Beiträge vom 9. September 2011

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / VIER

Freitag, 9. September 2011 17:24

moral04

„Die Ampel war rot. Die zwei Aufrechtgeher trugen nicht nur Schaufeln in ihren Händen, sie sprachen während sie gingen, rauchten, aßen mit Wurst belegte Brötchen, sprachen in Mobilfunkgeräte, lasen die BILD – Zeitung, lachten über einen dreckigen Zweibeinerwitz über Aufrechtgeherinnen ohne großes I und griffen sich gelegentlich im Rahmen einer korrigierenden Maßnahme in den Schritt. Da kann man nicht sehen, wenn eine Ampel rotes Licht strahlt. Muß man es sehen? Muß man das Licht sehen? Die kleine Straße lag frei und leer vor sich hin, kein fahrendes Ding in Sicht der zwei Schaufelträger und warum sollten sie dann? Das Gehen durch Städte, Orte und über Wege und Straßen kostet soviel Zeit, Zeit in der man gehend sprechen, rauchen, Wurstbrote kauen, BILD – Zeitung lesen, lachen und überhaupt machen kann und den Schritt sortieren. Es ist ein freies Land und es gibt keinen Grund am Rande eines Zebrastreifens eine öffentliche Gelassenheitsvorführung hinzulegen. Wer meditiert, verliert. Ein Bürger wehrt sich gegen Bevormundung. Dies ist die Pflicht. Einsicht in die Notwendigkeit ist ab heute: keinerlei Notwendigkeiten mehr zuzulassen. In der Not zählt es im wesentlichen wendig zu sein. Harhar! Das Haltbarkeitsdatum der Wurst auf den Mobilfunkbrötchen wird bald abgelaufen sein. Ebenso der Gag des eben erzählten Witzes und auch der Schritt wird altern. Ein Kind folgte den Schaufelmännern. Es schob einen Rollator vor sich her. Mama hatte dem Kind gestern erzählt, daß man vorsorgen müsse. Für das Alter. Und auch so. Die Welt sei schlecht. Und daß man keine Zeit vertrödeln solle. Als Kind mit einer zukünftigen Zukunft mit Zukunft schon gar nicht. Die Welt sei hart. Sagte die Mama. Das Kind schwitzte. Blickte auf. Da vorne gingen zwei Aufrechtgeher über die Strasse. „Ich auch!“ Das Kind rannte los. Ein Rad des Rollators klemmte. Das Kind stolperte. Und dann bog da doch noch ein Fahrgerät um die Ecke. Soll es halt aufpassen! Das blöde Kind! Haben wir früher doch auch gekonnt!“

Archibald Mahler war eingenickt. Gestern war es kalt gewesen. Heute wieder feuchter und warmer Wind aus dem Süden. Kreislaufhopping. Blöd! Seltsame Träume aber auch. Vielleicht sollte er den Teich wieder umbenennen. In „G.W.F. Hegel – Tümpel“? Vielleicht. Da vorne stehen die zwei Aufrechtgeher im Schlamm. Schaufel rechts. Schaufel links. Nichts bewegt sich. Doch. Die Lippen der Aufrechtgeher. Man sollte, könnte, würde dann. Wenn der Schlamm getrocknet. Der Bär winkt ihnen zu. Irgendwo heult die Sirene eines Krankenwagens. Einer der Schaufelträger erzählt noch einen Witz ein. Junge, Junge! Da fällt Archibald Mahler, hic et nunc Bär am Hegeltümpel, ein neuer Traum in den Schoß. Mein Gott, ist das ein alter Traum.

Thema: Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth