Beiträge vom 20. Juli 2010

Keine Rücktritte angesichts der Urahnen, denn die hatten auch mal recht! (Walden Six)

Dienstag, 20. Juli 2010 8:46

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Was denken denn Sie? Selbstverständlich hat sich Archibald Mahler, Bär und wohlerzogen, nicht sofort über das frisch bereitete Stück Aas hergemacht, auch wenn die Vorfahren in ihm, seien sie nun aus Kamschatka, Wyoming oder Siebenbürgen, laut aufgeschrieen hatten. „Zieh Dir den leckeren toten Hasen rein, Du Weichbär! Die Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder!“ Nein, das hätte er nicht über sein kleines Bärenherz gebracht. Er dachte  an den Lütten Stan. Doch es war und blieb ihm tiefe Befriedigung, wie sein Urschrei die gesamte Rabencombo zurück in die Wipfel gejagt hatte. Aller Anfang ist Bär! Und morgen ist auch noch ein Aas! Die Büchsen verschlossen, der platte Hase unberührt, der Magen tobte, aber Archibald verschwendete keinen Gedanken an einen Rücktritt von seinem Vorhaben. Das Private ist die Arbeit ist das Private. Und er folgte dem Lauf eines kleinen Bächleins: hinein in den Wald!

Kühler wurde es mit jedem Schritt hinein ins dichter werdende Grün. Und dunkler. Durch das Blätterdach fielen nur noch vereinzelte Strahlen des schwindenden Tageslichtes. Archibalds Nase erwachte aus dem Stadtschlaf und übernahm die Führung. Und es gab so einiges zu riechen. Der kleine, etwas modrige Bach. Die großen Farne, rechts und links am Ufer. Das Moos, das auf alten Holzstämmen wuchs. Der betäubende Geruch des Harzes, der aus frischem Windbruch zum Bären hinüberwehte. Der weiche, federnde, den Pfoten schmeichelnde Boden. Kräftig duftete die feuchte Erde. Die Sporen der Pilze, die auf einen Regenguß warteten, um an die Oberfläche zu schießen. Nadelgehölz. Und die Nachtluft, die nur noch wenige Spuren der Tagesgerüche in sich trug. Keine Aufrechtgeher, kein Duschgel, keine Blechmilben. Die Stille. Sie machte Archibald etwas Angst. Vereinzelt krächzen Raben. Wollten Sie sich an ihm rächen? Den Ruf eines Kauzes. Das hatte er so noch nicht gehört. Seine Nackenhaare sträubten sich. „Hör mal! Du bist ein Bär! Eigentlich hat der ganze nächtliche Wald Angst vor Dir!“ So sprach ein Urahn.

„Die Urahnen haben ja einen etwas anderen Sozialisationshintergrund als ich!“, dachte sich der Bär und war dies nicht eine kleine Höhle, hier am Ufer des Bächleins? Vorsichtig! Unbewohnt? Gut! Er wickelte seinen Proviant aus dem alten Schal und sich hinein. Er stieg hinunter in die kleine Höhle. Ein bißchen feucht, aber die Müdigkeit siegte. Unruhiger Schlaf. Raben, Käuze, Knacken, Rascheln. Wasser gurgelt. Archibald wälzte sich hin und her. Er erwachte früh. Die Feuchtigkeit tief in seinem Fell und in seinen Knochen. Etwas zu feuchtkalt für einen Hausbären, der es sich gerne mal auf Ernst Alberts Heizung bequem macht. Er zerquetschte eine kleine Träne, falls Bären das überhaupt können. Eine kleine Träne der Wut. „Deppenbär! Du mußt Dir eine richtige Höhle suchen. Oben! Auf einem Hügel! Trocken und warm!“ So sprach wieder der Urahn. Diesmal hatte er vollkommen recht. Fand auch Archibald. Der Tag schickte versöhnliches Licht hinunter auf den kühlen Waldboden. Der Bach murmelte ein freundliches „Guten Morgen!“ „Wenn es heute wieder heiß wird und ich aufgewärmt bin, gehe ich hier baden!“ So sprach Archibald. Zu sich und zum Wald. Kann ruhig jeder hören. Denn er war ja der Bär. Mein Wald, mein Bach, mein Strand. On the Beach. Auf zur Höhlensuche!

Thema: Walden | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth