Beiträge vom 28. April 2020

Mit gebührendem Abstand betrachtet / Fünf

Dienstag, 28. April 2020 15:07

abstand05.1

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Mobilität? Das kann doch weg, oder?

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Wie man nur könne? Der Aufrechtgeher ist ein Aufrechtgeher ist ein Aufrechtgeher? Ein langes Leben langt feilt er an seiner Besonderheit und Grandiosität und ein dahergelaufener Bär mit ehemals Abben Bein keift despektierlich rum? Anmaßung, apodiktische! Das Heilige Amerikanische Individuum Germanischer Nation? So nicht, nein, in dieser Zeit da ein Jeder und Wir ALLE!

Archibald Mahler, eher der Harmonie zugewandt und Kuno Budnikowski, von Natur aus etwas schreckhaft, saßen verunsichert. Soll man jetzt, wie geplant, runter zu den Reifen und etwas weiter keifen? Angesichts der – gewiß – Lage und der – na ja – Sensibilität der Aufrechtgeher, wenn ihre eigenen Belange im Mittelpunkt stehen? Man berät sich. Leise. Fuhr da nicht eben eine Blechkiste mit Ordnungsaufpassern vorbei und verlangsamte sogar für kurze Zeit das Tempo? Irritierte Blicke? Der Bär lacht auf und haut den Hasen den Ellenbogen in die Rippen. Der wankt aber fällt nicht. Hören wir mal rein ins Vorgeplänkel!

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„Denkste Puppe! Wer zu schnell wankt, der fällt beim ersten Windstoß! Mahler, was hat Ihr Rempler zu sagen!“

„Eben dieses, werter Budnikowski, nicht wanken: Ich habe mir gemerkt, was der Ehrenwerte Ernst Albert beim Frühstück am letzten Sonntag der Wunderbaren Pelagia aus der Zeitung vorgelesen hat. Also: ‚Es gibt in der politischen Debatte drei mögliche Arten zu argumentieren: Man kann auf erwiesene Fakten hinweisen, man kann eine persönliche Meinung äußern – und man kann urteilen. Letzteres war für Hannah Arendt die wichtigste Form des Sprechens. Aber leider ist das Urteilen im aktuellen Diskurs etwas aus der Mode gekommen … Beidem, dem Wissen und dem Meinen, ist gemeinsam, dass der Sprecher oder die Sprecherin keine Verantwortung für das Gesagte trägt. Der Verweis auf Fakten bezieht sich auf die Realität – es ist nun einmal so, ich kann nichts dafür! Das bloße Äußern einer Meinung hingegen beruft sich auf die Meinungsfreiheit, das Recht für alle, mitzureden… Wenn ich etwas beurteile, füge ich hingegen objektives Wissen und subjektives Meinen zusammen. Mein Sprechen ist dann kein spontaner Impuls persönlicher Ansichten und auch kein bloßes Referat feststehender Fakten, sondern eine begründete, durchdachte politische Intervention.‘ Das stand da drin!“

„Was hält uns dann noch, runter an die Reifen, was begreifen und ein paar Zeilen, um Uhr zu teilen!“

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Man stieg hinab, nahm Platz, kratzte sich am Pöter und an den Löffeln, jeder sich selbst, gegenseitig später wieder und räsonierte so vor sich hin. Also … ähem … bereit … also wir könnten dann … Dings. Sie wissen schon!

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„Mit gebührendem Abstand betrachtet, teurer Budnikowski, die Mobilität, das kann doch weg. Brauchen wir das noch? Was wäre Ihre Meinung?“

„Da liegen Sie im Prinzip vollkommen richtig, Freund Mahler, wobei ich über Einwände noch nachzusinnen habe. Man ist ja in dieser Causa recht unerfahren. Also alte Reifen, die nicht rollen, sind mir nicht unsympathisch! Aber müssen die Aufrechtgeher die Dinger überall rumliegen lassen?“

„Vielleicht ist es ein Zeichen der allgemeinen Indigniertheit dieser Tage. Ein Mahnmal der siechenden Blechkistenbauer!“

„Und die Eisenvögel stehen auch alle am Boden rum und machen keine Streifen mehr in den Himmel. War das nicht schon mal, als dieser unaussprechliche Vulkan staubte und wir unten im Heckerland?“

„Weia! Im Bärenknast! Ich entsinne mich. Nach dem damaligen zeitweisen Untergang der Aufrechtgeherwelt in ihren mentalen Grenzen von zweitausendzehn ist man noch verbissener und schneller durch die Lüfte gerast!“

„Aber wenn die Eisenvögel da noch lange rumstehen, dann rosten die und die hiesigen Aufrechtgeher können ihren Titel nicht verteidigen!“

„Was für ein Titel, Herr Hase?“

„Na, Reiseweltmeister!“

„Den anderen Titel ja wohl auch nicht mehr in absehbarer Zeit!“

„Netter Versuch, Mahler! Über Geistleerspiele und das Gejammer in Milliardenhöhe mögen andere urteilen! Der legendäre Sack Reis der Lichtgestalt ist in Kina, wie er sagte, nun leider doch umgefallen und man muß den leidigen Sack und auch das kinesische Fahrradel im Gegensatz zu den (noch) unsichtbaren Sklaven in Katar jetzt leider wahrhaben!“

„Nix leider! Die Strafe folgt auch auf den Zauberfuß!“

„Wollen wir den alle Bewegung in die Tonne kloppen?“

„Quatsch! Auch mir ist die Nase ab und an nach fremden Gerüchen! Sie entsinnen sich! Doch das Maß, das Maß und man zweifle an den Selbstverständlichkeiten! Sich nur bewegen, wenn man muß!“

„Nur zum Kacken?“

„Budnikowski, Sie wissen ganz genau, was ich meine! Ihre gute Nachricht!“

„Die Garagen sind leer und man kriegt überall Parkplätze in der Innenstadt!“

„Na, daran glaube ich erst in einem halben Jahr!“

„Ich habe mir auch was gemerkt aus dem Artikel, der vorlesen wurde, was mir gefällt!“

„Her damit!“

„Also: ‚Früher fand ich den westlichen Zivilisationshochmut, die Verachtung gegenüber den anderen, den Zurückgebliebenen darin schwer erträglich. Jetzt mitten in der Corona-Krise – oder stehen wir nicht doch erst an deren Anfang? – finde ich die Vorstellung, der Mensch sei überhaupt in der Lage, die Welt zu beherrschen, lächerlich. Ich erinnere mich daran, dass 2008, als das erste Mal in der Weltgeschichte mehr Menschen in Städten wohnten als auf dem Land, uns gesagt wurde, die Zusammenballung der Menschen auf engstem Raum sei gesellschaftlich womöglich immer noch ein Problem, aber die daraus entstehenden biologischen Gefahren seien dank der Antibiotika keine mehr. Wir werden gerade eines Besseren belehrt. Wir werden zurückdrehen müssen, wenn wir nicht draufgehen wollen. Was auch heißt, dass wir an anderen Stellen aufdrehen werden müssen. Corona zeigt, dass wir die Natur nicht beherrschen, sondern dass wir immer wieder neue Arrangements mit immer wieder neuen ihrer Vertreter schließen müssen.‘ Können wir morgen mal über die Welt reden, die weg muß!“

„Gute Schlußworte! Und: gerne!“

„Herr Archibald Mahler!“

„Herr Kuno Budnikowski!“

„Ich danke für das Gespräch!“

„Der Dank liegt bei mir!“

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abstand05.2

Thema: Gebührender Abstand | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth