WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / DREI
Zugegeben, das mit dem gestrigen Bagger war ein alter Hut. „Baggerbuhs, Baggerbuhs, Baggerbuhs.“ Und dieses Zitat ist ein noch älterer Hut und eine interne Botschaft an die ehrenwerte Frau Eva Pelagia. Dieser alte Hut stammt aus Litauen. Braucht niemand zu verstehen. Wird er auch nicht. „Und wie kriege ich jetzt die Kurve Richtung Auditorium?“ Archibald Mahler, en face einer mittelhessischen Schlammwüste en miniature, beschließt weiterhin mit dem Rücken nach vorne zu denken. Der Zweifel bleibt heute sein Gast. Der Zweifel stellt dem Bären Fragen. Zum Beispiel: „Und wer soll das verstehen?“ Oder: „Was steckt dahinter?“ Und: „Was ist unter der Oberfläche?“ Da freut sich der Bär. Jetzt kriegt er die Kurve. Mit quietschenden Denkreifen, aber doch. Oberfläche! Die reine Oberfläche! Die reine Weltoberfläche! Der Teich ist ja bekanntermaßen weg. Also die Oberfläche des Teiches und so auch er selbst, der Herr Teich. Schlamm aka Eingeweide aka Innereien aka Bedeutung liegen offen vor dem Bärenauge. Ist dem so? Fragen. Das will man eigentlich doch, daß Dinge unter die Haut gehen, man will dahinterkommen, hinter die Fassade schauen, Wahrheiten, Tieferliegendes, Tiefergründendes. Die Geschichte, die Herkunft. Warum, warum, warum? Archibald Mahler hat heute den Eindruck so ein Teich mit Oberfläche ist schon in Ordnung. Und was da unter der Oberfläche rumschwellt, das will man eigentlich gar nicht wissen. Wenn ein Fisch über die Oberfläche hüpft, ist Sommer und die Baumwolle ist erntereif. Das kennt man aus Liedern. Und sonst? Nachdenken. Tja, wenn der Teich nun aber kurz vor dem Umkippen ist und sich trotzdem selbstgefällig und wohl in seinem Bette wälzt, muß man da nicht die mahnende Pfote erheben? Oder reicht es zuzusehen und sich ohne zu kommentieren am Pöter zu kratzen? Tja! Es gibt Aufrechtseher, deren Verlangen unter die Oberfläche zu blicken ist dermaßen gewaltig, daß sie sich ihre eigene Oberfläche – die Haut – aufkratzen oder aufschneiden. Wenn es dann blutet, dann schreien sie: Hurra, wir leben noch! Archibald Mahler konzentriert sich auf sein Fell. Oberflächlich. Wo hört Archibald Mahler auf? Jenseits des Felles? Oder doch erst dort, wo er hinsehen, hindenken, hinreden, hinwüten kann? Schwer zu sagen! Ihm, dem Bären, ist jedenfalls wohl, wenn Fremdoberflächen sich nicht allzu oft an seinem Pelz reiben möchten. Man stelle sich vor, die Oberfläche des Teiches möchte sich an der Oberfläche des Bären reiben. Da wird der Bär ganz schön naß. Und jetzt, wo Freiherr Gottfried von Herbst im Begriff ist anzureisen, ist der Schnupfen dann auch nicht mehr weit. Kruzigriechen noch einmal! Archibald Mahler hält inne. Der Fluch war falsch! Warum? Zwei Aufrechtgeher nähern sich dem Bären von hinten. Sie halten Schaufeln in den Händen. Sie haben die kleine Straße, welche das Ufer des leeren Teiches vom angrenzenden Wohngebiet trennt, bei roter Ampel überquert. Da muß der Bär ran!