ARCHIBALD KAM NUR BIS TÜBINGEN IV
No hoggd der Mahler also dert, wo selle hogge, die dert emmer hogged. Die Sonne strahlt mit jedem Tag, den er im Schwabenländle verbringt, wärmer und so esch es eh besser, wemmer sich nahhoggd und net rumhuddeled. Und er hoggd aka sitzt nun vor einer alten Gastwirtschaft in der Ecke Tübingens, wo einst die sogenannten Gogen wohnten, die Unterstädler, die Bauern, die Winzer, die Rauhen. Der Frühling im Herbst hält die Fenster der Lokalität offen und Archibald Mahler kann hören, wie sie hinter seinem Rücken angeschmeltzte Maultäschle verzehren, Käßspätzle, Wurstsalat mit Schwarzwurst, Schupfnudle mit Kraut, Spätzle mit Linsen und Saitenwürschtle und manches Viertel wird dazu geschlotzt und die Gesprächsfetzen in diesem, gern etwas zu lautem, wie durch Nebenhöhlen und entzündet klingende Gaumen gepreßten Dialekt, lassen den Bären schmunzeln. So klang es dieses Frühjahr auch unten im Heckerland! Die Brüder der Heckerländer, die aber so gerne doch ganz anders wären. Pustekuchen! Jeder dritte Satz auch hier enthält Regeln, Hinweise, Zurechtweisungen, Organisationprinzipien für den bösen Alltag, Abgrenzungen aller Colour. Es scheint dem Bären, daß so die von der schnöden Welt befreiten geistigen Bergbesteigungen der Tübinger Denkgespenster eine unfreiwillige Erdung erfahren. „Denk Du nur, großer Geist! Wann der Trottoir gefegt und wie die Mülltonne gefüllt wird, des entscheidet immer noch mir.“ Aber irgendwie paßt das alles zusammen, das Hehre und das Profane, findet der Bär. Ätherisches Denken und kräftiges Essen, wirre Thesen und saubere Gehsteige. Gute Stadt! Nun muß der Bär nach Hause. Noch mal will er den Neckar sehen, den Turm des Friederich und denkt: „Wenn so ein Stocherkahn nun käm vorbei, und ich fragte den Stocherer, ob er ein Stück des Weges mich in Richtung Heimat? Oder einfach hin und her? Die Sonne scheint so schön.“ Der Wunsch ward ihm sogleich erfüllt.
Postscriptum: Und als der Stocherkahn am Turm vorüberglitt, öffnete sich ein Fenster und wirren Blickes, aber gut gelaunt, sprach das Gespenst namens Friederich zum Bären: „Das noch nimmt mit. Ich schenke es Dir. Denn bald auch ich im Winterschlaf! Für immer!“
HÄLFTE DES LEBENS
Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
(F. Hölderlin)