Von langen Ohren, eiligen Hasen und heiligen Eiern

ostersonntagUnd plötzlich überall nur noch Eier und lange Ohren. Ernst Albert und Eva Pelagia, feiertäglich gestimmt und gewiß auch mit einem Hauch von schlechtem Gewissen behaftet, was die Zumutungen, die Archibald in den letzten Tagen erleiden mußte, betrifft, hatten den Bären zum Frühstück eingeladen. Obwohl Bären nun wirklich keinen Bezug zum hartgekochten oder schokoladeumfaßten Ei haben, machte er gute Miene zum undurchschaubaren Spiel, dachte aber, daß dies für einen Solitär doch ein bißchen viel an Sozialgebimse sei. Aber was solls, von draußen schlugen Graupelkörner gegen die Fenster, man sah nix als grau.

Archibald spürte, wie ihm lange Ohren wuchsen, denn auf seinem Rücken hockte der heimliche Fieberthermometerhalter und sprach: „Bär, weil Du keine Ahnung hast, hier die Wahrheit über die eierbringenden Osterhasen. Es ist eine alte deutsche Geschichte, obwohl man behauptet Elsässer und Lothringer und alle möglichen Welschen hätten da auch mitgemischt. In ersten überlieferten Erzählungen hatte das Langohr in Sachen Eierzustellung noch Konkurrenz vom Kranich und dem Storch und dem Kuckuck über den Fuchs bis hin zum Hahn – die Hennen mußten ja die Eier legen und diese ausbrüten. Irgendwann blieb es am Hasen hängen, weil er sehr schnell rennen kann und da er viele Feinde hat, sehr vorsichtig und ängstlich ist. Zudem ist er in der Lage, sein Blickfeld auf bis zu 230 Grad zu weiten, also alles im Blick, keine Hausnummer entgeht ihm. Urkundlich wird der eierbringende Meister Lampe erstmals erwähnt in den Jahren 1638 und 1682, und zwar im Saarland, im Neckarraum und im Elsaß, unter anderem in “De ovis paschalibus – Von Oster-Eyern”, einer von einen Heidelberger Historiker verfaßten Dissertation. Zu der Zeit war das Hoppelviech mit den braunglänzenden Augen und dem flinken Geläuf also dabei sich als anerkannte Eierpost durchzusetzen. Man erzählte den Einfältigen und den Kindern, es sei der Hase, der die Eier bringe und sie verstecke, auf daß die Knaben und Mägdelein sie suchen sollten zum Ergötzen der Erwachsenen. Und so verbinden gleich zwei Symbole ihre Eigenschaften zu einem Auftritt. Einmal das Ei als Symbol für Leben und Fruchtbarkeit, dann der Hase, zumindest seit Beginn der Christenheit, als eine Art Auferstehungssysmbol. Außerdem kam hinzu, daß es im Mittelalter in deutschen Landen üblich war, Pacht und Zins oder die Steuern, vorwiegend in Naturalien zu entrichten. Und einer der beiden großen Abgabetermine war Ostern, und das war die Zeit der ersten Eierschwemme und zugleich die der schmackhaften Frühjahrshasen. Voila! So vereinen sich Ritual und Geschäft. So groß haben die Zeiten sich also nicht geändert. Eine andere Möglichkeit wäre auch diese: bei den Katholiken haben sich in der langen Fastenzeit stets sehr viele Eier angesammelt, und die mußten irgendwann mal raus. Also wurde der Eierberg zum Fastenbrechen bunt bemalt und an fromme Patenkindern verschenkt. (Höre ich da eine Anspielung auf die aktuelle Diskussion?, fragt der Setzer) Solchem Brauch allerdings mochten sich die Protestanten nicht anschließen, sie tranken ein oder vier Gläschen, säkularisierten die geweihten Eier und erfanden einem neuen Eierkurier, den bei den Kindern beliebten Meister Lampe. Alles klar, Bär? Und wenn Dich wer fragt, meine kleine Rede wurden nach dem Hegemannprinzip erstellt. Eierklau und so. Kuckuck! Und nicht vergessen: ‚Fichel, dey moiens so laud pfafe, dey höld am Owed de Hobsch.’ Ei jo, frohe Ostern dann noch!“ Weg war er.

Ernst Albert hatte sich zum Mittagessen „Geduffeln mit Grie Soß“ gewünscht und Eva Pelagia, mit den regionalen Gewohnheiten vertraut, servierte sie in gewohnter Qualität. Und Archibald hatte wieder was dazugelernt. Wo soll das nur enden?

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Sonntag, 4. April 2010 18:27
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