Beitrags-Archiv für die Kategory 'Küchenschypsologie'

Man läuft nicht alleine, wenn man schaut wie der Fluß vorbeifließt (Prolog)

Mittwoch, 26. Mai 2010 16:27

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Es entspann sich folgendes Gespräch am heutigen Frühstückstisch in Mittelhessen:

„Ist eine Frage erlaubt, Herr von Lippstadt-Budnikowski zu Datteln?“

„Selbstredend, Herr Mahler!“

„Was lesen Sie?“

„Wie lesen Sie!“

„Wie?“

„Wie! Eben! Danke der notwendigen Nachfrage! Antwort ist, ich lese mit den Ohren.“

“Sehr interessant!“

„Sie?“

„Wir können uns auch duzen.“

„Zu früh, zu schnell. Sie lesen wie?“

„Mit der Nase! Buchstabenriechen. Nie gehört?“

„Eher nicht. Schon lange?“

„Seit Aschermittwoch. Gelegentlich. Sonst wird geschaut!“

„Aha! Und was lesen Sie jetzt oder eben Ihre, die Nase, Herr Mahler?“

„Flut. Ölpest. Sturmtief. Sinkende Schneefallgrenze. Bouffier statt Koch. Merkel in Arabien. Westerwelle ohne Halt. Sauropoden werden in Mittelhessen von Kindern unerzogener Mütter geentert.“

„Ermüdend, finden Sie nicht?“

„Gewiß. Sie anderthalben lesen?“

„Sport in Südtirol.“

„Ist Präzision möglich, Herr von Lippstadt-Budnikowski zu Datteln?“

„Hören Sie zu: ‚Damit sind wir genug gestraft, denn wir fahren nicht zur WM, um nur ein paar Spiele zu machen, aber wir müssen mit Verletzungen umgehen können, das ist ein bißchen dünn, doch mehrere Optionen sind da, weil WIR sind als Trainerteam für Gedanken-Strategien bekannt und WIR haben einen Plan, bei dem die Oberschenkel manchmal heftig brannten und einen freien Nachmittag genossen, weil WIR wissen, jeder Tag ist wichtig und gleich wieder hundert Prozent geht nicht, auch gibt es wenige Spieler, die das Erlebnis haben, eine WM spielen zu dürfen. Christian war dicht davor bei der Chancenverwertung und WIR müssen wir uns erheblich verbessern.’ Soweit wurde zitiert.“

„Reinhold Merkel? Angela Meßmer?“

„Nein, die besuchen lediglich das Trainingslager und halten erheiternde Vorträge. Der Freiburger mit dem Schal hat es verbrochen und sein Hansi, der Flickschuster.“

„Ojemine, wage ich zu bemerken. Möchten Sie einen musikalischen Beitrag zu unserem Gespräch beitragen?“

„Tautologie!“

„Trotzdem!“

“Gerne.“

„Danke!“

“Ihr Beitrag?“

“Der Situation geschuldet: jener!”

“Aha! Schreibt man dieses Lied nicht dem Herrn Zimmermann zu?”

“Oho! Gescheit, der Herr. Ein Art Nachklapp! Vorgestern! Sie wissen!”

“Verziehen!”

“Die zweite Frage, wenn erlaubt: Sie sind vorbereitet auf den morgigen Tag?“

„Gewiß!“

„Ich verschweige meine Nervosität nicht.“

„Das habe ich auch nicht getan.“

„Kritik zu üben, wäre mir fremd.“

„Aber?“

„Wo ihre dialektische Einfärbung geblieben ist, darüber darf ich mich doch wundern?“

„Haben Sie noch nie eine Rolle gespielt?“

„Wer hat das letzte Wort?“

„Mein Name ist…“

„Sagen Sie es bitte nicht!“

(Zwei Mobiltelefone klingeln. Van Gaal ruft an und Beckett auch. Zu früh. Zu früh. Einen Tag zu früh.)

“Ich hatte etwas vergessen!”

“Herr von Lippstadt-Budnikowski zu Datteln, man hört zu!”

“Junior Podolski hat zwei Hütten vorbereitet gegen den FC Südtirol.”

“Sie wiederum wissen, was Herr Littbarski – Prinz von Köllen dunnemal – sprach, als einstens 1990 Herr Kohl gratulierend auf ihn zu schwankte in Rom?”

“Nein!”

“Er sprach: Da kommt ein Berg auf mich zu!”

“Und dann?”

“Versteckte er sich hinter Auge. Der Berg entdeckte ihn nicht!”

(Die Mobiltelefone stellen ihr Klingeln ein.)

Thema: De re publica, Hömma, wat ich grad am Denken bin, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

„Yassou, Eyjafjallajökull! Ti kanis? Isse kala?“

Mittwoch, 12. Mai 2010 9:49

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Es wurde gelüftet. Archibald schwang sich auf das Fensterbrett. Feuchtkalte Luft schlug ihm entgegen, und jener Geruch, der Hunde kläffen läßt und sensible Bären nachdenken: der Geruch des Angstschweißes der Aufrechtgeher. Und glitzerten nicht schon wieder kleine Aschepartikel im diffusen Morgenlicht, wie einst im Heckerland, als der Himmel tagelang nicht von Kondensstreifen zerkritzt und zerkratzt wurde? Ja, es roch stechend, es roch aggressiv und laut da draußen. Die Buchstaben auf den Titelseiten der Mitteilungsblätter, welche am Kiosk auf der anderen Straßenseite aushingen, waren so groß und rot, daß sie von der Seite zu rutschen drohten. Wenn die alte Bärenseele in ihm es nicht besser gewußt hätte, hätte Archibald Herrn Ernst Albert heute gebeten ihm ein One Way Ticket auf der Arche Noah zu buchen – falls sie noch in Betrieb ist. Nur wohin ginge dann die Reise? Die alte fadenscheinige Hoffnung der Zweibeiner, es gäbe irgendwo auf dieser Welt einen Ort, an dem man sich vor sich selbst in Sicherheit bringen könnte: Pustekuchen, um es mal salopp und präzise auszudrücken. Denn das hatte Archibald begriffen, die Frage: „Poo kostisi afto?“, stellt der Aufrechtgeher nach dem Genuß gar nicht gern. Aber irgendwann kommt der Ober oder der Vulkan, die Bohrinsel oder der Gletscher, das überstrapazierte Konto oder ein letzter Rest von Verstand und spricht: „Ella, ton logariasmo, parakalo!“ Und der Schnitter steht am Horizont, winkt und ruft: “Kalinichta!“

Was machte nun ihn, Archibald frösteln? Er dachte nach. Eins war gewiß, nie mehr wollte er zweigeteilt auf einem Platz im Zentrum einer kleinen häßlichen Stadt in Mittelhessen liegen. Nie mehr nicht Einer und schon gar ein Anderer, als der, der er nun ist, sein. Nicht seinem abben Bein hinterher jagen, oder spüren, wie ein abbes Bein ihn verfolgt. Nein, das auf keinen Fall. Und das Morgen sollte ihm nicht allzuviel Sorgen bereiten – gut, ein Leben ohne Ernst Albert, Eva Pelagia und dem geheimen Fieberthermometerhalter, das wollte er sich lieber nicht vorstellen – aber Archibald war sich klar, als Weltschauer sind seine Eingriffsmöglichkeiten in Sachen Lauf der Dinge sehr begrenzt und das Einsortieren aller Vergangenheiten und der daraus gezogenen Schlüsse in den Gedankenschrank, das schien ihm Arbeit genug. Der Himmel verfinsterte sich gänzlich unmaienhaft. Man schloß die Fenster.

Im Warmen auf der Heizung sitzend, kam Archibald eine Erkenntnis. Und was, wenn die größte Angst der Aufrechtgeher ist, von ihrer Ängsten aufgefressen zu werden? Oder vielleicht doch von einem Sauropoden? Im Rahmen des selbst auferlegten Auftrags, sich von heut an zu organinizieren, beschloß er für morgen eine Expedition auszurüsten, eine Expedition auf der Suche nach der Angst der zahlungsunwilligen Zweibeiner. Morgen, wohlgemerkt, morgen. Falls es nicht zu heftig regnet. Solange machte er es sich erstmal auf der Heizung bequem. Er schlief ein. Er träumte unruhig. Aaaarghhh!

Thema: Draußen vor der Tür, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Im Namen des unpäßlichen Herrn Mahler überdenkt Herr Albert Variationen des Betrachtens

Samstag, 8. Mai 2010 13:34

Liebe Leser und Freunde des Archibald Mahler! Ich freue mich Ihnen mitteilen zu dürfen, daß der kleine, in den letzten Wochen notwendig gewordene, operative Eingriff an Herrn Mahlers legendenumwobenen abben Bein erfolgreich verlaufen ist. Der Rekonvaleszent bittet Sie um Verständnis, daß er sich in den nächsten Stunden noch nicht zu seinem Befinden äußern möchte. Er hat aber der Veröffentlichung dreier während der OP entstandener Photodokumente zugestimmt. Welches Bilderl hätten’s denn gern?

OP1Erstens: Die maximal intime, dennoch aus medizinischer Notwendigkeit heraus entstandene, sowie die Verletzung präzise und emotionsfrei ablichtende Variante? Sie spart das Gesicht des Patienten aus, konzentriert sich auf die arbeitenden Hände der Heilerin, zeigt einen Schritt im Prozeß des zunähenden Eingriffs und verleugnet nicht den Schmerz. Wir weisen daraufhin, daß alle Eingriffe im Haushalt Albert / Pelagia / Mahler & Co ohne Anästhesie stattfinden. Nur wer sich dem unverwässerten, klaren Schmerz stellt, lernt dazu. Der Rest merkelt rum und legt jeden Lernprozeß nachfolgenden Generationen auf die noch schwachen Schultern.

OP2Zweitens: Die anrüchige, leicht sexuell aufgeladene und trotzdem Mitleid erregende Fassung, die versucht Bloßstellung und Wahrung der Würde des Patienten zu wahren? Bei dieser Abbildung steht – neben der Entschlossenheit des Photographen, sich ein solches Motiv nicht entgehen zu lassen – im Mittelpunkt der optische Hinweis auf die Schmerz verursachende, aber langzeitstabilsierende Dicke des Faden. Auch der, der Farbe des Pelzes fast deckungsgleich angepaßte Braunton des Garnes fällt angenehm auf. Das Mitleid der meisten Betrachter erregt die unnatürliche, gewiß nicht druckfreie Haltung des Kopfes, die allzu aggressive Präsentation des Bärenhinterteils und das ängstliche Funkeln im Auge des Bären. Ruhe jedoch strahlt aus der, wie gewohnt, sichere und wissende Griff der Hände der operierenden Frau Eva Pelagia. Das Leben im OP-Saal ist nunmal kein Ponyhof.

OP3Drittens: Die Variante, die aus dem Schmerz und damit verbundenen kleinen Katastrophen, versucht das, wahlweise, Spektakuläre oder auch durchaus Komische zu ziehen? Der Patient und somit seine und unser aller Welt steht Kopf, trotzdem scheint ein Grinsen die Lippen des Bären zu umspielen. Der Eingriff wird zur Nebensache. Aus jedem Schmerz läßt sich noch ein Tröpfchen Lustigkeit pressen. Diese Art der Abbildung korreliert wahrscheinlich am ehesten mit der uns Aufrechtgehern angeborenen Haltung aus Fehlern, Krankheiten und ähnlichen Unpäßlichkeiten nicht unbedingt Schlüsse ziehen zu wollen. Aussitzen, weitermachen und hoffen, daß es trotzdem etwas zu lachen gibt. We love to entertain you! Legal, jedoch nicht abendfüllend. Entscheiden Sie selbst!

Ich verabschiede mich von Ihnen und hoffe, wie Sie, ab morgen an dieser Stelle wieder den gewohnten Weltschauer Archibald M. begrüßen zu dürfen. Und ich gratuliere von hier aus Herrn van Gaal. Und dem Butt zur Nummer 1! Wetten? Herzlichst E. A.

Thema: Archibalds Geschichte, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Heimkehr, Bericht, Eingriff und Pause machen

Mittwoch, 5. Mai 2010 8:49

rueckkehrDer geheime Fieberthermometerhalter hat auch einen Namen. Er wird noch nicht verraten. Er hat auch ein Schicksal. Das zu lüften, behalten wir uns vor. Zu berichten ist jedoch, er flog Herrn Archibald Mahler, an den Brandplatz heimgekehrten Bär, entgegen, freudig erregt. Es wird gerne souverän getan beim Abschied, die Rückkehr entlarvt den Schwindel. Viel gab es zu berichten von der Reise ins Heckerland, denn fleißig wurde dort sym-, aber auch unsymbadische Welt geschaut. Doch der Bär – und dies wollen wir hier nicht verleugnen – war erschöpft. Das abbe Bein schmerzte. All die Besichtigungen und Wanderungen und nächtlichen Unvorsichtigkeiten hatten die Fäden seiner Anoperation etwas gelockert. Es war höchste Zeit, Eva Pelagia zu bitten mal nach dem Rechten zu schauen und gegebenenfalls Nadel und Faden ins empfindliche Fleisch zwischen Bauch und Oberschenkel zu rammen, reparierend und festigend. Und so ungern man dies auch vernimmt, das heißt: Pause machen! „Nein!“ „Doch, mein Gutster! Ab Sonntag wird wieder geschaut. Bis dahin verordnen wir hier Ruhe!“ “Absolute Ruhe?” “Absolute Ruhe!” Archibald grummelte Einsicht, leicht widerstrebend. Aber eigentlich spürte er große Erleichterung, denn seine Seele wanderte noch durch die schwarzen Wälder und hörte das Rauschen des Flüßchens Dreisam. Aber kann man das bitte einfach so zugeben? „Ohne Seele geht gar nix!“ Der geheime Fieberthermometerhalter hatte recht. Wie immer.

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Das Wasser in der Stadt

Sonntag, 25. April 2010 18:41

wasser1Das Rauschen des Flüßchen Dreisam draußen vor der Neuen Höhle, Archibald war es inzwischen zu einer Art hochgeschätzter Muzak geworden. Er entstieg dem Zauberkasten, der ihn den Berg hinab in die Stadt hatte gleiten lassen und da war es wieder, das Rauschen des Flüßchen. Dreisam und überall. Ein Strahlen flitzte über das Bärengesicht. Dies wiederum erfreute Ernst Albert und so gab er den Fremdenführer. Er erzählte dem Bären, daß die hier ansässigen Zweibeiner zwar gerne mal mißtrauisch und unfreundlich seien, aber auch recht gescheit. So hätten sie schon vor bald siebenhundert Jahren Wasser vom Flüßchen Dreisam abgezapft, in einem eigens angelegten Bach durch die Straßen der Stadt geleitet und sich so das Wasser, welches der schwarze Wald ihnen schenkte, zu Nutzen gemacht. Mühlen, Schmieden, Schlachtereien, Färbereien und Gerbereien siedelten sich entlang dieses Baches an. „Und da, wo Du jetzt sitzt, hängten noch vor siebzig Jahren die Fischer ihre Fischkästen mit lebenden Forellen, Weißfischen, Hechten und Aalen in den dahin eilenden Bach. Mitten in der Stadt!“ Archibald war begeistert. Frischfisch quasi Downtown? „Früher, Archibald, früher! Heute kauft man hier Ansichtskarten, esoterische Kinderbücher und Matratzen, gefüllt mit japanischem Reisstroh. Die Zeiten haben es eilig und müssen sich wohl ändern! Schade!“ Man zog weiter. Früher Sonnenschein und ermutigendes Rauschen! Weiterhin wohlgelaunt!

wasser2Wenig später saß Archibald auf einer Waschmaschine. (Präzise bleiben! Kleine Erinnerung des Setzers!) OK! Er saß auf einem der ungezählten Brunnen, welche jedem noch so kleinem Platz der Stadt ein plätscherndes Zentrum geben. Und wo heute der Besucher entweder gerührt die Digitalkamera zückt oder die überhitzten Handgelenke ins kühle Naß tunkt, schöpften früher die Frauen der Stadt das Trink- und Brauchwasser für ihre Familien oder die Bauern aus der Ebene vor der Stadt, die tagsüber ihr Gemüse den Städtern zum Kauf angeboten hatten, ließen Ochs und Eselein ein letztes Mal Wasser schlotzen vor der Heimkehr. Der Wasserhahn war noch nicht erfunden gewesen. Archibald mochte das sehr. Rechts und links von ihm prasselte es in den Brunnen. Der Fremdenführer E. A. hob wieder an zu sprechen. „Das Haus in unserem Rücken ist ein Kloster. Auch wenn Dir hier die Ohren sausen, ich spreche hier von Adelhausen. Entschuldigung! Kleiner Witz! In diesem Kloster ist zu sehen ein außergewöhnliches Kruzifix. Der Kopf des gekreuzigten Heilands ist extrem nach unten geneigt und er senkt sich weiter. Die Sage geht, sinke der Kopf vollends auf die Brust, gehe die Welt unter.“ Unter diesen Umständen bat Archibald um Aufbruch. „Jetzt, wo Herr Lenz gerade beginnt seinen Auftrag ernst zu nehmen: Hallo! Untergang, nein danke!“ Ernst Albert beruhigte den Bären. „Mein kleiner Freund! Keine Angst! Die Herren Mönche sägten einst am Nacken des Erlösers herum. So gab er der Gravitation nach!“ „Warum?“ „Angst essen Seele auf und machen Kasse voll!“

wasser3Und dann rauschten da allenthalben noch die Bächle. Eine Art Alleinstellungsmerkmal der Stadt, lange bevor man ihr den Dummnamen ‘Green City’ verordnete. Schon im Mittelalter hatten die gescheiten Aufrechtgeher vor Ort ihre Straßen mit kleinen Rinnen versehen und sie mittels eines Stollens mit Wasser aus dem Flüßchen Dreisam geflutet. In Sachen Brandschutz war das damals eine richtige Weltidee. Während ringsherum im Mittelalter die Städte Feuer fingen: hier wurde überlebt. Abgebrannt sind die Anderen. Das ist heute noch so. Klein, aber historisch nicht unbedeutend, nun dieses Bächle neben dem Archibald Mahler als Hobbylimnologe Platz genommen hatte. Er saß auf einer Treppe, die einst, im vierten Jahr der Regierung des Alten aus Bergedorf,  in einen Vergnügungskeller für Langhaarige geführt hatte. Damals tanzte dort Archibalds Fremdenführer so manche Nacht, ausdauernd, trunken, den indischen Heilkräutern zugewandt, einem Weibe in die Stadt gefolgt. Ein roter Punkt im Leben des Herrn Ernst Albert. Vorbeigerauscht. Vergangenheit. Vorbeigerauschte Vergangenheit. Wie das Wasser. Vorbeigerauscht? Pustekuchen revisited! Da hinten in den Meeren, wo alles Wasser landet, steigt es wieder auf, verwolkt sich, kehrt zurück und regnet Dir auf das Haupt. Manchmal! „Komm, Archibald! Laß uns auf den Alten Friedhof gehen!“

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Archibald erklimmt den Denkberg

Samstag, 17. April 2010 9:05

denkbergNichts gegen Artgenossen und einen kleinen Schwatz. Im Austausch der Gedanken und Erinnerungen findet man zu sich selbst, vergewissert sich seiner Herkunft, definiert seine Ziele und sein Wollen, stellt sich im besten Falle auch seinen unerfüllten Träumen und Lebenslügen. Doch die Gefahren allzu heftigen Austausches liegen, und dies gerade für Solitäre aller Art, auf der Hand. Wiederholung, mantrahaftes Klagen und Jammern, Schuldzuweisungen, das Besingen der Ungerechtigkeit der Welt im Großen und Besonderen, kurz und gut: die permanente Feier des wackeligen Egos und seiner absurden Ängste. Der Gedanke, frisch und klar angedacht, kann sich durchaus während des Sprechens zu einer gewissen Größe entwickeln, vielleicht sogar erst im Ausdruck seiner selbst entstehen, doch meist ist der Normalfall die Verwässerung des ursprünglich Angedachten, das Angleichen an das Gängige, furchtsames Verschweigen oder orientalische Ausschmückung von Erlebtem. Das Reden und Plappern verknotet das Hirn eher, als daß es dieses klärt. Zwei Wesen und das Mißverständnis hält Einzug in das Gebäude.

Archibald hatte sich auf den höchsten Gegenstand in der Neuen Höhle zurückgezogen. Sein Kopf glühte. Die ganze Nacht hindurch, geschlagene sieben Stunden, dreizehn Minuten und achtundvierzig Sekunden lang, hatte er den zwei lokalen Bären sein Leben und Wirken unterbreitet. Man hatte ihm am Ende seiner Erzählungen sogar applaudiert und ihn unmißverständlich aufgefordert, seine Erlebnisse auch in Zukunft festzuhalten, weiterzugeben und mit seinen Artgenossen zu teilen. Archibald Mahler, z. Z. Bär in Oberau, fühlte sich durchaus geehrt, aber war vor allem erschöpft und leer. Doch da war noch etwas, was ihn auf seinen Denkberg getrieben hatte. Eva Pelagia hatte ihren Besuch angekündigt und Ernst Albert hatte, gleich nach dem Aufstehen, zu diversen Reinigungsgeräten gegriffen, um die Neue Höhle in den Zustand höchster Ordnung und Reinlichkeit zu versetzen, was einerseits Auftrag der wahren Besitzern der Neue Höhle war, als auch Ausdruck der Wertschätzung der Avisierten. Und wenn Archibald etwas fürchtete und verabscheute, waren es diese alle Arten von Staub und Dreck einsaugenden Monster. Oh, Reinigungwahn der Aufrechtgeher! Dieses überdrehte, hysterische Geräusch des Saugers ließ sein Fell zu Berge stehen und alte Traumata feierten fröhliche Urstand. Da juckte es wieder, das abbe Bein.

Andererseits: das Sitzen auf dem Berg, das Hinabschauen, das Überblicken, die reinere Luft der Höhe. Das erfüllte ihn mit Freude. Vielleicht war es an der Zeit, Ernst Albert zu bitten, ihn demnächst auf einen der schwarzen Berge dort draußen mitzunehmen, um hinausblicken zu können in dieses Heckerland. Und Archibald dachte ernsthaft über den Erwerb von Wanderschuhen nach. Berg heil!

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Von gestempelten Eiern und daß es eigentlich um etwas ganz anderes geht

Montag, 5. April 2010 8:51

basilikumEva Pelagia und Ernst Albert  waren aufgebrochen, um ganz in der Tradition des alten Geheimrates und Grüne-Soße-Fans JWvG nachzuschauen, “ob durch des Frühlings holden, belebenden Blick Strom und Bäche vom Eise befreit seien, im Tale Hoffnungsglück grüne, da der alte Winter, in seiner Schwäche, sich in rauhe Berge zurückgezogen”. Archibald wiederum zog sich zurück auf das grüne Fensterbrett, da ihn der Geruch von frischem Basilikum beim Denken unterstützte. Hier war er Bär, hier durfte er sein.

Heute galt es nachzudenken über die hiesigen Aufrechtgeher und ihr großes Eierfest. Offensichtlich haben die Fellfreien ein sehr inniges Verhältnis zu ihren Eiern. Seit einiger Zeit beschriften sie ihre Eier mit allerlei geheimen Zeichen. Aus diesen Zeichen kann man wohl erkennen, wann das Ei gelegt wurde, von wem, wie, warum, ob draußen oder drinnen, ob der Stall beheizt oder tapeziert ist, wie weit es vom Stall bis zur nächsten Autobahnauffahrt ist, wann die Legehenne das letzte Mal den gesetzlich vorgeschriebenen Legeurlaub genommen hatte, ob der Bauer verheiratet ist oder eine Frau sucht, mit welchem LKW-Typ die Eier in welchen Markt geliefert wurden und warum und wie oft die Verkäuferin dem Kunden noch einen schönen Tag gewünscht hat. Deshalb verbringen die Zweibeiner wohl auch die Hälfte ihres Lebens in den Kaufbuden, den diese Informationsflut muß erst einmal erfaßt und verarbeitet werden. Sicher ist sicher und keine Experimente. Dafür hatte Archibald ein gewisses Verständnis, da auch er kein großer Freund von Überraschungen ist. Das muß ja nicht sein, daß dort, wo gestern noch ein mit Lachsen gefüllter Wildbach durchs Gehölz rauschte, heute eine monströse Staumauer aus Beton steht und der Wald zu einem Unterwasserpark mutiert ist. Aber dies, und soweit war Archibald schon in der Zweibeiner Denkensart eingedrungen, war wohl ein wesentlicher Bestandteil humanoider Denke: dem Anderen mit großer Freude Überraschungseier vor die Haustür zu setzen, aber im umgekehrten Fall laut aufzuschreien, daß solch eine unliebsame Bescherung einem doch gehörig auf die Eier gehe und man möge dies gefälligst unterlassen. Wobei der Andere dann wiederum darauf pocht, dies sei auf keinen Fall seine Schuld, wenn man sich mit dieser kleinen Veränderung nicht arrangieren könne. Archibald mußte an den Mann denken, der vor Tagen auf seinem Fahrrad mit mörderischer Geschwindigkeit durch die kleine, enge Straße unter seinem Fenster gerast war, so daß eine dort gehende alte Frau in letzter Sekunde zur Seite springen konnte, dabei stürzte und sich am Kopf verletzte. Der Radfahrer, ein großer, kräftiger Mann, der einen Helm auf dem Kopf hatte und aussah, als zöge er in den Krieg, half der alten Frau auf und als diese sich über den Fahrstil des Helmträgers beschwerte, beschimpfte dieser sie und meinte, wenn auch sie einen Helm trüge, würde ihr auch nichts passieren. Erhobenen und behelmten Hauptes rauschte er davon. Seltsame Vögel!

Wieder bimmelten die Kirchenglocken und Archibald hatte das Gefühl, daß es bei diesem Eierfest eigentlich gar nicht um Eier geht, sondern um etwas ganz anderes, wichtigeres, fundamentaleres. Archibald Mahler, als Bär vom Brandplatz, konnte dies nur ahnen. Wer sollte es ihm auch erklären? Die meisten Aufrechtgeher hatten es längst vergessen. Schade eigentlich. Aber das Basilikum roch noch immer gut und die Sonne schien und die Birken vor dem Fenster trugen erste Blütenkätzchen. Und dies alles schien dem Bären zuzurufen: „Fürchte Dich nicht, Archibald!“

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Von langen Ohren, eiligen Hasen und heiligen Eiern

Sonntag, 4. April 2010 18:27

ostersonntagUnd plötzlich überall nur noch Eier und lange Ohren. Ernst Albert und Eva Pelagia, feiertäglich gestimmt und gewiß auch mit einem Hauch von schlechtem Gewissen behaftet, was die Zumutungen, die Archibald in den letzten Tagen erleiden mußte, betrifft, hatten den Bären zum Frühstück eingeladen. Obwohl Bären nun wirklich keinen Bezug zum hartgekochten oder schokoladeumfaßten Ei haben, machte er gute Miene zum undurchschaubaren Spiel, dachte aber, daß dies für einen Solitär doch ein bißchen viel an Sozialgebimse sei. Aber was solls, von draußen schlugen Graupelkörner gegen die Fenster, man sah nix als grau.

Archibald spürte, wie ihm lange Ohren wuchsen, denn auf seinem Rücken hockte der heimliche Fieberthermometerhalter und sprach: „Bär, weil Du keine Ahnung hast, hier die Wahrheit über die eierbringenden Osterhasen. Es ist eine alte deutsche Geschichte, obwohl man behauptet Elsässer und Lothringer und alle möglichen Welschen hätten da auch mitgemischt. In ersten überlieferten Erzählungen hatte das Langohr in Sachen Eierzustellung noch Konkurrenz vom Kranich und dem Storch und dem Kuckuck über den Fuchs bis hin zum Hahn – die Hennen mußten ja die Eier legen und diese ausbrüten. Irgendwann blieb es am Hasen hängen, weil er sehr schnell rennen kann und da er viele Feinde hat, sehr vorsichtig und ängstlich ist. Zudem ist er in der Lage, sein Blickfeld auf bis zu 230 Grad zu weiten, also alles im Blick, keine Hausnummer entgeht ihm. Urkundlich wird der eierbringende Meister Lampe erstmals erwähnt in den Jahren 1638 und 1682, und zwar im Saarland, im Neckarraum und im Elsaß, unter anderem in “De ovis paschalibus – Von Oster-Eyern”, einer von einen Heidelberger Historiker verfaßten Dissertation. Zu der Zeit war das Hoppelviech mit den braunglänzenden Augen und dem flinken Geläuf also dabei sich als anerkannte Eierpost durchzusetzen. Man erzählte den Einfältigen und den Kindern, es sei der Hase, der die Eier bringe und sie verstecke, auf daß die Knaben und Mägdelein sie suchen sollten zum Ergötzen der Erwachsenen. Und so verbinden gleich zwei Symbole ihre Eigenschaften zu einem Auftritt. Einmal das Ei als Symbol für Leben und Fruchtbarkeit, dann der Hase, zumindest seit Beginn der Christenheit, als eine Art Auferstehungssysmbol. Außerdem kam hinzu, daß es im Mittelalter in deutschen Landen üblich war, Pacht und Zins oder die Steuern, vorwiegend in Naturalien zu entrichten. Und einer der beiden großen Abgabetermine war Ostern, und das war die Zeit der ersten Eierschwemme und zugleich die der schmackhaften Frühjahrshasen. Voila! So vereinen sich Ritual und Geschäft. So groß haben die Zeiten sich also nicht geändert. Eine andere Möglichkeit wäre auch diese: bei den Katholiken haben sich in der langen Fastenzeit stets sehr viele Eier angesammelt, und die mußten irgendwann mal raus. Also wurde der Eierberg zum Fastenbrechen bunt bemalt und an fromme Patenkindern verschenkt. (Höre ich da eine Anspielung auf die aktuelle Diskussion?, fragt der Setzer) Solchem Brauch allerdings mochten sich die Protestanten nicht anschließen, sie tranken ein oder vier Gläschen, säkularisierten die geweihten Eier und erfanden einem neuen Eierkurier, den bei den Kindern beliebten Meister Lampe. Alles klar, Bär? Und wenn Dich wer fragt, meine kleine Rede wurden nach dem Hegemannprinzip erstellt. Eierklau und so. Kuckuck! Und nicht vergessen: ‚Fichel, dey moiens so laud pfafe, dey höld am Owed de Hobsch.’ Ei jo, frohe Ostern dann noch!“ Weg war er.

Ernst Albert hatte sich zum Mittagessen „Geduffeln mit Grie Soß“ gewünscht und Eva Pelagia, mit den regionalen Gewohnheiten vertraut, servierte sie in gewohnter Qualität. Und Archibald hatte wieder was dazugelernt. Wo soll das nur enden?

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Welche der Welten ist die Welt?

Donnerstag, 1. April 2010 20:31

aufbruchArchibald hat den Telefonhörer einfach fallen lassen. Es überkam ihn das Gefühl, daß es nicht die Aufgabe eines Bären ist, der angetreten war aus dem Fenster und die Welt zu schauen, mit einer Frau Dyckmans zu sprechen. Falls sie überhaupt die ist, die sie zu sein vorgibt, den heute ist offenbar ein Tag, an dem die Fellfreien zu scherzen belieben. Zudem war Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz, der Ansicht, daß die letzten Tage ein klein wenig zuviel geboten hatten. Da wird ein Bär in aller Unschuld, weil leicht indisponiert, zur Ärztin geschleppt, durchleuchtet, klassifiziert und mit lateinischen Ausdrücken überschüttet, muß sich anschließend einer Tiroler Variante des „Ouzo-Orakels“ unterziehen, wobei der Aufrechtgeher auch noch den für den Bären vorgesehenen Anisschnaps alleine runterschüttet und zu guter Letzt ist man empört und betroffen da draußen vor dem Fenster, wohl ein Lieblingsspiel der Zweibeiner. Nicht zu vergessen, der Kugeltretpräsident am Telefon. Seltsame Welt, in die ein Bär schaut, wenn er schaut.

Archibald war klar, daß ab sofort wieder langsamer und gründlicher gedacht werden mußte, zweibeinerfrei und tief. Sonst wird das nie was mit einem ordentlich eingeräumten Gedankenschrank. Doch die Verwirrung des Bären war leider nicht zu leugnen. Welche der Welten dort draußen  ist denn die Welt? Bärenwelt ist eine recht einfache Angelegenheit. Ein Lachs ist ein Lachs ist ein Lachs und zwischen Heidelbeerenstrauch und Aasfilet paßt immer noch ein Mittagsschlaf. Aber die Ruhelosen da draußen vor dem Fenster, stets beunruhigt über den Lauf der Zeit, selbst wenn sie zuviel davon zur Verfügung haben und dann nicht wissen womit sie eben jene Zeit füllen sollen, aber sich hinlegen und alles sein lassen, das wollen sie dann auch nicht. Und dann rennen und hetzen sie los und reden davon Zeit verloren zu haben, die sie aber doch gar nicht hatten und bleiben plötzlich stehen, tatenlos, gelähmt, als käme die verlorene Zeit gleich um die Ecke gebogen und spränge Ihnen zur freien Verfügung und Wiederverwertung in die Hosen- oder Handtasche. Oder leben die fellfreien Raser in dieser Welt, oder in der, welche Tag und Nacht aus den Bilderapparaten plärrt? Und glauben sie gar die Welt, die man ihnen als Spiel und Spiegel serviert, ist die Tatsächliche?  Die andere jedoch, die vielleicht die Wahre ist, lassen sie verrotten, als sei das Leben ein Spiel, in dem die Karten jederzeit wieder neu gemischt und ausgeteilt werden können.  Oder glauben sie dem, was sie erlesen eher als dem, was sie erleben? Und Archibald wußte gar nichts mehr und schloß die Augen. Es flimmerte hinter seinen Lidern.

Archibald bemerkte, daß es zog wie Lachssuppe. Er spürte seinen leeren Magen und daß die Haustür offenstand. „Sie sind Herr Ernst Albert?“ „Ja!“ „Mitkommen!“ Natürlich, Ernst Albert war nicht mehr da. Ganz unbärig begann sich Archibald doch etwas um den Hausherrn zu sorgen und blickte hinaus in den Hausflur. Archibald allein zu Hause. Vielleicht war es doch an der Zeit den geheimen Fieberthermometerhalter zu einem kleinen Symposium zu bitten. Das war es, was er dachte.

Thema: Anregende Buchstaben, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Die Tschurtschenthalermethode

Montag, 29. März 2010 13:04

apotheke„Jo schaug, wann es Dich verruckt moacht, noa schpeibst es aus!“ Und: „Sums nit und suff an Meum athamaniticum Jacq.“ Das hatte Ernst Albert Archibald gestern ins Ohr geflüstert. Selbstredend ist – dies vermutet selbst ein Bär, der noch am Anfang seiner Bildungsreise durch die Welt steht – das eine tirolerisch und das andere Latein, kann also nicht originär von Ernst Albert stammen,  obwohl der seine Bildungsreise durch die Welt schon etwas früher angetreten hatte. So sei es! Urheber dieser weisen Worte ist der Tschurtschenthaler Gregor, ein Drogist und Schnapselbrenner aus dem abgelegenen Glungezertal in Tirol. Drunten in der Landeshauptstadt am Inn hatte der Tschurtschenthaler Gregor eine Drogerie und dort hatte Ernst Albert auf einer seiner Reisen den Tschurtschenthaler Gregor kennengelernt. Er hatte vor dessen Drogerie gestanden und das alte Ladenschild photografiert, als die Tür aufging und ein stattlicher alter Mann mit riesigen verhornten Händen Ernst Albert hineinwinkte. „Keamens enk eini, Luschn.“

Ernst Albert stand in einem leeren Ladengeschäft, welches  gewiß seine 250 Jahre auf den – allerdings auch leeren – Regalbrettern hatte. In der Mitte des Raumes befand sich ein wackliger Holztisch, auf diesem ein Blecheimer und daneben eine große Flasche Schnaps. Und wie der Herr Albert so schaute wie eine Luschn, weil er nix verstand, hat der Tschurtschenthaler Gregor ihm ein Stamperl von dem Selbstgebrannten eingeschüttet und dann die von ihm entwickelte Methode erklärt.

Er erzählte, daß ihm seit Jahren auffalle, daß, wenn er von seinen Bergen herabsteige, die Menschen in den Tälern und Städten immer wahnsinniger und hektischer würden, weil sie innerlich vermüllt seien. Und daß der schlimmste Müll gar nicht mal der Dreck in den Flüssen, in der Luft und in den Nahrungsmitteln sei, sondern der Dreck in den Hirnen und Herzen der Menschen. Und daß fast alle Krankheit nicht aus dem Himmel in den Menschen hineinfalle, sondern daß die Menschen einen großen Spaß daran hätten, sich gegenseitig krank zu machen. Und schlimmer wie jede „Fotzn“, die man dem anderen mit der Hand auf die Wange haue, seien die „Fotzn“ die man mit Ausgesprochenem und Hingeschmiertem austeile. Und das sei eine gewaltige Menge, die der Mensch täglich an unsinnigen, geheuchelten und sinnlos nachgeplapperten Worten aufnehme, sei es über Ohr, Auge oder Nase. Und deshalb: „Jo schaug, wann es Dich verruckt moacht, noa schpeibst es aus!“ Und das sei die Methode. Du sprichst zehn Worte, die Dir seit Tagen das Hirn und Herz vermüllen laut vor Dich hin, spuckst dreimal in den Blecheimer und: „Jammerst nicht rum und säufst ein Stamperl Bärwurz.“ Und machst Dich an die nächsten zehn Worte. Und so weiter und so fort, bis Du eine angenehme Leere in Dir hast. Und die fühle sich richtig „bearig“ an. „Pfiat enk, i muaß buggln.“

So saß Ernst Albert vor dem Kränkelbären, Bleistift und Papier in der Hand, neben sich – in Ermangelung des Originals – einen griechischen Anisschnaps und vor sich Eva Pelagias Putzeimer. Und Archibald Mahler, der Bär vom Brandplatz, begann eine lange, lange Liste zu diktieren. Denn wenn eine sensible Bärennase unter die Aufrechtgeher fällt, da kommt schon was zusammen.

Thema: Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth