Vor dem Winter ein Endspiel auf der Heizung I

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Innenraum mit Möbeln. Trübes Licht. Ein Heizkörper. Ein Hase und ein Bär. Auf einem Fensterbrett hinter ihnen Erinnerungsstücke. Tand. Der Hase lacht auf. Spricht.

Ende. Es ist zu Ende. Ein Körnchen kommt zum anderen. Eins nach dem anderen und eines Tages, plötzlich, ist es ein Haufen, ein kleiner Haufen, der unmögliche Haufen. Man kann nicht mehr schlafen. Man kann nicht mehr strafen. Ich schließe die Augen. Sie sind geschlossen. Man hat sie mir geschlossen. Vielleicht. Ich werde sie geschlossen halten. Mit Sicherheit. Ich betrachte von nun an meine Lider. Von innen. Zentimeter für Zentimeter. Dann warte ich. Bis man nach mir pfeift.

Der Hase verharrt regungslos. Der Bär gähnt. Er dreht die Heizung höher. Kratzt sich am Pöter. Erhebt die Stimme. Brummt.

Jetzt bin ich dran. Pause. Erneutes Gähnen. Ein beherzter Furz. Ich bin dran. Jetzt spiele ich. Ah. Heißes Eisen. Mein Fell dampft. Er seufzt. Der Hase bleibt regungslos. Man kann ihn nicht denken hören. Kann es ein Elend geben, das erhabener ist als meines? Möglicherweise. Früher. Auf rauhen Inseln. In Kamschatka. Hinter den Winden. Bei Wyoming. Pause. Ich kann mir denken, daß es viele sind, die leiden. Dreht die Heizung noch höher. Aber mein Leiden. Gibt es Gleichwertiges? Ich bin allein.

Die Luft ist unerträglich heiß. Wecke mich, wenn ich einschlafe. Er schlägt nach dem Bären. Wecke mich auf, sollte ich schlafen. Bring mich ins Bett. Der Winter lauert zwischen den heißen Metallrippen.

Wir haben doch eben erst Platz genommen!

Das ist kein Argument!

Ich kann nicht in jeder Minute etwas tun.

Dann blicke in meine Augen. Das Jucken ist unerträglich. Reiche mir ein Taschentuch. Die Suppe ist versalzen. Das Lied gefällt mir nicht. Meine Glieder knarzen. Die Zeiten sind ungeheuerlich!

Jetzt wird es mir zu bunt!

Der Bär greift ins Bild und kratzt sorgfältig die Farben aus den Furchen. Das Hase hält ein paar Noten in den Pfoten. Novemberwind pustet Wüstensand auf die Wunden des enteilenden Jahres. In der Ferne Furcht. Und Dresdner Stollen.

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Donnerstag, 12. November 2015 7:17
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