Beiträge vom 21. Juli 2010

Mit der gehörigen Ruhe findet sich das beste Angebot in letzter Sekunde (Walden Seven)

Mittwoch, 21. Juli 2010 15:47

hoehlensuche

„Bär, Nichtraucher, eher kontemplativer Typ, gelegentlicher Aasfresser sucht sehr ruhige Ferienhöhle. Bachnähe, trotzdem aber trocken und schöne Aussicht Bedingung. Bezug ab sofort. Mietpreis verhandelbar. Kann auch mit Haikus zahlen oder Geschichten. Zurufe an Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz, aber z.Z. im Wald!“ So hätte sie aussehen können, die Annonce. Aber wer bitte sollte das lesen? An alle Bäume im Wald einen Zettel hängen? Außerdem gibt selbst ein Bär ungern zu, daß er nicht schreiben kann. Oder sollte er laut rufend durch den Wald tappern, Text siehe oben. Von wegen kontemplativer Typ! Lieber kein Aufsehen erregen als Neuling im Gehölz. Er war froh, daß die Rabenclique am Waldrand geblieben war. Da haben es die Aufrechtgeher einfacher. Die ohne Geld finden sowieso keine Höhle und die mit viel Geld lassen sich eine Höhle suchen von sogenannten Unbeweglichkeitsmaklern. Archibald aber ist Bär und darüber sehr froh und deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als den Wald gewissenhaft zu durchstreifen und sich auf seine gute alte Nase zu verlassen. Und es war angenehm kühl.

Das mochte er, auch wenn die Anspannung des Suchens und der Ungewißheit groß war: das Gedämpfte. Die Schritte vom weichen Boden gedämpft, der Wind streichelt sanft durchs Blattwerk, das Tageslicht zerlegt sich in einzelne Strahlen, bevor es den Waldboden erreicht und blendet nicht, das Zwitschern der Vögel verliert sich im Geäst und fern, ganz fern gelegentlich das Dröhnen einer Blechmilbe. Dann hörte er Musik. Zweibeineralarm!  „One two! One two! Check! Check! Twäng! Tröt! Schepper!“ Irgendwo wurden Instrumente gestimmt, man ließ ein Lied anklingen. Schöne Musik! Ein musikalischer Sommer! Archibald setzte sich auf einen umgestürzten und bemoosten Baumstamm. „Klasse!“, dachte er. „Wald mit Radioanschluß! Wie zu Hause bei Ernst Albert und Eva Pelagia!“ Er schloß die Augen. Und er sah sich, wie er im Wald saß, die Augen geschlossen und ein fernes Lied hörte. Im Wald am Fuße des Schiffenbergs vor den Toren der kleinen häßlichen Stadt. Motion picture.

Da krächzten die Raben. Potzrembel die Waldfee! Der Abend nahte und immer noch keine Bleibe. Archibald sprang auf und drehte sich einmal um die eigne Achse – Wohin nun, wohin? – und er sah. Er sah einen Abhang. Ein heftiger Regen hatte Teile des Abhanges weggespült und große Felsbrocken waren hinuntergerollt, hatten sich ineinander verkeilt und so waren entstanden: Höhlen. Kleinere, größere, dunkel, aber trocken. Über allem thronte eine riesige Eiche, deren Wurzeln zu Teilen von Wind und Wetter freigelegt waren. Noch mehr Höhlen. „Zimmer frei?“ Vorsichtig schlich er näher, blickte in die eine, in die andere lockende finstere Vertiefung. Nichts regte sich. Er richtete sich auf, nach guter alter Grizzlyart und ließ seinen wildesten Schrei in den Abendhimmel steigen! Die Vögel verstummten. Nichts regte sich. Sehr gut! Archibald setzte einen Mietvertrag auf. Mit sich selbst! Der Abdruck seiner Pfote besiegelte die Vereinbarung! „Die erste Nacht verbringe ich im Erdgeschoß!“ Der Bär freute sich über seine Entschlußfreudigkeit und vergaß nicht vor dem Einschlafen, welches blitzartig erfolgte, Frau Adler und allen ungenannten Bärengöttern zu danken. Ein guter Tag!

Thema: Walden | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth