Auch ein Rechtsanwalt wird nicht verhindern können, daß es gelegentlich regnet (Walden Eight)
Der erste Urlaubstag ist gerne mal eine fürchterliche Enttäuschung. Das Zimmer zur Meerseite blickt auf eine Baustelle, das Meer selbst ist ein Algenteppich, das Frühstücksbuffet ist ein trockenes Brötchen mit Erdbeergelee und das freundliche, angeblich deutschsprechende Personal schaut Dich mit dem Arsch nicht an und macht in seiner Landessprache blöde Witze über Deine weiße Haut und die unvorteilhaften kurzen Hosen von Tante Hedwig, die nach Meinung der geliebten Gattin unbedingt mit auf die Insel reisen sollte, weil irgendwer muß ja auf die verzogene Brut aufpassen, die gerade flunschziehend feststellt, daß ihre Prepaid-Handys hier im Ausland nicht funktionieren. Und natürlich hat einen niemand gewarnt. Herr Rechtsanwalt, übernehmen Sie! Nein, ganz so schlimm war es nicht, hier im Wald am Fuße des Schiffenberg vor den Toren der kleinen häßlichen Stadt. Aber ein bißchen mopperte es schon im Herzen unseres Herrn Archibald Mahler, Ferieneremit und Beerenliebhaber. Warum?
Beerenliebhaber, das ist das Stichwort, mein Ingo! Beerenliebhaber! Als Hausbär und gelegentlicher Weltenbetrachter, und dies seit nun etwas mehr als fünf Monaten, ist man in Sachen Flora und Fauna leider nur mit oberflächlichem Wissen gesegnet. Und so durfte der Bär im Wald feststellen, daß zum einem hier vor Ort keinerlei Heidelbeeren wachsen – die müßten jetzt eigentlich reif sein – und ebenso in Sachen Preiselbeeren – Reifegrad siehe oben – Fehlanzeige! Am Rande des Waldes allerdings Brombeersträucher ohne Ende, reich bestückt, aber so was von grün und unreif. Das dauert noch mindestens drei Wochen bis zur Verzehrreife. Gut, gestern eine letzte Walderdbeere, schrumpelig und bräunlich. Und, Potzrembel die Waldfee: wer ist Schuld? Doch ein Bär ist kein Aufrechtgeher und somit ist die Beschwerde und die permanente Klage des Zurückgesetzten und von der bösen Welt Betrogenen nicht sein Metier. Ganz im Gegenteil. Selbst ist der Bär!
Es wurde dann doch noch eine schöne Höhleneinweihungsfeier. Es hatte ein bißchen gedauert, bis Archibald das Verschlußprinzip des Heidelbeermarmeladenglases durchblickt hatte. In einem ersten Anfall von Zorn und Ungeduld war er versucht das Glas einfach gegen einen der Felsbrocken zu donnern. Aber da war der Ökobär in Archibald vor. Und so eine Scherbe in der Pfote, hier am Ende der Welt, ohne die verehrte Frau Doktor Eva Pelagia in greifbarer Nähe? Niemals! Die Einsamkeit des Waldes hat insofern den Vorteil, daß niemand sah wie Herr Mahler das Glas zwischen seine Bärenoberschenkel klemmte und hundertmal mit den Pfoten abrutschte beim Versuch den Deckel aufzudrehen. Die Sonne stand im Zenit, als ein leises Plopp den Schatz freilegte. Und da saß er nun der Bär, hielt seine Gier an der kurzen Leine, dippte ein Holzstückchen in die süße Versuchung und schleckte sich genüßlich durch den restlichen Tag. Wie das im Gaumen perlte! Die reine Weltheidelbeermarmelade! Ein einsamer Wanderer blickte verwundert ins Gebüsch. Was stöhnt da so lustvoll? Der Himmel über den Baumwipfeln verfinsterte sich. See the sky about to rain!