Beiträge vom Oktober, 2011

HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 7

Montag, 10. Oktober 2011 15:10

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Eigentlich ist Herr Archibald Mahler seit gestern wieder zu Hause. In der Höhle. Da ist geheizt. War ja auch kalt gestern und vorgestern. Zu Hause also in der Höhle, aber noch nicht im Kopp. Der ist noch im Musentempel. Der Kopp eines Bären arbeitet wie die mahlernde Mühle langsam und stet. Da bleibt stets was über. Das ist nicht so einfach. Genau! Hören wir mal rein bei den Damen und Herren Aufrechtgehern: „Das ist doch ganz einfach! Geh doch einfach! Mach doch einfach! Das ist eine einfache Aufgabe! Das glaub ich einfach nicht! Könntest Du einfach mal? Das ist einfach unfaßbar! Ich denk einfach Pünktchen Pünktchen! Ich sage jetzt einfach mal so! Der hat es doch wirklich einfach! Der macht es sich einfach! Das ist mir jetzt zu einfach! Wenn man denen jetzt einfach mal sagt, was Sache ist? Ich mach das einfach nicht mehr mit! Könnten Sie einfach mal die Schnauze halten?“ Potzrembel die Waldfee! Kein Schrank hat nur ein Fach und die Welt ist kein Regal! Das wiederum denkt Herr Mahler, ehemals der Erfinder des Gedankenschranks. Aber: er hat es gesehen die letzten Tage, das Einfache. Das heißt, es war nicht zu sehen. Aber man hat nach ihm gesucht. Weil der Herr Mamet gesagt hatte, die Entengeschichte sei eine einfache Geschichte! Natürlich kompletter Blödsinn! Aber ein Blödsinn, welcher herausfordert. Machen wir es einfach! Bleiben aka werden wir einfach! Und wieviel Arbeit das ist, bis das Einfache erspäht wird im angeblich oder im zitierten Einfachen. Feuer kann man anfachen, aber nicht einfachen. Ein Einfach als das Einfach gibt es nicht. Es gibt lapidar, direkt, zuhören, reagieren, atmen, eine Geschichte, diese Geschichte erzählen zu wollen, den Spielpartner als Gegenüber akzeptieren, Emphatie, Mut, Wut und Ausdauer. Und Disziplin. Und die ist schon gar nicht einfach. Das ist das Schlimmste. Archibald Mahler denkt an seinen Pöter. Wie oft er auf diesem Pöter rumsitzen muß, wenn er in die Welt schaut. Aber er will ja in die Welt schauen. Und er hat nur einen Pöter. Potzrembel und die Waldfee aber auch Weia! Und dann denkt er: das Tolle am Einfach ist, daß es Einfach gibt, daß es aber ganz anders heißt. Und das ist nicht einfach. Einfach mal leben? Quatsch! Das heißt leicht. Leben! Leicht leben! Einfach ist vielleicht nichts! Da fällt Archibald Mahler, dem Bären vom Brandplatz und gelegentlich Hobbydramaturg, etwas ein. Morgen ist auch ein Tag!

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POST AUS LITAUEN / BEGEGNUNG

Samstag, 8. Oktober 2011 9:40

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Lieber Herr Mahler!

Ich weiß gar nicht, wie ich es ausdrücken soll. Ich lief durch den Wald und war ganz alleine. Der Wald war wie aus einer anderen Zeit, die längst vergangen ist, so schön und von einsamer Stille war der Wald. Und der Wind spielte mit den Wipfeln, ich blickte hinauf ins raschelnde Blattwerk und ich stolperte über diese Dinger. Hinterlassenschaften eines Riesenviechs, Kötel so groß wie mein Hasenkopf. Freude, Furcht und gespannte Erwartung durchschossen mich und auf leiser Pfote lief ich weiter. Das Riesenviech ist nicht fern, die Kötel waren noch warm. Ich blickte nach rechts und nach links in aller gebotenen Vorsicht und jede Bewegung oder Sinnestäuschung im fernen Geäst jagte mir ordentlich Adrenalin durch den Leib. Und dann ist es geschehen. Er kreuzte den Weg. Etliche Meter vor meinem Auge kreuzte ein riesiges Elchviech den Weg. Die Einheimischen hatten mich darauf hingewiesen. Es gäbe ihn – weniger Exemplare als einst – aber noch gäbe es ihn und es sei nicht zu spaßen mit dem Tiere. Ich zittere jetzt noch am ganzen Körperlein. Mein Gott, was ein tolles Tier! Morgen gehe ich tiefer hinein in die Wälder. Auf leiser Sohle. Darf man Elche streicheln?

Das fragt sich Ihr treuer Herr von Lippstadt – Budnikowski

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HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 6

Freitag, 7. Oktober 2011 17:33

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Archibald Mahler findet, daß nun ausreichend über Enten gesprochen wurde. Er denkt, es sei an der Zeit mit der Ente zu sprechen. Er klettert vom Regietisch. Da sitzt diese Ente auf einem der Lautsprecher. Sie stellt sich als Ente Benedikt vor. Seltsamer Name. Der Bär fragt nach ihrem Befinden. Und sie spricht:

„Weißt du, so ein Entenleben ist nicht nur ein Zuckerschlecken. So ein Vogel hat auch seine Sorgen. Er hat Flöhe und Läuse und leidet an Krankheiten. Sinnestäuschungen. An Flügelkrämpfen. Sexuellen Schwierigkeiten. Kommt vieles zusammen. Es ist kein leichtes Leben. Enten sind der Gnade aller Elemente in ihrer Umwelt ausgeliefert. Sonnenflecken. Fehlschläge. Wetterwechsel zur Unzeit. Jäger. Unheil. Tornados. Fallen. Unzählige Flugzeuge. Böse kleine Kinder. Kettenläden. Und natürlich der Große Blaureiher. Es gibt auch Hausenten. Man züchtet sie für Ostern und Thanksgiving. Man hält sie in Gefangenschaft. Auf dem Hof. Man beschneidet ihnen die Flügel. Vandalismus! Sie werden gemästet. Sie werden von den Farmern mit Spezialmischungen gefüttert. Mais, und vielleicht noch Hafer. Und sie kriegen ganz besondere Spritzen. Damit sie glücklich bleiben. Und sie können nicht fliegen. Aus der Traum mit der Wildheit. Laufen immer nur den ganzen Tag auf der Farm rum. Und fressen. Es werden Enten gefunden mit Lungenkrebs. Ich hab da von diesem Jäger im Wald gelesen, der auf ein paar Enten schoß, die sich hingelegt hatten. Und er hat sie nicht getroffen. Aber als er wegging, hörte er so ein Röcheln, und er ging zurück, um das zu ergründen. Und da hockten diese fünf oder sechs verkümmerten Enten auf einer Lichtung und keuchten sich die Lunge aus dem Leib. Die haben gehustet und geniest und sie flatterten mit den Flügeln, und wenn sie vielleicht zweimal geflattert hatten, fielen sie hustend um. Das ist nicht gesund für einen. Und er sagte, anstatt wegzulaufen, kamen sie alle zu ihm gekrochen und scharten sich kauernd um seine Füße, mit diesen entzündeten, tränenden Augen. Ein ziemliches Bild des Jammers. Und er sagte, es ging ihm nicht aus dem Kopf, daß sie so aussahen, als wollten sie was zu rauchen schnorren. Und da haben wir’s also: auch die Enten sind zum Tode verurteilt. Wie wir alle. Aber ihr Leben bis zu diesem Punkt ist so viel einfacher. Der Vogel wird geboren. Er lernt seinen Beruf: fliegen. Er fliegt, er frißt, er findet eine Gefährtin, er hat Junge, er fliegt noch ein bißchen, er stirbt. Ein einfaches, gradliniges, leicht zu bewältigendes Leben. Paß mal auf: Auf ihrem Totenbett, was sagt da die Ente, wenn sie nur reden könnte? Sie will noch ein bißchen weiterleben. Aber Reue? Schuldgefühle? Oder andere Gewissensbisse? Nein. Nein. Sie steht im Einklang mit der Natur. Sie ist Teil der Natur. Sie ist eine Ente.“

Das erzählt die Ente. Und noch mehr. Und Archibald Mahler lacht. Das mag er: man spricht über die letzten Dinge und hat noch Spaß dabei. Uih, jetzt kommen die Aufrechtgeher. Die Schauer und die Mimen. Man wird wieder über Enten reden. Man wird die Nacht miteinander verbringen. TOITOITOI! Und dann geht Archibald Mahler. Er muß nach dem ehrenwerten Herrn Ernst Albert schauen. Der ist immer so aufgeregt. Da kann die Anwesenheit eines Bären durchaus hilfreich sein.

PS: Wegen der Plagiate: Das Schräge stammt vom ehrenwerten Herrn David Mamet.

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HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 5

Donnerstag, 6. Oktober 2011 18:28

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Probenbeginn? Endproben! Schon wieder ist es dunkel, wie es eigentlich immer dunkel ist in den Eingeweiden der Musentempel. Archibald Mahler fällt ab und hat so einige Fragen übrig. Zum Beispiel, ob das alles hier auch mal entet! Verzeihung! Blödes Wortspiel, aber warum: davon gleich. Entenendproben also! Die Lichter an, die Musik wird eingespielt, die Mimen kommen und los. Man schaut. Dann ist es fertig! Schön wäre es! Dann geht es erst los. Man müßte noch hier und dort hast Du vergessen und wenn die Lampe dann da grün, dann Du nach rechts und noch mal von vorne. Die Intendantin ist geblendet. Nicht von der Leistung der Mimen, nein vom Umbaulicht. Schieben nach rechts, schieben nach links, dunkler, heller: es bleibt wie es ist. Morgen wird es sowieso keiner merken. Warum? Ist das nicht frech? Nein! Morgen schauen Zuschauer und keine Mitwirkenden! Trotzdem: Umbaulicht zwanzig Prozent runterziehen. Mist, das Armband der Uhr eines der zwei Mimen ist kaputtgegangen. Die Requisite kann gerade nicht. Sie feiert, weil sie ab morgen einen neuen Vertrag hat. Glückwunsch! „Wem soll ich einen Kaffee mitbringen?“ Wer das gefragt hat? Der Mann mit den angeklebten Haaren ist wieder da. Er spielt wieder Klavier. Und Baß auch. Aber nicht richtig und lebendig, sondern aus den Lautsprechern. Komponieren nennt man das. Die Klaviermusik hüpft und der Baß erzählt davon, wenn das Hüpfen aufhört. Endgültig! Puuh! Da kommt der Mann mit den angeklebten Haaren wieder und der Kaffee auch. Immer noch keine Pause. Die Haare des Mannes mit den anklebten Haaren sind nicht mehr angeklebt. Sie fliegen wild. Das Blut der Aufrechtgeher färbt sich braun. Koffein! Keine Pause in Sicht. Weiterhin! Gut, die Mimen machen Mittagsschlaf. Der Aufrechtgeher, der die Bühne gebaut hat, schabt mit einer Drahtbürste am Sofa herum und macht das, so daß es kaputt aussieht. Was das wieder kostet. Das Licht am Ende ist zu bedeutungshuberisch. Sagt einer! Hat Recht! Weg damit! Wer was vergessen hat, bitte vortreten. Hast Du schon dran gedacht? Oder auch daran? Längst geschehen! Eigentlich reicht es jetzt. Das Schilf verliert an Form und schlägt um sich! Wird in Form gebracht. Schon wieder was vergessen. Restalkohol schleicht durch den Musentempel. So ist gut! Bitte genau so lassen! Alles! Markierungen? Markierungen! Noch einmal die Mimen. Alles mit Allem. Geht doch! Und morgen abend? Gar nicht dran denken. Der Aufrechtgeher, der auf den ehrenwerten Herr Ernst Albert dramaturgisch aufpaßt, sagt: „Herr Robert Zimmermann hat den Literaturnobelpreis nun nicht bekommen!“ Man ist empört. Weiterspielen! Wird gemacht! Die Mimen sind heute sehr beseelt. Das ist schön. Am Ende der Entproben darf auch mal lauter gelacht werden. Ein Danke an alle. Der Grill wird angeschmissen. Herr Ernst Albert und der Mann mit den einst angeklebten Haaren trinken Bier und sprechen davon in der kleinen Schilflandschaft irgendwann mal Lieder des Herrn Zimmermann zu singen. Wenn er schon keinen Nobelpreis. Und der Bär? Archibald Mahler ist rechtschaffen müde. Die spinnen, die Musentempler!

Thema: Musentempel, Robert Zimmermann | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 4

Mittwoch, 5. Oktober 2011 21:22

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„Aha! So ist das also!“ Doch was ist das hier? Wo bin ich? Feldherrnhügel? Aussichtsplattform? Schiedsrichterturm? Hochsitz? Peepshow? Archibald Mahler hat am Regietisch Platz genommen. Zu seinen Tatzen die Schilflandschaft und das Sofa. Und was ist das dort unten? Folie, auf der eine Geschichte erzählt wird? Spielfläche? Catwalk? Weites Feld? Optisches Korsett? Ein Dia, welches man betrachtet, um es sogleich wieder zu vergessen? Und was geschieht demnächst dort unten? Archibald Mahler schaut hinab auf die kleine Schilflandschaft. Das macht ihn etwas nervös. Was tun? Er ist nun mal kein Regiebär und dann kommt auch noch die Panik! Schluß! Auf dem Regietisch liegt ein Text. Der Text, aus dem der Abend werden soll und kann und wird und muß. Und ein Buch namens Wunsiedel. Der Bär erblickt’s. In Arbeitspausen hat der ehrenwerte Herr Ernst Albert ab und an in diesem Buch gelesen. Dann hat er gerne mal aufgelacht. Warum? Archibald Mahler schnuppert mal rein ins Buch. „Aha! So ist das also!“:

„Mein immer wieder neu aufflammendes Grauen, wenn so ein Schauspieler die Bühne betritt und gleich einen Satz sagen wird. Ich weiß meist schon im voraus, wie gespreizt, wie verkrampft heiter, wie überartikuliert der Vers oder Satz und die ihn begleitende Geste, die Szene, das Stück, der ganze Abend ausfallen werden – eine Zumutung auch deshalb, weil diese häufig unintelligenten Wesen, jedenfalls naiven und mangelhaft ausgebildeten Wesen sich ständig enorm wichtig nehmen und für kompetent halten, sogar in geistigen und moralischen Fragen, obwohl sie doch von der Welt des Geistes sternenweit entfernt sind. Ja sie verachten und hassen nichts mehr als den Geist der Literatur. (…) Man höre nur einmal hin, mit welcher falschen Bedeutsamkeit so ein Mime gewöhnlich ein Gedicht, zum Beispiel eine Ode von Hölderlin oder eine Elegie von Rilke aufsagt, sich auf jedem zweiten Wort ausruhend und es breit sitzend, weil er das für ‘interpretieren’ hält, statt den Text schlank und locker herunterzulesen, als handle es sich um einen Kommentar im Wirtschaftsteil der Zeitung oder das Telefonbuch.“

Kämen jetzt die Mimen und beträten die Aufsagfläche aka den Darstellungsplatz und er, der Bär, er wär: der Inszenator? Weia! In Ordnung! Laßt die Löwen rein! Und Licht! Archibald Mahler kann nicht hingucken. Es blendet. Etwas blendet den Bären. Das blendet den Bären:

„Schauspieler, auch die etwas klügeren unter ihnen, sind krankhaft eitel. Ständig erwarten sie, gesehen und bewundert und gelobt zu werden, und zwar von allen, auch von ganz inkompetenten Leuten und sogar auf die plumpste Weise. Jedes Lob macht sie glücklich, es stabilisiert sie für kurze Zeit, so daß sie ihre innere Unsicherheit vergessen, ihre Ortlosigkeit. Noch die einfältigste Besprechung in der Lokalpresse beglückt sie, wenn sie nur irgendwie positiv klingt, sie tragen Sätze daraus vor und lernen sie auswendig. Unterläßt man es, aus welchen Gründen auch immer, sie ausführlich für eine Darstellung zu loben, sind sie sofort beleidigt, weil sie hinter allem und jedem eine Kritik vermuten, selbst hinter dem Schweigen.“

Zu Hülf, all ihr Musen! Bevor Archibald Mahler seine neue Aufgabe als Regiebär angetreten hat, hat er schon die innere Kündigung vollzogen. Weia! Der ehrenwerte Herr Ernst Albert betritt den Raum. Und die Anderen. Gott sei Dank! Probenbeginn!

Thema: Anregende Buchstaben, Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 3

Dienstag, 4. Oktober 2011 15:13

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Die Nacht kommt und Archibald Mahler sitzt im Musentempel. „Die Mimen sind fort, die Ruh` ist zurück.“ Keine Theaterweisheit dies, doch die Ruh’ ist eine unheimliche Ruh’, denn nicht nur die Mimen fort, nein, alle und auch der ehrenwerte Herr Ernst Albert. Archibald Mahler blickt sich um mit Nas’ und Ohr. Da liegt so einiges rum im nächtlichen Musentempel. Angedachte Sätze, Requisiten, Kleidungsstücke, zwei Akkuschrauber, vergessene Einfälle, ein vermißter Hut, weggeworfene Ideen, nicht gesagter Text, schlechte Witze, bessere Witze, ein Fernglas, mit Kritik bekritzelte Zettel, ein hingeworfener Blick, Anekdoten, Klagen, durchgebrannte Birnen, unbefruchtete Gedanken, Bananen, Plastikenten und der ganze Rest vom morgigen Tag. Ein ganzer Haufen Zeugs. Kommt schön was zusammen, wenn an einer sogenannten Produktion gebastelt wird. Der Bär hält still, bleibt zwischen all den Hinterlassenschaften sitzen und kratzt sich. Heute mal am Kopf, weil man den ganzen Krempel ordnen muß. Weil: so sieht das alles ganz lustig aus, aber länger als drei Minuten guckt da doch niemand drauf, wenn er Eintritt gezahlt hat. Aber wo und wie anfangen? Was bleibt hier, was kann fort? Was kommt in den großen Abfalleimer hinter ihm? Sind die dummen Einfälle der letzten Woche die richtigen Ideen der nächsten Tage? Oder umgekehrt? Sind die richtigen und dringend notwendigen Teile numeriert? Wo liegt die Bauanleitung? Kann man fertige Theaterabende inklusive Inbusschlüssel bei schwedischen Möbelhäusern kaufen? Wie, wenn jemand im Überschwang ein wesentliches Bauteil in den Abfallkorb geschmissen hat und jetzt findet es keiner mehr? Oder ist vielleicht das ruhige Dasitzen der Weg und die Heinzelmännchen aus Kölle stehen dort schon an der Bahnsteigkante und machen sich auf den Weg nach Mittelhessen, um hier kräftig aufzuräumen? „Entscheidungen!“ Weia! Im Halbdunkel tanzen ein paar Theatergespenster, wispern vergessene Texte wispernd, rufen immer wieder das eine Wort rufend und zeigen dem Bären eine lange Nase. Mit fingernden Fingern. „Entscheidungen! Hihi! Entscheidungen!“ Und das spürt der Bär: heut’ Nacht hilft ihm keiner. Was vorgestern war, ist längst vergessen und beim Aufräumen fängt man immer wieder von ganz vorne an. Archibald Mahler, der auf dem Teppich geblieben ist, dem Teppich, welcher Teile der kleinen Bühne im Plastikschilf bedeckt, blickt nach vorne und oben. Da brennt ein Licht. Dieses kleine gelbe Licht, welches Herr Ernst Albert oder wer auch immer vergessen hatte zu löschen, als er den Musentempel verließ. Dieses kleine gelbe Licht, das meist auf dem Tisch leuchtet, vom dem aus Herr Albert und die anderen Schauer versuchen den Überblick zu bewahren. Ha! Der Bär ist nicht dumm. „Klar ist, wer unten auf der Bühne sitzt, der weiß immer, das was fehlt, doch selten, was da fehlt! Da muß man mal von vorn und oben schauen!“ Denkt der Bär. Die Theatergespenster kichern vor sich hin. Die Altvorderen lieben es Anfänger stolpern zu sehen. Dem Bären ist das schnuppe. Er fängt jetzt an. Aufzuräumen. Ist zumindest sein Plan. Bißchen Ordnungmachen versuchen und vielleicht freut sich darüber morgen früh sein ehrenwerter Chef. Archibald Mahler nimmt am Regietisch Platz. „Aha! So ist das also!“

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HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 2

Montag, 3. Oktober 2011 10:26

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„Die Ruh’ ist hin, die Mimen da!“ Alte weißrussische Theaterweisheit. Sagt Ernst Albert. Man rufe sie sich zu in den Fluren und Werkstätten der Musentempel, nur nicht in den Garderoben der Mimen.

Der Bär hat Platz genommen auf der Lehne des alten Kunstledersofas, welches man mitten ins Plastikschilf gestellt hatte und wollte sich daselbst von der anstrengenden Arbeit als Teilzeitlichtdouble etwas erholen, als von rechts sich ein Spazierstock nähert. „He! Hallo? Was soll das denn?“ Ein unschuldiger Bär kann natürlich nicht wissen, daß im Musentempel so einiges möglich ist, nur daß das Einnehmen eines Platzes, den ein Mime für sich reserviert hat oder es zumindest glaubt, auf der Liste der zu sanktionierenden Fehlleistungen ganz oben steht. Archibald Mahler wird kurz, knapp und recht humorlos der Sofalehne verwiesen. Fragen füllen und fluten den Raum. Die Mimen wollen wissen, die Mimen vermissen, die Mimen fordern, die Mimen finden nicht. Hut, Banane, Termine, altes Hemd, neue Hose. Seltsamerweise suchen sie nicht. Sie haben so viel zu tun. Was? Der unermüdliche Helfer hebt das Haupt, sieht und findet Vermißtes. Fragen werden beantwortet oder auch nicht. Murren im Raum. Manchmal. Die zwei Mimen, welche zwei ältere Herren sind, setzen sich Hüte auf, einer einen Strohhut, der andere einen Hut aus Stoff und kariert. Dann fangen sie an miteinander zu reden. Witzeln, nehmen sich gegenseitig hoch, zanken und Archibald Mahler hat Spaß dabei zuzuhören. „Das ist ja ein lustiges Stück!“ Das denkt der Bär. Dann spricht der ehrenwerte Herr Ernst Albert. Er fragt, ob man denn jetzt mit der Probe beginnen könne und ob alles bereit sei. Was soll das denn bedeuten? Archibald Mahler wundert sich. Das war noch gar nicht das Stück? Na dann! Jetzt gehen die bunten Lampen an. Und die Männer reden wieder. Na ja! Man kratzt sich am Pöter, das heißt der Bär kratzt sich am Pöter. Macht er ja gerne, wenn er denkt oder sich langweilt. Ernst Albert kratzt sich auch. Am Kopf. Dann steht er auf und die beiden Männer hören auf zu sprechen und hören Ernst Albert zu. Der sagt dann, daß es das nicht sei, was er sich wünsche und die Mimen mögen doch bitte so sprechen, wenn sie miteinander reden, als seien sie eben keine Mimen und ihre Worte nicht zu Kalendersprüchen oder Bibeltexten verbedeutsamen, denn der Mime ist auch als Mime nur ein Aufrechtgeher und Mimen haben nur dann eine eigene Geschichte, die zu erzählen es wert ist, wenn sie diese als normal atmende und denkende Aufrechtgeher erzählen und nicht als ein Mimenkonstrukt von einer Geschichte, welches den Windungen eines Hirnes, das seinem Mitmimen nicht zuhört also auch nicht antworten kann, entspringt. Kein Wesen könne alleine leben, wenn es mit anderen redet, nicht der Kaktus und auch nicht der Mime. Ganz schön kompliziert! Oder vielleicht doch ganz einfach? Das komplizierte Einfache. Dann wird ein bißchen debattiert, hin und her und die zwei Männer müssen noch mal von vorne reden. Hören wir mal zu! Es geht wieder los. Archibald Mahler muß schmunzeln. Soweit Bären schmunzeln können. Schon lustig, die zwei da auf dem Sofa im Schilf. Jetzt steht der eine auf und hält den Spazierstock in die Luft. Archibald Mahler zuckt zusammen. Keine Angst! Der will nur spielen!

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HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 1

Sonntag, 2. Oktober 2011 8:18

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„Wo bin ich?“ Eine Frage, die man sich gelegentlich stellen sollte. „Im Musentempel, so viel ist gewiß!“ So beantwortet sich Archibald Mahler die Frage. Der ehrenwerte Herr Ernst Albert hatte ihn mitgenommen, was er immer wieder gerne tut wenn eine sogenannte Produktion sich dem Ende zuneigt und der Herr Albert seelischen Beistand benötigt, denn Schauen ist anstrengend und wer wüßte dies besser als der Weltenbetrachter Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz mit Musentempelerfahrung. Wo war er denn nun? Dunkel ist es und Enten wuseln über einen Bildschirm, hinten raschelt Schilf. Plastikschilf! „Irgendwo!“ Das würde Herr Ernst Albert antworten, der zu klare Festlegungen und optische Fingerzeige nicht schätzt, sondern dem Betrachter gerne die Freiheit läßt zu variieren zwischen Plätzen, Räumen, Ansiedlungen und Verortungen. Assoziationshoheit des Auditoriums als Postulat. Ha, schön schlau gesagt! Mimen sind heute keine da in dem kleinen Musentempel gegenüber der Höhle von Herrn Albert und Frau Pelagia. Nur der Herr Ernst Albert eben, sein unermüdlicher Helfer und drei andere Geister wuseln herum und die machen die ganze Zeit dunkel und wieder hell und Lampe von rechts mit gelb an, von hinten mit blau dazu, aber das kalte Blau, nicht das stählerne und dann fast keine Lampen, sondern nur die Kleine an der Decke und die Musik schnell weg, aber auch mal langsam und dann wieder von vorne und alle Lampen haben Namen, die nur Nummern sind und wer soll sich das alles merken? Archibald Mahler schließt die Augen und wenn er sie öffnet sieht diese kleine Schilfwelt jedes Mal wieder vollkommen anders aus. Lustig! Dann aber muß er arbeiten. Muß sich dahin setzen, dorthin stellen und die Aufrechtgeher schauen, ob man ihn sieht oder Schatten auf seinem Gesicht sind und wie es alles so wirkt mit Leben im Schilf und auf dem Sofa, das da auch noch rumsteht. Ganz schön anstrengend. Dann ist Pause. Jetzt weiß Archibald Mahler also halbwegs wo er ist. Aber was ist mit den Enten? Man redet über sie, also wenn die Mimen wieder da sein werden, dann werden sie über Enten reden, aber eigentlich nicht über Enten, sondern über alles über das man so redet, wenn das Leben schon so lang ist und man nicht anderes mehr tun kann als zu reden, zu reden eben über alles und jenes noch, weil wer nicht mehr reden kann, der ist ja tot wie eine vom Himmel geschossene Ente. Und darum geht es wohl auch. Das hat der Bär mitbekommen. Zwei alte Männer werden es tun, das Reden, da werden sie sein aka vorhanden und sichtbar, Männer werden sie sein und sie werden reden. Archibald Mahler redet ja nicht so viel wenn er schaut, aber er schaut ja auch meist alleine. Und einen Zweitbären neben sich sitzen zu haben? Nee! Da bleibt der Bär dann lieber doch ein Solitär. Aber anderen beim Reden zuschauen? Gerne! Und so denkt er drüber nach, wann und wo er das letzte Mal Enten beobachtet hat. Und ob es noch andere Enten gibt als die Gemeine Stockente zum Beispiel. Ein Spazierstock nähert sich. „He! Hallo? Was soll das denn?“

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POST AUS LITAUEN / MEER POST

Samstag, 1. Oktober 2011 14:23

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Lieber Herr Mahler!

Ich sitze hier und schreibe und sehe aus wie ein Streuselkuchen. Lachen Sie nicht! Es ist die Wahrheit. Ich bin also zum Meer. Ein sehr schönes und langes Meer ist das hier und kaum ein Aufrechtgeher zu sehen. Und weil ich im Gegensatz zu Ihnen nicht so der Sitzgucker bin, lief ich los. Immer weiter am Strand lang und immer weiter und plötzlich stand ich vor Rußland, also der Grenze. Und obwohl die Russen nicht mehr Iwan heißen, hat man mir erzählt, daß die Russen in Sachen Grenze und Überschreitung immer noch ein recht humorloses Volk sind. Und denselben Weg zurück, das ist ja doch eher langweilig. Schnell entschlossen Richtung Landinneres abgebogen, irgendwo muß die Straße sein und dann zurück. Und der Wald wurde dicht. Und dann wurde der Wald feucht. Vor allem von unten. Sumpfig. Und dann kamen die Kleinen Biester und rammten ihre Stacheln in den Wanderer abseits der Wege. Schön blöd. Wie das juckt! Jetzt sitze ich wieder im Sicheren. Und schreibe, damit es nicht mehr so juckt. Und dann habe ich noch etwas entdeckt. Meine Güte! Das sind ja Dinger. Davon nächste Woche.

Herzlichst der Streuselkuchen aka Herr von Lippstadt – Budnikowski

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