DIE BADEWANNE NAMENS FANTASIE (V)
Vor der Höhle am Fuße des Großen Pitcairn tobte der fürchterliche Kampf zweier Männer, zwei Männer, die sich um alle ihre vage Hoffnung betrogen sahen. In der Höhle war es kühl und düster. Von draußen drang das Geräusch berstender Knochen herein, fern, unwirklich. Archibald Hawkins starrte in die leere Schatztruhe, die Aufregungen und Mühen der Seereise, des zermürbenden Aufstiegs und die Enttäuschung hatten ihn müde gemacht. Seine Beziehung zur Welt ward komplette Gleichgültigkeit. „Sollen sie doch alle machen. Ich lege mich jetzt in diese Kiste. Basta.“ Gesagt und getan. Also lag er da mit bleischweren Gliedern und nicht minder schwerem Hirn und dachte noch, daß jetzt der Schatz, den er zu finden hoffte, er letztendlich wohl selber sein würde. Was da heißt: nur er selbst: Archibald Hawkins. Doch bevor er sich all zu sehr in den Labyrinthen der Philosophie verirrte, schlief er erstmal ein. Besser so!
Der nächste Tag näherte sich schon der Mittagsstunde, als Archibald Hawkins, der nun selbst sein eigener Schatz war, erwachte. Er kroch aus der Kiste mit brummendem Schädel und trat vor die Höhle. Unerträgliche Hitze und der süßliche Gestank frisch vergossenen Blutes schlugen ihm entgegen. Und da lagen Ahab Fletcher und Long John Larsen und über ihnen schwebten die weißen Raben. Um sie herum lag verstreut das was gestern noch das Skelett des Mick „The Gulliver“ Finn gewesen war. Die zwei Kampfhähne hatten sich im Laufe einer langen durchkämpften Nacht – Rumble in der Jungle! – mit den Knochen ihres alten Feind und Kameraden gegenseitig die Schädel eingeschlagen. Archibald Hawkins fühlte sich recht alleine. Er blickte in die Luft. Die riesigen weißen Raben starteten die ersten Scheinangriffe, denn ihre Tafel war reichlich gedeckt. Und Hawkins hatte seine Lektion in Sachen Pietät gelernt. Stein auf Stein häufte er auf die sterblichen Überreste seiner alten Weggefährten. Dann sprach er ein Gebet, in der Hoffnung, daß auch über die verderbteste Seele ein gütiges Wesen seine Hand halten möge. Und ging hinunter zum Strand. Schweren Schrittes und feuchten Auges.
Dort wo gestern noch die ‚Hispaniola’ drei Seeleute ausgebootet hatte, lag still und glitzernd die südliche See. Ein Schwarm fliegender Fische durchstieß die Wasseroberfläche und eine Haiflosse zog ruhig ihre Bahn. Und sonst: Leere! Vanitas! „Potzrembel und lüch ich denn, beim heiligen Klabautermann! Das riecht verdammt nach einsamer Insel.“ Und weil er viel zu erschöpft war, um sich jetzt großartig aufzuregen, fing er an darüber nachzudenken, welche drei Dinge er auf diese einsame Insel gerne mitgenommen hätte, wenn man ihn denn vorher gefragt hätte. Und bevor er eine vernünftige Antwort darauf fand, sah er am anderen Ende des Strandes einen fast nackten, dunkelhäutigen Mann. Seine aufgeregten Armbewegungen und Sprünge deutete Hawkins als die Bitte, sich nähern zu dürfen. Archibald spürte zwar wie der Angstschweiß ihm den Rücken hinunter lief, doch in seiner jetzigen Situation: Was sollte er tun? Er winkte den Schwarzen heran. Der stellte sich als ein Herr Mittwoch vor, weil ja heute Mittwoch war. Und er sagte dies zu Archibald:
„Archibald? Bald geht es wieder nach Hause. Ein paar Tage noch! Hast Du noch einen Wunsch!“ Ernst Albert hatte sich vorsichtig seinem kleinen Seebären genähert, der andächtig und fasziniert auf die Ostsee hinter Strande starrte. „Ach laß mich einfach ein paar Tage – Du hast ja viel zu tun – hier draußen am Meer. Da ist soviel Wasser zu gucken und vor dem Winterschlaf muß ich ja auch noch mein Hirn etwas leeren! OK?“ „Dein Wunsch sei mir Befehl! Bis die Tage und: das Wasser ist schon verdammt kalt! Aufpassen!“ Ernst Albert überreichte dem Bären noch seinen letzten Apfel und machte sich davon. Und Archibald Mahler, am Strand von Strande, war es wohl und er dachte, daß er die Geschichte von Archibald Hawkins und seinem treuen Diener Mittwoch auf noch erzählen müßte. Aber wohl erst nach dem Winterschlaf.