Beiträge vom 17. November 2015

Vor dem Winter ein Endspiel auf der Heizung III

Dienstag, 17. November 2015 8:55

fin03

Hätten die Fenster Läden, sie klapperten und rüttelten. Die Blätter drehen sich zu Boden, als fänden sie Gefallen daran zu vergehen. Die Heizung zischt, schweigt, zischt, schweigt. Im Dachgeschoß rumpeln Schritte. Der Bär freundlich.

Willst Du ein Stück?

Nein. Pause. Wovon?

Vom Zwieback. Ich habe die Hälfte davon verwahrt. Er betrachtet den Zwieback. Stolz. Drei Viertel. Für Dich. Da. Er reicht dem Hasen den Zwieback. Nein? Pause. Ist Dir nicht wohl?

Sei doch still! Pause. Sprich leiser! Pause. Wenn ich nur schlafen könnte. Ich würde vielleicht lieben. Ich bestiege den Blauen Berg. Blickte auf Weiten, Lichtes, könnte sehen… sehen… Himmel, Erde, Natur, nacktes Leben. Pause. Einfach. Pause. Es tropft, es tropft in meinem Kopf.  Pause. Es ist ein Herz, ein Herz in meinem Kopf.

Ah! Hat man gehört. Man läßt Herzen klopfen. Im Kopf. Ah!

Man sollte über so etwas nicht lachen.

Nichts ist komischer als das Unglück, zugegeben. Der Hase entrüstet.

Oh!

Doch, doch, es gibt nichts komischeres auf der Welt. Und wir lachen darüber, wir lachen darüber, aus vollem Herzen, am Anfang. Aber es ist immer dasselbe. Wie bei einem Witz. Anfangs noch lachen wir. Dann wird es wie immer. Der Witz wird zu oft erzählt. Pause. Willst Du Deinen Zwieback nicht?

Ich werde Dich verlassen.

Kannst Du mich vorher noch kratzen?

Nein. Pause. Wo?

Am Rücken.

Nein. Pause. Reib Dich an der Heizung. Oder an der Wand!

Weißt Du noch, wie wir lachten. Pause. Damals. Wir wären beinahe von der Heizung gefallen, so lachten wir.

Es war das Erdbeben.

Nein, es war der Witz. Pause. Hör ihn dir nochmal an. Erzählerton: Ein Engländer – er verzieht sein Gesicht, um einen englischen Bären nachzumachen. Es gelingt mit groben Zügen -, der dringend eine gestreifte Hose für die Silvesterfeier braucht, begibt sich zu einem Schneider, der seine Maße nimmt. Stimme des Schneiders. So klingt ansonsten der Hase: „So, das wäre geschafft, kommen Sie in vier Tagen wieder, dann ist sie fertig.“ Gut. Vier Tage später. Stimme des Schneiders: „Sorry, kommen Sie in acht Tagen wieder, der Hosenboden ist mißraten.“ Gut, macht nichts, der Hosenboden ist nicht so einfach. – Acht Tage später. Stimme des Schneiders: „Bedaure sehr, kommen Sie in zehn Tagen wieder, die Schrittnaht ist mißlungen.“ Gut, einverstanden, die Schrittnaht ist delikat. – Zehn Tage später. Stimme des Schneiders: „Tut mir leid, kommen Sie in vierzehn Tagen wieder, der Schlitz ist mißglückt.“ Gut, wenn’s denn sein muß, ein guter Schlitz muß sitzen. Pause. Stimme des Bären. Ich erzähle den Witz schlecht. Pause. Trübsinnig. Ich erzähle den Witz immer schlechter. Pause. Erzählerton: Kurzum, die Osterglocken blühen schon, und der Schneider verpatzt die Knopflöcher. Der Bär macht das Gesicht des englischen Bären, auch Kunde des Schneiders mit der Stimme des Hasen. Englisch entrüsteter Bär: „Goddam, Sir, nein, das ist wirklich unverschämt, so was! In sechs Tagen, hören Sie, in sechs Tagen hat Gott die Welt erschaffen. Ja, mein Herr, jawohl, mein Herr, sage und schreibe die W e l t! Und Sie, Sie schaffen es nicht mir in drei Monaten eine Hose zu nähen!“ Stimme des Schneiders, ebenfalls entrüstet: „Aber Mylord! Mylordschaft! Sehen Sie mal – verächtliche Geste, angeekelt – die Welt an… Pause … und sehen Sie da – selbstgefällige Geste, voller Stolz – meine H o s e!“

Pause. Der Hase starrt in den Morgen. Sein Körper krampft, er bricht in ein schrilles Lachen aus, schweigt, lehnt seinen Kopf an des Bären Schulter und lacht wieder los. Der Bär milde.

Ruhe!

Der Hase zuckt zusammen und hört auf zu lachen. Der Regen trommelt ohne Unterlaß gegen die Scheiben. Der Bär läßt das Buch sinken. Er ist müde. Es ist noch früh. Klebrige, lästige Dunkelheit. Klamm, gottgegeben. Der Bär erhebt sich.

Laß mich eine kleine Runde machen.

Thema: Endspiel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth