Beiträge vom 14. April 2010

Keine Klagen, Ankunft der Seele und erste Irritationen

Mittwoch, 14. April 2010 13:14

dreisamDann war eine Zweibeinerkutsche vor der Zwischenhöhle vorgefahren und hatte Archibald und Ernst Albert abgeholt. Man fuhr durch das Tal, das Flüßchen entlang, in Richtung einer größeren Stadt. In der Ferne ragte ein Kirchturm. Man war in Eile. Die Droschke hielt, Ernst Albert reichte dem Fahrer Geld, packte Koffer und Bär, jagte Treppen hinauf und gleich darauf diese wieder hinab. Er sollte erst wieder spät in der Nacht heimkehren und erschöpft ins neue Bett fallen. Und dies würde die nächsten Tage so weitergehen. Bevor Ernst Albert mit fliegenden Rockschoß gen Arbeit und Musentempel entschwunden war, hatte er Archibald eine Türe nach draußen geöffnet und gesagt: „Für den Anfang scheint mir dies geeignet. Hier läßt sich vorzüglich auf die nachreisende Seele warten.“ Weg war er.

Der Bär gab dem Aufrechtgeher recht. Ausnahmsweise. Nun gut, der Herr Albert war ein geübter Reisender und hatte wohl seine Seele vorausgeschickt, um nach der Ankunft keine Zeit mit Warten zu vertändeln. Doch Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz auf Jungfernfahrt, mußte dies anders bewerkstelligen. Er mußte warten auf seine noch ungeübte Seele. Doch er hatte keinen Grund zu klagen. Dies hier war ein Warteplatz der ersten Güteklasse. Er schaute hin mit Freuden. Das Flüßlein zu seinen Füßen rauschte über einen kleinen Katarakt, ein Bäumchen bemühte sich zu blühen, Gras und Blätter arbeiteten konzentriert an der Grünwerdung, die Sonne leckte des Bären Fell und im Hintergrund wachten die schwarzen Berge. Es war Archibald, als fließe das eiskalte Wasser an ihm vorbei, weiter und weiter in ein fernes Meer, steige dort hinauf in die Wolken, reise übers Land zurück in die alte Heimat und falle wieder nieder über den schwarzen Bergen, rausche vorbei am Bären und fließe weiter zum Meer. Es war dem Bären, als stiegen trächtige Lachse den Katarakt hinauf, laichten dort ins eiskalte Wasser, stürben und der Laich triebe hinab zum fernen Meer, wuchs sich dort aus zum Fisch, kehrte um, suchte die Mündung, arbeitete sich gegen die stärker werdende Strömung den Fluß hinauf, überwand den kleinen Katarakt, laichte und starb. Runder war ihm die Welt selten erschienen und in der Ferne hinter dem großen Kirchturm der Stadt sah er, wie seine mittelhessische Seele bereitstand, um bei ihm anzukommen. Großartig. Doch lange läßt die Welt dem Weisen nicht die Ruh.

Am Ufer des Flüßleins rannten in bunte Gewänder gewandete Zweibeiner auf und ab, als sei der Leibhaftige hinter ihnen her und in Archibalds Rücken begann es zu rumoren und – hatte er recht gehört? – laut und vernehmlich zu brummen. Ein großes, tiefes und voluminöses Bärenbrummen. War, was Archibald vor Tagen am Fenster der Zwischenhöhle mit knurrendem Magen geträumt hatte, mehr als eine Vision?

Thema: Im Heckerland | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth