vorgesehen – und zwar hoch oben auf dem Kugelbrunnen. Was Ernst Albert auch artig tat, bis die Freiwilligen Frührömer (FF) bemerkten, daß das Redemanuskript leider vom vorletzten Osterfest datierte. Als die FF dann Ernst Albert vom seinem eiförmigen Rednerpult herabziehen wollten, vermutete die um die Ecke biegende Eva Pelagia einen unziemlichen Angriff auf ihren Liebsten und griff ein, kurz und knapp. Die FF schlich von dannen – “Huch, mein Anzug wird feucht!” – und Eva Pelagia packte Ernst Albert und den in nächster Nähe des Tatortes durchnäßt zitternden Archibald. Und mit den beherzten Worten: „Jeder Alptraum muß mal ein Ende haben, meine Herren!“, ging es nach Hause. Denn nichts ist so ungenießbar wie die dicken Eier vom vorletzten Ostern. (Liebe Anklicker! Beachten Sie die Flagge im linken Fenster. Frohe Ostern vom Setzer!)

Und so ging es dann weiter: Eva Pelagia buk Teighasen Nummer zwo, da Nummer eins seine Ohren verloren hatte, Ernst Albert fluchte über die Speerspitze der deutschen Kugeltretkunst und Archibald versuchte zu begreifen, warum die Aufrechtgeher kleinen Gummibären Hasenohren an den Kopf kleben. Aber es war schön warm in der Höhle.

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Und es war einer da, der von der Ferne zusah (Archibald 27. 55.)

Freitag, 2. April 2010 8:57

gipfelUnd das war dann passiert. Der geheime Fieberthermometerhalter (Hat der keinen Kurznamen? Gruß vom Setzer) war von hinten an Archibald herangetreten und hatte ihm gesagt, daß drei Männer in blauen Anzügen mit gelben Krawatten Ernst Albert mitgenommen hatten und daß, nun da die Türe offenstand, es vielleicht klug wäre ihn zu suchen, am Tag der Buße und der Einkehr.

Archibald ging in den Park. Den kannte er. Er erinnerte sich, daß man in einer Ecke des Geländes einen Hügel aufgeschüttet hatte. Den wollte er besteigen und sich einen Überblick verschaffen. Alter Bärentrick. Man riecht besser, wenn man oben steht. Und da fing es schon an mit dem Tag der Buße. Der Kiesberg war steil und rutschig, der Wind hatte auf Nord gedreht, es war eisbärkalt und Herr Lenz schien jegliche Rückkehrabsicht ad acta gelegt zu haben. Auf bärisch: es war eine elende Plackerei, Archibalds Kondition befand sich noch im Winterschlaf und das rechte Bein pochte. Da stand er nun auf dem Gipfel, zu seinen Füßen der Park und Teile der kleinen häßlichen Stadt und seine Lungen arbeiteten im Akkord. Der Park und die ihn umgebenden Straßen waren leer. Die Aufrechtgeher lagen in den Betten. Kirchenglocken bimmelten. Wenige alte Zweibeiner ließen sich von den Glocken rufen. Archibald reckte die Nase in den Himmel. Er roch letzte Überreste eines alten Zweibeinerrituals. In weiter Ferne krähte dreimal ein Hahn. Jemand wusch seine Hände in Unschuld und Zitronenwasser. Hohngelächter und wuchtige Hammerschläge. Ein hagerer Mann trank Essig und Galle aus einem Schwamm. Die neben ihm hangen, riefen ihm zu, er möge sich selber helfen. Zu seinen Füßen würfelte man um seine Kleider. „Eli, Eli, lama asabthani? Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ Der Vorhang zerriß in zwei Teile.

Archibald drehte sich um. Etwas entfernt, hinter den Mauern des Parks, erblickte er eine alte Ritualstätte der Zweibeiner, einen Ort, wo sie einst die Verstorbenen in die Erde gegeben hatten, um ihrer mit aufgestellten Steinen und Holzkreuzen zu gedenken. Zwischen den Steinen sah er ein mittelaltes Ehepaar. Sie rannten und keuchten. Sie trugen schreiend bunte kurze Hosen, mit Schriftzügen versehene Hemden, die Frau hatte ihre mit bunten Strähnen gefärbten Haare mit einem Tuch zusammengebunden und hinter ihnen her rannte ein riesiges Hundeviech, dessen Fell ebenso gefärbt oder zumindest onduliert schien. Der Hund hatte Spaß daran, ab und an einen der Gedenksteine mit seinen Verdauungssäften zu benetzen, was die Frau mit hysterischem Gebrüll kommentierte, während der Mann so tat, als sei er nicht vorhanden. Archibald kratzte sich am Hintern und wunderte sich. Offensichtlich haben die Zweibeiner neue Rituale entwickelt, um den Tag der Buße zu begehen. Es grauste ihn und er wandte sich ab.

Und da sah er in der Ferne, in den Straßen zwischen den heute geschlossenen Kaufbuden, ein Viech, ein seltsames Viech mit riesigen Ohren und einem großen Wollknäuel am Hintern. Und dieses Viech sprach mit der Stimme von Ernst Albert. Oh, mein Bärengott!

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Welche der Welten ist die Welt?

Donnerstag, 1. April 2010 20:31

aufbruchArchibald hat den Telefonhörer einfach fallen lassen. Es überkam ihn das Gefühl, daß es nicht die Aufgabe eines Bären ist, der angetreten war aus dem Fenster und die Welt zu schauen, mit einer Frau Dyckmans zu sprechen. Falls sie überhaupt die ist, die sie zu sein vorgibt, den heute ist offenbar ein Tag, an dem die Fellfreien zu scherzen belieben. Zudem war Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz, der Ansicht, daß die letzten Tage ein klein wenig zuviel geboten hatten. Da wird ein Bär in aller Unschuld, weil leicht indisponiert, zur Ärztin geschleppt, durchleuchtet, klassifiziert und mit lateinischen Ausdrücken überschüttet, muß sich anschließend einer Tiroler Variante des „Ouzo-Orakels“ unterziehen, wobei der Aufrechtgeher auch noch den für den Bären vorgesehenen Anisschnaps alleine runterschüttet und zu guter Letzt ist man empört und betroffen da draußen vor dem Fenster, wohl ein Lieblingsspiel der Zweibeiner. Nicht zu vergessen, der Kugeltretpräsident am Telefon. Seltsame Welt, in die ein Bär schaut, wenn er schaut.

Archibald war klar, daß ab sofort wieder langsamer und gründlicher gedacht werden mußte, zweibeinerfrei und tief. Sonst wird das nie was mit einem ordentlich eingeräumten Gedankenschrank. Doch die Verwirrung des Bären war leider nicht zu leugnen. Welche der Welten dort draußen  ist denn die Welt? Bärenwelt ist eine recht einfache Angelegenheit. Ein Lachs ist ein Lachs ist ein Lachs und zwischen Heidelbeerenstrauch und Aasfilet paßt immer noch ein Mittagsschlaf. Aber die Ruhelosen da draußen vor dem Fenster, stets beunruhigt über den Lauf der Zeit, selbst wenn sie zuviel davon zur Verfügung haben und dann nicht wissen womit sie eben jene Zeit füllen sollen, aber sich hinlegen und alles sein lassen, das wollen sie dann auch nicht. Und dann rennen und hetzen sie los und reden davon Zeit verloren zu haben, die sie aber doch gar nicht hatten und bleiben plötzlich stehen, tatenlos, gelähmt, als käme die verlorene Zeit gleich um die Ecke gebogen und spränge Ihnen zur freien Verfügung und Wiederverwertung in die Hosen- oder Handtasche. Oder leben die fellfreien Raser in dieser Welt, oder in der, welche Tag und Nacht aus den Bilderapparaten plärrt? Und glauben sie gar die Welt, die man ihnen als Spiel und Spiegel serviert, ist die Tatsächliche?  Die andere jedoch, die vielleicht die Wahre ist, lassen sie verrotten, als sei das Leben ein Spiel, in dem die Karten jederzeit wieder neu gemischt und ausgeteilt werden können.  Oder glauben sie dem, was sie erlesen eher als dem, was sie erleben? Und Archibald wußte gar nichts mehr und schloß die Augen. Es flimmerte hinter seinen Lidern.

Archibald bemerkte, daß es zog wie Lachssuppe. Er spürte seinen leeren Magen und daß die Haustür offenstand. „Sie sind Herr Ernst Albert?“ „Ja!“ „Mitkommen!“ Natürlich, Ernst Albert war nicht mehr da. Ganz unbärig begann sich Archibald doch etwas um den Hausherrn zu sorgen und blickte hinaus in den Hausflur. Archibald allein zu Hause. Vielleicht war es doch an der Zeit den geheimen Fieberthermometerhalter zu einem kleinen Symposium zu bitten. Das war es, was er dachte.

Thema: Anregende Buchstaben, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth