Wie Archibald am Fluß saß und den Türmen der Gier seinen Allerwertesten zeigte

frankfurt1Archibald konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, daß Ernst Albert gerade dabei war, sich zum Bärenversteher zu mausern. Hatte er den Bären noch bei der Hinreise ohne Rücksicht auf die reiseungeübte Bärenseele in einem gewaltigen Rutsch in den Süden exportiert, legte man nun auf der Heimreise einen  Zwischenstopp ein. Sicherlich auch der Tatsache geschuldet, daß die gestrigen Abschiedsfeierlichkeiten bei Herrn Albert Spuren hinterlassen hatten. Und frische Luft soll ja bei gewissen Zuständen Wunder wirken. Oder ein im Freien genossenes KB. Man setzte sich an das Ufer des großen Flusses, der wenige Meter vom Bahnhof entfernt, die Ganz Große Stadt durchschnitt. Und Archibald sah: dort wo in der alten Stadt, die sie gerade verlassen hatten, ein wunderschöner Kirchturm die Dächer überragte, waren es hier die Kathedralen eines ganz anderen Betvereins. Es waren die Türme der Gier, die weithin sichtbaren Botschafter der Glaubengemeinschaft ‚Kräfte des Freien Marktes / Unbegrenztes Wachstum und Peanuts im Arsch des Herrn so gern’. Archibald fand diese Türme recht häßlich, Ernst Albert machten sie jedes Mal, wenn er sie sah, wütend. Ursprünglich gegründet, das Ersparte der Aufrechtgeher zu verwalten und zu beschützen oder sinnstiftend zu verleihen, waren die Obermuftis der Glaubenskongregationen inzwischen dazu übergegangen, das was man Ihnen anvertraut hatte, mit großer Freude zu verzocken, indem man sogenanntes schnelles Geld machen wollte, das Ganze aber dann im großen Stile in den Sand setzte.  Und dann hob ein lautes Krakeelen an, diejenigen, welche das verzockte Ersparte verloren hatten, mögen nun bitte den Schaden begleichen, sonst ginge alles komplett den Bach herunter und zwei Euro würde man auch gerne beisteuern zum rettenden Paket. Aber jetzt müsse man erst mal vom Acker, Mann, ins Ferienvillachen, sich von dem ganzen Stress erholen. Ernst Albert hätte kotzen können. Man steuerte ein Büdchen an. Ein netter Aufrechtgeher aus dem fernen Pandschab verkaufte ihnen ein KB.

frankfurt2Das KB, obwohl recht früh am Tage, mundete und linderte Gliederschmerz und Herzenswut. In Ansätzen, doch nicht völlig. „Mein lieber Archibald. Das Bier von hier, das den gestrigen Abend kontert, trägt den Namen Henninger. Schmecken tut es nicht wirklich, aber: when you in Rome, do as the Romans do. Und außerdem, ich trinke und gedenke. Denn jedes Jahr im Lenz gibt es hier ein Radrennen rund um die Brauerei, die diese Plörre in Flaschen zapft. Und, das mußt Du Dir mal reintun, was früher ‚Rund um den Henninger Turm’ hieß, heißt nun ‚Rund um den Finanzplatz Eschborn Frankfurt’. Sponsoring nennt man das. Wie groß müssen deren Köpfe sein, daß da soviel Scheiße hineinpaßt? ‚Rund um den Finanzplatz Eschborn Frankfurt’ Oweia! Oder wie Du gerne bemerkst: Potzrembel aber auch!“ Wenn Ernst Albert verkatert ist, ist seine Weltwut grenzenlos. Archibald ließ ihn gewähren und lieh sich einen Schluck des KB namens ‚Rund um den Finanzplatz Eschborn Frankfurt’. Macht Geld eigentlich besoffen? Offensichtlich mehr als Alkohol. Ein Ausflugsschiff fuhr vorbei. Er war benannt nach dem größten Sohn der Ganz Großen Stadt, ein manischer Vielschreiber, veritabler Trinker, Geheimrat in Thüringen und Liebhaber der Grünen Soße seiner Mama. Das beruhigte ungemein. „Laß uns die Seite wechseln, Genosse! Hier sind wir falsch!“ “Falsch?” “Falsch, so wahr ich lebe!”

frankfurt3Sie hatten auf einem Eisernen Steg den Fluß gequert und streckten nun den Türmen der Gier ihren Allerwertesten entgegen. Was sie nun sahen, war weitaus erfreulicher. Auf der gegenüberliegenden Seite reihte sich ein Museum an das andere. Man erblickte ein Plakat. In der schönsten und größten der Ausstellungshallen werden seit einigen Tagen Bilder eines Herrn Ernst Kirchner gezeigt, ein erklärter Lieblingsmaler von Ernst Albert, der daraufhin bemerkte, dies wäre doch ein schöner Ausflug, den er der besten Eva Pelagia schenken könnte, als Ausgleich für seine lange Abwesenheit. Ob er wohl mitkommen könne, fragte Archibald. Das werde man dann sehen, war die Antwort. Im Bahnhof scharrten die Züge mit den Hufen. Heimwärts nun! KB Nummer Zwo folgte sogleich!

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Dienstag, 4. Mai 2010 17:30
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