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Da war noch was! Postnachklapp aus Polen (3)

Samstag, 22. September 2012 19:30

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Lieber Mahler!
Das kennen Sie gewiß: Ich stehe hier und stelle mich in Frage. Blödsinn! Streichen Sie das durch. Ich meine: hier stehe ich und stelle mir die Frage. So ist es. In den letzten Tage ertappe ich mich des öfteren dabei, wie ich sinnend vor zerfallenden und in die Endlichkeit übergehenden Gebäuden stehenbleibe, selbige innigst betrachte und mich eine wohlige Ruhe anspringt. Und da ist dann diese Frage. Die Frage wirft mir vor, ich sei so eine Art Morbiditätstourist. Na ja! Ich antworte dann der Frage meist: völliger Blödsinn. Was ist verwerflich daran, dem Ticken einer alten Uhr geistig nachzureisen? Ganz so schnell wie der Fliehende es sich wünscht, pulverisiert sich nicht die Vergangenheit. Wie sagt man? Hängt es lange drin in Jacke. Oder so ähnlich. Irgend etwas spiegelt aus dem Vergangenem immer zurück. Ach ja. Gerade vernehme ich, daß unser verehrter BVB sich seit gefühlten dreitausend Tagen eine Niederlage abgeholt hat, weil meine polnischen Pöhlerfreunde die Pille ständig irgendwo in die warme Hanseatenluft gedengelt haben. Das wiederum beruhigt mich. Sogar das Schöne, Wahre, Gute hat die Chance auf Vergangenheit und Untergang. Das bin ich echt froh. Wie ist es so am Bodensee? Wenn mir sonst noch was einfällt, melde ich mich wieder.

Bis dahin herzlichst Budnikowski

Thema: In Polen | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Mahler sammelt Grenzerfahrungen und andere Familiaritäten oder schaut nur auf den See (5)

Donnerstag, 20. September 2012 16:44

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Einfach mal rüber machen? Um zu sehen, was da hinter dem Rücken rum macht? Der Bär möchte die Seite wechseln. Wer aber von hier, also da, wo Archibald Mahler gerade sitzt und schaut, rüber macht, wechselt einiges und dann aber doch nicht. Für die Auswärtigen folgendes: Archibald Mahler sitzt am Rande des Ufers, welches hier doitsches Gestade darstellt, aber sitzt doch lediglich auf einem Landzipfelchen der Schweizer Landmasse. Da drüben in Blickrichtung Nordwest ist germanisches Terrain, aber das ist auch nur die Spitze einer Landzunge, die sich in den See ergoß, als die Gletscher weitergezogen aka weggeschmolzen waren. Lang ist’s her. Da gab es noch keine Löhlis und Seehasen und Schwoabeseggel. Nur Wesen auf dem Weg zum Menschen. Sitzt man aber da drüben, schaut man in die Sonne und in die Schweiz, was sich wiederum nicht bedingt. Wer in den Abgrund schaut, ergattert selten einen Sonnenbrand. Und wer sich wenige Jahre zurückdenkt, erblickt drüben am Schweizer Ufer alten Konstanzer Kirchengrund. Bis hoch, dort wo St. Gallen winkt. Kann man nicht sehen, aber Archibald Mahler spricht ab und an mit dem Ehrenwerten Herrn Ernst Albert und der erzählt. Gerne tut er das. Erst gestern, also heute Nacht, als Albert von der Musentempelarbeit kam und aus der Kneipe und er den Bären weckte mit großen Redebedarf, weil wer Mimen in seiner Nähe weiß, braucht ab und an einen Bär und seinen ruhigen Rat. Der Mahler ließ sich wecken und stand zu Diensten. Zum Dank nun ereilten ihn folgende Aufträge. Nachdenken über Budnikowskis letzte Karte und das Alte und das Neue und wie es nebeneinander vielleicht. Und – Potzrembel die Waldfee – bitte: la Familia! Heute scheint wieder die Sonne. Der Bär bricht auf und schiebt die Gedanken hinter sich. Nicht in die Schweiz, dort würden diese ersticken, sondern in den mentalen Rucksack. Schön warm am See.

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Mahler sammelt Grenzerfahrungen und andere Familiaritäten oder schaut nur auf den See (4)

Dienstag, 18. September 2012 17:49

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Wem gehört das Wasser? Wem gehört ein See? Da fährt ein Schiff vor Archibald Mahlers Nase von der Schweiz in die Schweiz durch einen deutschen Schlund. Der Himmel gehört allen oder dem Herrn, aber wem gehört das Wasser? Gehört das Wasser, dem auf dessen Land die Quelle oder dem, dessen Gestade von den Mündungsarmen geteilt wird? Oder ist diese Frage schlichtweg obsolet? Hier ist viel Wasser, klares Wasser, warmes Wasser, sauberes Wasser, Draufschauwasser. Mahler mag das sehr. Hat er ja schon oft geäußert. Hier ist Wasser göttliche Normalität und umsonst. Doch es gibt Gegenden, wo sich entfernte Verwandte des Bären gegenseitig die Pranken über den Schädel ziehen, beim Kampf um den Zugang zum letzten Wasserloch. Wasser hat einen Wert. Und was für einen. Selbst für einen Bären, der nie duscht und von jeglichen ökonomischen Anfechtungen gänzlich unbeleckt ist. Dennoch, wenn man jetzt da vorne, wo die Brücke den Ausfluß aus dem See überspannt, eine Wassergrenze ziehen würde? Einen dicken Staudamm errichten würde, so daß die hiesigen Ureinwohner das Wasser, welches aus der Schweiz runtergeflossen kommt, für sich behalten können? Danach kam man das gestaute Wasser den Schweizern, wenn die Durst kriegen sollten, für teures Geld verkaufen. Rückkehr! Archibald Mahler denkt nach, kratzt sich am Pöter und behält den Einfall für sich. Sonst setzen die Geldgierer hier vor Ort diese Idee noch in die Tat um. Andererseits, wer lange und konsequent staut, säuft ab oder erstickt. Solange das Wasser nachkommt. Man munkelt, woanders sei dies nicht mehr der Fall. Braucht man etwa anstelle eines Staudammes eine Mauer um den See herum? Weia? Aber herrlich warm ist es noch immer. Das bleibt gut. Oder ist es etwa gar zu warm und das Wasser steigt? Genau hinschauen!

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Mahler sammelt Grenzerfahrungen und andere Familiaritäten oder schaut nur auf den See (3)

Dienstag, 18. September 2012 1:14

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Die Sonne scheint auch heut. Das ist gut. Und es ist noch wärmer geworden. Muß man sich fast schon wieder dran gewöhnen im Frühherbstsommer. Archibald Mahler war in die richtige Richtung gekippt. Links, gleich ums Eck – so sagt man hier – liegt der See. Nahocke und schaue. Da vorne ist die Rheinbrücke. Da drüben ist die Seestrasse. Und linker Hand schräg das Inselhotel. Das erste zu besteigende Haus am Platz. Einst kam es als Kloster zur Welt. Domikanerkloster. Bescheidenheit. Die Münsterglocken schweigen mittlerweile. Noch aber wird geheiratet. Im Inselhotel wird seit einigen Stunden weitergeheiratet. Archibald Mahler fällt auf, daß die gesamte Hochzeitsgesellschaft eine seltsame Sprache spricht. Fremd. Fürchterlich fremd. Woher soll der Mittelhessenbär wissen, daß dies Schwyzerdütsch ist? Dürfen die das? Hier grenzüberschreitend heiraten? Wahrscheinlich schon. Aber ist das eigentlich nicht ganz fürchterlich schade? Mahler liest nochmal Budnikowskis Postkarte. Er denkt. Und denkt nach. Der See grinst ihn an und ist unschuldig und schön. Ja, es ist ganz fürcherlich schade. Wer seine Heimat vor dem ersten Hahnenschrei verrät! Archibald Mahler kratzt sich am Pöter. Da ist keine Hose und kein am Pöter klemmender Geldbeutel, welcher des Bären Herz korrumpiert. Glück gehabt! Trotzdem! Der kehlige Singsang der Hochzeitsgesellschaft klingt unangenehm, wie er so über den allzu hübschen See hinweg poltert und singt. “Strafe muß demnach sein.” Nein! Sowas würde der Bär – noch immer Gast am See – niemals denken. Oder doch? Diesseits der Grenze aber kassiert der diesseitige Einheimische und klagt und jammert. Archibald Mahler wiederum ist froh drum, hier noch eine ganze Zeit verweilen zu dürfen. Vieles gilt es noch zu begreifen.

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Da war noch was! Postnachklapp aus Polen (2)

Sonntag, 16. September 2012 22:56

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Lieber Mahler!
Ging heute ein bißchen spazieren jenseits des Strandes. Nachdenken über den Fortschritt. Was heißt das eigentlich? Alles, was ein gewisses Alter erreicht hat, möge sich bitte auf der Stelle vom Acker machen, es möge bitte hinfort schreiten? Warum? Um uns seinen Anblick zu ersparen? Das Bildnis des Weibes, welches man in rosaroter Hitze verließ, mag man nicht mehr betrachten? Wessen Partei das Zeitliche segnete, der googelt nach einer neuen Sekte? Ich mag es durch diesen Ort zu laufen. Verschiedene Zeiten stapeln sich übereinander, lehnen sich aneinander und das Alte darf auch mal alt bleiben und häßlich. Nichts gegen das Neue und Glitzernde, aber – und das, bester Mahler, fällt mir gerade ins Hirn: ich heiße Budnikowski. Hömma, der Name ist nich vonne Designers an meinen Körper drangegossen worden. Dat iss ein ganz altes Ding. Hasse ein Leben lang anne Backe kleben. Musse mit klar werden. Kannse nich alles abreißen und abfackeln, nur weil et permantemang knirschen tut inne fortschreitende Entwicklung inne Richtung vonnem erhofft und ständig groschenspuckenden Morgen. Denk ich mal grade so beim rumtappern. Jetzt geh ich in den Laden da drüben und kauf mir ein ABC, damit in meiner nächsten Karte an Sie ein paar neue Buchstaben drinne sind.

Bis dahin herzlichst Budnikowski

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Mahler sammelt Grenzerfahrungen und andere Familiaritäten oder schaut nur auf den See (2)

Samstag, 15. September 2012 16:18

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Die Sonne scheint auch heut. Das ist gut. Und es ist noch wärmer geworden. Das ist sogar noch besser. Mahler ist zufrieden. Nachgedacht wird trotzdem. Über das Bedürfnis “Grenzenlosigkeit”. Wird mit diesem obskuren Begriff lediglich ein arg diffuses Bedürfnis nach Freiheit formuliert? War ja gestern Thema im Bärenhirn am See. Warum aber Freiheit nur ohne Grenze? Die Grenze existiert. Ständig ist Grenze präsent. Ohne Grenze läuft der Kaffee aus der Tasse, das Bier aus dem Seidel und ein Lebewesen aus der Verantwortung. Die Grenze ist immer und überall. Mal ist es die Haut, dann ein Fluß, vielleicht der Inhalt des Geldbeutels, oder nur der Lieblingsverein und sogar die Haarfarbe. Das ist auch gut so. Äpfel und Birnen oder Schweinekotlett ist nicht eine Suppe. So denkt der Bär mal geschwind an das Ufer des Sees hin. Wo war das Ufer eben noch? Übermorgen dann! Weiter! Nun woher aber dieses seltsame Bedürfnis nach Zuneigung in Form einer Laokoongruppe? Alles betatscht da jeden. Liebe sei dies? Da wurde doch mit der Schlange gekämpft, oder? Ist es nicht besser sich beim Applaus nicht an den Händen zu fassen? Aha, Musentempelgedanken. Archibald Mahler hat das Gefühl zu kippen. Die Grenze, welche unter seinem Pöter rasiermesserscharf verläuft, verlangt heute nachmittag eine Entscheidung. Archibald Mahler kippt mal nach links. Macht er sowieso lieber als nach rechts, kippen also. Hoffentlich liegt da drüben, also Richtung links, auch der See. Ein Postbote radelt vorüber. Er hält eine Postkarte in seiner Hand. Er winkt. Mahler winkt zurück. Eine Hand weniger, welche der Kontrolle zur Verfügung steht. Er hätte sich am Gestrüpp festhalten können. Machen Solitäribären nicht so gern: festhalten Nun liegt er halt links der Grenze. Aber er hat Post bekommen. Aus Polen. Das ist gut. Die Sonne scheinet weiterhin. Im Münster der Stadt wird gerade geheiratet. Die Glocken lassen die warme Seeluft erzittern. Ist das eine Warnung?

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Mahler sammelt Grenzerfahrungen und andere Familiaritäten oder schaut nur auf den See (1)

Freitag, 14. September 2012 18:04

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Und wieder im Grenzgebiet. Eben noch oben im äußersten Nordosten, jetzt ganz unten. Im Süden. Kein Zaun auch nicht mehr zwischen Löhliland und Badenzipfelonien. Oder doch? Was wird Mahler tun? Auf der alten Grenzlinie entlang balancieren? Einen Fuß auf jener, den anderen Fuß auf dieser Seite? Wird er sich entscheiden? Pendeln? Schwanken? Oder nur auf den See hinausschauen? Heute ist ein milder, freundlicher Spätsommertag und die Zeit fließt erfrischend langsam und gleichförmig am Pöter des Bären vorbei. Er wird viel von dieser Zeit zur Verfügung haben die nächsten Tage. Ernst Albert hat sich gestern in den hiesigen Musentempel einsperren lassen und der ferne Budnikowski hat selber genug zu denken in Polen. Es solitärt deshalb wieder im und um den Bären herum. Das gefällt ihm. Sein letzter Gedanke für heute: wer hat eigentlich das absurde Wörtlein “grenzenlos” in die Welt gesetzt und warum nur? War es ein Seiltänzer? Ein Familienrichter? Ein Drogenbaron? Ein legendärer Ausbrecher? Ein arbeitsloser Zöllner? Ein Finanzbeamter? Wo war noch mal der See? Da vorne? Oder dort hinten?

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Da war noch was! Postnachklapp aus Polen (1)

Donnerstag, 13. September 2012 0:11

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Lieber Mahler in der Heimat!

Halten Sie mich für bescheuert, aber manchmal habe ich das mit dem Fortschritt nicht begriffen. Sitze hier auf einem polnischen Vortortbahnhof und warte auf den Zug. Eine Karte habe ich schon gekauft. An einem Schalter. Bei einer richtigen, lebenden Frau. Die Freundlichkeit hat die bestimmt nicht erfunden, aber ich spreche auch nicht polnisch. Die Fahrkarte habe ich aber komplikationslos bekommen, mit Pfoten und Läufen gestikuliert, und ich zahle denselben Preis wie der Einheimische. Automaten gibt es keine, dafür ein Büdchen für das Nötigste. Und im Bahnhof kostet alles genau gleich viel wie auf der anderen Strassenseite. Es gibt nur ein einziges Büdchen im Bahnhof. Das hat alles. Zeitungen auch. Und Zigaretten. Sogar Kinderspielzeug, billiges. Und hinter dem Schalter sitzt ein Mensch. Dann kommt der Zug und keiner versucht englisch zu sprechen in die knarzenden Lautsprecher hinein. Der Zug kommt und fährt auch so. Auf den Fahrplänen stehen ja die Zahlen. Wie überall. Gleis. Zeit. Abfahrt. Zielort. Man kann hier noch lesen. Und komischerweise sind Fahrkarten und Bier billiger als dort, wo soviel mehr Fortschritt ist. Oder so gern wäre. Es funktioniert hier also alles zu meiner bescheidenen Zufriedenheit und ich hoffe, die Optimierer lassen sich noch etwas Zeit. Sind Sie schon im Heckerland bei den Reichen? Beim nächsten Mal mehr!

Bis dahin grüßt herzlichst: Budnikowski

Thema: In Polen | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Zum 35ten Male besingt Zimmermann eine Scheibe, alles neu und alles bleibt und gut (3)

Mittwoch, 12. September 2012 13:50

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Heute ist ein sehr kalter Tag. Der Herbst kriecht unter des Bären Fell und da wird ein Bär auch sogleich von unerbittlicher Müdigkeit befallen. Was singt der Zimmermann heute?

“Letzte Nacht hörte ich Dich sprechen im Schlaf.
Du sagtest Dinge, die Du vielleicht besser nicht, na ja!
Ein Tages wirst Du vielleicht hinter Gittern sitzen!”

Und:

“Das hier ist anstrengendes Land, will man hier leben.
Die Luft voller Rasierklingen, sie zerfetzen meine Haut.
Bis unter die Zähne bin ich bewaffnet. Mühsames Kämpfen.
Ohne Narben kommt keiner davon.
Es ist eine lange Strasse, ein sich ziehender und schmaler Weg.
Und wenn ich es nicht schaffe, mich auf Deine Höhe hochzuarbeiten,
wirst Du Dich wohl oder übel eines Tages auf meine Ebene hinunter begeben müssen.”

Herr Zimmermann ist ein Künstler. Und ein alter Mann. Ein Überlebender. Was könnte seine Aufgabe sein? Zu unterhalten? Schon alleine beim Gedanken daran schüttelt sich Herr Mahler und ist da ganz gelehriger Schüler des Ehrenwerten Herrn Albert.
“Geschichte erzählen. Eine einzige, eine lange und sich ziehende, manchmal sehr schmale Geschichte erzählen. Immer und immer wieder. Jeden Tag geht irgendwo eine Titanic unter. Und sei es nur in der Badewanne.”
Das ist wohl so, denkt auch der Bär. Dann muß er vom Moped runter und in die Reisetasche. Heckerland wartet mal wieder. Hoffentlich ist da wärmer, am See.

Thema: Robert Zimmermann | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Zum 35ten Male besingt Zimmermann eine Scheibe, alles neu und alles bleibt und gut (2)

Montag, 10. September 2012 18:17

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„Ein Simsonroller hat ein ähnliches Alter wie der Zimmermann. Als ein Zimmermann seine ersten Töne sang, dachte man: ein Simsonroller ist keine Harley – Davidson und der Zimmermann ist nicht der „Kleine Richard“. Aber Zimmermann fühlte sich nun mal wie ein Kleiner Richard’ und der Simsonroller fühlte sich mindestens so schnell wie eine Kreidler ‚Florett’. Was das heißt? Rote Ampeln haben ab einem gewissen Alter keine Bedeutung mehr. Und Exegese ist der Zeitvertreib der Orientierungslosen. Wie bitte? Dig it: Man liest seine Bibel oder liest sie nicht.“

So sprach der Herr Albert am Tage nach dem Eintreffen des Sturms. Archibald Mahler hatte den Silberling termingerecht abgeliefert. Jetzt dreht er sich vor den Ohren des Ehrenwerten Herrn Albert in schwerer Rotation. Dreistellig? Noch nicht ganz, ein ordentliche Zweistelligkeit ist erreicht, aber wenn das so weiter rotiert, ist die Hundert keine allzu ferne Utopie. Und was hört der Bär mit? Ein bisserl anglikanisches Wörterbuch hat er sich schon angeeignet im Laufe seines Unterschlupfes beim Herrn Ernst A. und das Knarzen des Zimmermanns ist ihm so seit Zeiten Kopfkissen und Ansporn. Ein kurzes Anriechen der neuesten Worte des Sturmes:

„Dummer Junge, Du glaubst ich bin eine Heilige? Deine Klagegesänge mag ich nicht mehr hören. Was schenkst Du mir? Süße Lügen? Halt Deine Zunge im Zaum und entdecke Deine Augen!“

Oder:

„Mein Herz ist voller Freude und ohne Angst. Ich war da unten, wo es richtig schmerzt. Ich habe keine Eile mehr. Deine Wut, davor fürchte ich mich nicht mehr. Ich stand schon vor dickeren Mauern.“

Oder:

„Wenn Liebe eine Sünde ist, dann ist die Schönheit ein Verbrechen. Jedes Ding atmet Schönheit, von Zeit zu Zeit.“

Und die Musik der Mitbarden des Robert Z. schwingt und walzert vor sich hin und des Bären Pöter tut da mit. Keine Musik für junge Menschen ist das oder für jene schon gar nicht, welche da nicht altern mögen. Und heute war ein heißer Tag. Morgen gedenkt sich die Welt mal wieder der Tatsache , daß sie um beinahe den Preis eines getöntes Haares untergegangen wäre. Tut sie das übermorgen nicht auch?

Thema: Robert Zimmermann | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth