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Ein fünfter Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert

Dienstag, 21. April 2015 20:39

lahn2

Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

man spricht gerne vom Blick, welcher irgendwo hängen blieb. Woran dann? Griff etwa der Gegenstand einer wohlwollenden oder notwendigen (meint man gerne) Betrachtung nach einem vorbeihuschenden Blick seiner Wahl? Forderte er so uneingeschränkte Zuwendung? Ließ dann einfach los auf Grund mangelnder Hingabe? Fehlender Konzentration? Oder war es die ewige Blaupause im Kopp, welche dermaßen prägt, stempelt und lenkt, daß der Blick nicht mehr frei schweift, sondern im Vorselektier – Modus und so wohl ohne Bewußtheit seiner selbst sich stürzt auf das, was er erhaschen soll, in Erwarten fast schon vorfinden muß, um seiner Blaupausigkeit willen. Und dann verkaufe man dieses Ergebnis als Neuigkeit! Da blieb ich hängen! Sieh an, schau her! Nun ist ja ein neuerlicher Krieg, eine zum Abendbrot gereichte Katastrophe, der nächste neue Clown an der Außenlinie nichts wirklich bahnbrechend Neues, aber hingeschaut werden muß. Sofort! Wirklich? Ist es nicht schon wieder mal zu spät, viel zu spät? Aber die Neugierde, die heute – bewußt? – gerne zur Neugier verkürzt wird, sie reckt den ewigen Schwanenhals. Will ich sehen, was zu sehen ich vorgebe? Da wird eine weitere Katastrophe beblickt, entsetzt als hätte man sie gestern erfunden und gleichzeitig ist man aber in der Lage den Weg, der dorthin führte, genauestens zu beschreiben. Im Garten Eden war es auch zu langweilig. Man hätte verzichten müssen. Auf die Neugierde. Die wächst und wächst und ob dieser lange Schwanenhals immer so dolle ist? Geschnüffelt wird ja gerne. Man weiß von manchem, der sogar in Tagebüchern vertrautester – eben drum wohl – Genossen rum geschnüffelt hat. Heute reicht ein moderner Fingerwischer und wer da alles noch mit schnüffelt, weiß keiner so recht. Man veräppelt sich gern und gerner selber. Was machst Du grade? Wo bist Du grade? Was denkst DU so? Was denke ich gerade? Wo war ich? Was soll ich tun, wenn sie mir über den Kopp wächst, die neuGIER. Ich wollte doch nur aus dem Fenster schauen und mich interessiert lediglich, wann die Lachse mal wieder die Gießener Fischtreppe hochklettern und ob man Bären, die dann dort fischen, gleich mit wegfischt wegen Kompetenzüberschreitung und wegen ohne Genehmigung und so. Und wie ist die Prognose für die diesjährige Blaubeerenernte? Das interessiert mich. Aber dann hüpft man von Hölzchen auf Stöckchen und wird planlos verwirrter und erregt sich und der Blick vibriert. Das ist doof. Und was ich, bester Herr Albert, immer noch nicht raus gefunden habe, ob die Dinge mich rufen oder ich auch schon so vorsortiert bin im Kopp und ob am Ende überhaupt ich derjenige bin, der da guckt aus mir raus oder nur so ein leerer Reflex mich vor sich her treibt. Und falls was Anderes und Fremdes aus mir raus guckt, was und wer ist das? Ist es mein altes Leben? Das vor dem abben Bein? Jetzt nach Jahren? Wo will das hin? Will da was hin? Ich glaube, ich sollte eine Denkführerscheinnachprüfung beantragen. Mit Guckseminar. Als Versuch nur. Klingt das brauchbar, bester Herr Albert? Also den Schwanenhals lasse ich erst mal einschrumpfen. Und such mir ein Steuer.

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Und nicht vergessen: Nicht jeder Spiegel ist ein Lügenbeutel!

Ihr Herr Archibald Mahler

Thema: Archibalds Geschichte, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein vierter Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert

Montag, 20. April 2015 21:00

lahn1

Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

als hätten Sie sich lediglich gebückt, nein, ziemlich exakt fünf Jahre nach meiner Bergung setzten Sie mich an mein erstes Fenster. Schauen sollte ich. Ich tat’s. Warum? Nun, zwei Augen habe ich im Kopp und hielte ich jene unentwegt geschlossen, dürfte man mich nicht weiter Bär nennen, sondern sollte mich Olm, Maulwurf oder Hamm heißen. Und was schaute ich also dann? Die Welt. Klein erst, weiter dann, länger auch, auswärts und wieder nach innen und nah. Die Welt? Ich? Die eine Welt? Da dieser, der vierte Brief ein überschaubarer soll bleiben, will ich hier nicht weiter in den Beeten der Bedeutung rumhacken wie eine durchgeknallte Amsel und allzu ausführlich berichten von all diesen gefilterten und ungefilterten und bedachten und unbedachten und zwanghaften und freien und viertelwissenden und scheinempathischen und gelangweilten und aufgeregten und tobenden und gähnenden und traurigen und teilenden und egomanen und oberflächlichen und manchmal dümmelnden und wieder und wieder schrecklich belanglosen Blicken, welche ich auf diese gefilterte und ungefilterte und bedachte und unbedachte und zwanghafte und freie und viertelwissende und scheinempathische und gelangweilte und aufgeregte und tobende und gähnende und traurige und teilende und egomane und oberflächliche und manchmal dümmelnde und wieder und wieder schrecklich belanglose Welt warf in all meinen Ein – und Auslassungen. Besser: die Blicke, welche man vielleicht aus mir heraus warf. Weil: war ich es denn wirklich selbst? Ist mein Kopp mein eigener Kopp oder nur ein ferngesteuerter Apparat mit getrübten Sehschlitzen? Eine wohlfeile Reflexmaschine? Und wer war der Werfer? Wer warf all diese Blicke durch meine auf die Welten in mir und außerhalb meiner gerichteten Augen, wer warf durch mein unruhiges Linsen hindurch mit schwungvollem Arme alle diese Blick hinaus? Und wichtiger: wer warf das zurück auf meine Linse, was mir dann blieb im Kopp und später wurde Wort, Wörter und wieder Wort? Wirft überhaupt wer irgendwas und irgendwo? Gibt es einen Plan? Kann man von Absicht sprechen? Gibt es etwas jenseits des Versuches den Pudding Welt sich an die Backe zu nageln? Und, bester Herr Ernst Albert, verfolgten Sie denn einen Plan, als Sie mich ans Fenster setzten? Was war die Absicht? Bekenne, Mahler, bekenne er? Pustekuchen mit Sahne und Lachskonfitüre auf Toast! Was ich sagen will? Lieber Herr Albert, jeden Morgen erwache ich und bin mir ein Fremder. Und jeden Morgen läuft mir eine der vielen Welten vor die verschlafene Nase und will beäugt werden. Sie bleibt mir fremd. Immer wieder auf ein Neues. An manchen Morgenden, wenn ich mir selbst ein Näherer scheine, begrüße ich mich freundlich, duze mich sogar und eine der vielen, gerade vorbeihuschenden Welten hebt grüßend den Arm und winkt mir zu. Wie diese chinesischen Glückskatzen. Dann freue ich mich. Den anderen Morgen mag ich nur schlafen. Einen ewigen Winterschlaf. Da kann zurück werfen, wer werfen mag und was immer auch. Aber dies ist seltener. Das mit dem ewigen Schlaf. Das gestehe ich hier und Ihnen. Meist blickt mir die Neugier über die Schulter, reckt ihren Hals wie ein Schwan auf Patrouille und ich – oder wer immer das tut – schaue weiter hin und wieder. Das wollte ich Ihnen kurz (na ja!) mitteilen. Das nächste Mal schreibe ich dann vom Schwanenhals und was das macht mit einem Bären. Sonst fehlt mir weiterhin ein Plan. Gut so. Oder?

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Und nicht vergessen: Viele Welten werden gerne übersch(w)ätzt!

Ihr Herr Archibald Mahler

Thema: Archibalds Geschichte, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Brief des Lütten Stan annet (Ent)Scheidungsamt

Donnerstag, 16. April 2015 21:37

vision

Hömma,

heute inne Nacht hatte ich sowat von Dellen inne Pooferei, dat ich dachte, wennse schon wach sein musst, kannse auch mal wieder inne magische Kugel reinlinsen tun und wat prophetische Plörre inne internetare Gewässer kippen. Und wie ich so inne Kugel mich konzertrieren tu und mich inne eigenen Vergangenheiten rein erinnere, wie ich als der ehemale Lütten Stan über grüne Kommentarwiesen am hoppeln war einstens im gelb – schwatten Mai, da hab ich inne Unruhe von die eigene Reminiszenz gedacht, dat mich hoffentlich nich die dumpfbeutelige Verbalinjurie „Trainer – Beben“ ausse Kissen gedengelt hat. Thema des Tages? Ja lüch ich denn? Gut dat der Herr Grass zwei Tage davor die Biege gemacht hat. Den hättense wohl bei Gleichzeitigkeit vonnem Abgang unter kuaz notiert abheften müssen, wa? Et iss mich immer wieder am erstaunen, dat man mit dünnflüssige Emantionen über dat Rasengehoppel Gehör und Kontofüllung erwerben tun kann in dicken Tüten. Also liebet Scheidungsamt, machet kurz und setzt die ganzen Gerichtsreporters vorre Türen. Da is wat zu Ende, wat schon lange und längst über dat Ende vonne Fahnenstange rausgeklettert iss. Und getz? Inne Kugel wird et heller, aber et iss nix zu sehen, außer dat wat schon war. Nur iss dat plötzlich anders, als et war als et war oder vielleicht auch gar gewesen war oder iss. Ich hab mich inne Erinnerung jedenfalls ertappen können, dat ich ja schon lange inne Scheidungsprozeß mich befinden tu. Von wem und wat oder gar, ob ich mich von mich selbst scheiden tu, is innem Kugelnebel noch nich inne komplette Sichtbarkeit diffundiert. Wie vermerkt, iss wat vorbei und die einen polieren schon die Sockels vonne Denkmälers, die anderen öffnen die Hosenlätze gegen den Mainstrom und der Rest umklammert mit zittrigen Pfötges seine schimmeligen Karteikärtgen. “Hab ich et nich schon immer? Vierunfünfzig, vierunsiebzig und sonst auch?” Besser iss et nicht zu berichten watte anno Sauerkraut am Denken warst, sondern sach watte getan hast. Hasse allet richtig gemacht, isset falsch, hasse allet falsch gemacht, isset auch nich schlecht. Kannse selbst eh nich entscheiden tun. Und getz schau ich mal inne Kugel, ob die auch mit die Zukunft Bildkes anbieten tun kann. Wie et weitergeht, wennse die Strasse runter und so. Dat braucht volle Konzertration, also muß ich et Plappermaul schließen tun.

Danke für et Verständnis und mit Grüßen verbleibe ich

Ihren stets verbundener Lütten Stan (emeritus)

PS:  Wat mich ja schwerstens beeidrucken tun tut, iss dat der Dottore von die spanische Mannschaft von Nordösterreich, Senor Müller – Wohlfahrtsamt mitte sofortige Wirkung von seine Mullbinden zurückgetreten iss, um ab morgen inne italienischen Hafenstädte Ersthilfe beie Aufnahme von Flüchtlingen leisten zu können.

Thema: Hömma (revisited BVB) | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Der nun 3. Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert

Mittwoch, 15. April 2015 13:43

tundra

Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

ich bin mir nicht sicher, ob Sie nicht gelegentlich ein seltsames Gefühl beschleicht ob der Tatsache, daß Sie Briefpost von einem Bären erhalten. Nun, Sie hatten sich gebückt damals am Brandplatz, neugierig, nachmittagstrunken, verwirrt und mit angekratztem Herz. Sie haben mein abbes Bein sinnend in der Hand gewogen, für gut befunden, den Rest von mir erblickt und sich nochmals gebückt und eins und eins zusammengezählt. Die daran anschließenden zwei Jahre saßen mein weiterhin abbes Bein und ich aneinander gelehnt unter Ihrem Nachttisch und staubten weitgehend vor uns hin. Aber dies sei hier nicht Thema. Sie haben sich gebückt. Sie hätten Ihres Weges weiterwanken können, aber Sie haben sich gebückt. Und zehn Jahre später schreibe ich Ihnen einen Brief. Ach ja, Fritz Lang. Der hat ja nicht nur etliche monströse Filme gemacht, sondern ist wohl auch monströs vielen Damen hinterher gehechelt. Aber die Eine? Tja! Die Eine. Jene schenkte ihm zum Abschied einen Affen. Man (oder Fritz) nannte ihn Peter. Mit ansteigendem Alter nahm Peter im Alltagsfilm des Fritz eine, wenn nicht die Hauptrolle ein. Las Fritz, hielt Peter ein Buch in den Pfoten. Trank Fritz, stand eben Peter eine Martini. Rauchte Fritz, hielt Peter eine Zigarette in seinen Pfoten und er wurde jeden Abend von Fritz ins Bett gebracht. Fritz ließ ihn gar am Schluß seiner Korrespondenz mit Freunden diese grüßen, empfing auch Erwiderungen der Grüße, bis endlich das liebende Ende ihn in Fritzens Sarg legte. Sie sehen aka lesen demnach, so ein gelegentlicher Brief eines Ihnen gut bekannten Bären an Sie ist da fast schon eine Petitesse. Ich fasse mich kurz und bin einfach nur froh, daß Sie sich gebückt haben. Man kann das abbe Bein einen geschändeten Bären auch mit einem eleganten Kick ins Gebüsch befördern. Sie taten dies nicht. Auch gute Werke haben ihre Konsequenz, selbst wenn man dies nicht so recht glauben mag angesichts der Welt in der Sie leben müssen. Jetzt lassen Sie mich aber enden und den heutigen Sommer meinen Pelz braten lassen. Bären kriegen keinen Hautkrebs. Ätsch!

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Und nicht vergessen: Eine Schwalbe macht noch keinen Ponyhof!

Ihr Herr Archibald Mahler

Thema: Archibalds Geschichte, Letzte Fragen | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein dritter Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert, der aber lediglich eine Postkarte ist mit Bildern

Dienstag, 14. April 2015 13:24

stromschnelle

Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

immer iss was und dann ist wieder einer einfach weg. Schneller rauscht ein neuerlicher Abschied an Dir vorbei als ein nicht gefangener Lachs an der Stromschnelle. Deshalb die versprochene Geschichte über Fritz und Peter später. Der, der gegangen ist, hat mal getrommelt: „Man kann eine Geschichte in der Mitte beginnen und vorwärts wie rückwärts kühn ausschreitend Verwirrung stiften.“ Ich denke so mache ich das auch mit meinen Briefen, die ich noch an Sie zu verfassen gedenke und es tun werde. Kurz also nur ein Gedicht mit Schnäuzer zum Angucken für Sie und für alle anderen Abschiedsträumer.

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Und nicht vergessen: „Im Krebsgang den Fortschritt messen“ werden wir.

Ihr Herr Archibald Mahler

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Ein zweiter Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert

Freitag, 10. April 2015 9:15

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Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

heute ein geschriebener Brief von den ungeschriebenen Briefen, den nicht abgesandten Briefen (verfasst oder auch nicht), den Briefen, die niemals Antwort finden, den Briefen, die keiner mehr schreibt und vom traurigen Briefträger noch. Die Sonne scheint. Dieser Brief wird nun verfasst. Das ist nicht besonders mühsam, so mühsam aber wie jede Überwindung hinzu etwas mühselig sein mag. Über Unüberwindbares kann ich jedoch nichts notieren. Die Sonne erwärmt den See heute schneller als erwartet. (Briefe und Erwartungen – davon aber heute nicht!) Manchmal ist mancher faul und ich sehr. Noch öfters ist die Feigheit das Motto des Tages. Und wie oft man haarscharf am Zustand fataler Dummheit vorbeischrammt, falls man überhaupt vorbeischrammt, davon heute ein Schweigen angesichts der Sonne. Briefe sind anstrengende, fordernde Zeitgenossen. Das ist positiv zu vermerken. Das Verfassen nimmt sich Zeit, fordert sie vehement ein. Wie gemächlich flink ein Füller übers Papier tanzen kann und dabei lacht über das larmoyante Gejammer mancher der Altvorderen, die unter den Anforderungen der Schule ach so entsetzlich litten. Der Brief also. Das Nachsinnen müssen oder zumindest sollen darüber, ob das Gekrakelte Bestand haben wird unter den Augen des Anderen. Die Zeit, die eingefordert wird, um Briefmarken zu erwerben, den Brief zum Kasten zu tragen (Tja! Wo isser denn?), die Wartezeit, die verbracht wird. Erreicht der Brief sein Ziel? Gibt es eine Antwort? Wochen, Monate, Jahre mögen da ins Land ziehen. Gelegentlich liest man von Briefen, die einer Verstorbenen zugestellt werden, um sie über den Tod des Gefährten auf den Feldern der Schande zu unterrichten. Hier entfällt der Antwortbrief. Und – ach – wie viele Briefe werden nicht geschrieben, eventuell im Kopp hin und her gewälzt, buchstabiert, gewütet, eingestampft, im Papierkorb gesucht, geglättet, geknüllt, vergessen, versoffen, verdaddelt, verworren, feige, vernünftig, sinnlos. Wie oft jagt der Stift erzürnt, entflammt, vergeblich werbend, baggernd, fluchend, suchend, verwünschend, fürchterlich vergeblich hoffend über die Zellulose. Von Bewerbungsschreiben gar nicht zu reden, lediglich von den Regenwäldern des Privaten. Dieser Brief hier wird geschrieben ohne ein großes nachsinnendes Hadern. Natürlich arbeitet der Kopp, aber der Füller ist frei und das Unterbewusstsein jagt ihn vor sich her, rasch und den Fehler suchend. Weil er spricht von den Sachen, die man sagen muß, bevor man spricht. Adressat ist ein Selbst und das nörgelt nicht rum. Theoretisch Die schlimmsten Briefe sind aber die, welche gar nicht mehr geschrieben werden, weil der Finger nur mehr über Tastaturen und Bildschirme huscht, die Rechtschreibung massakriert wird, während alle Tempolimits des Denken überschritten werden und die notwendigste Zeit, welche ein Hinwendung zum Gegenüber fordert, ignoriert wird im Sog der Selbstoptimierung. Der Rücken ständig gekrümmt, der Blick auf den Boden genagelt und eine Antwort bitte sofort, sonst schmollt und fällt der Kin(n)derladen. Und eben noch die traurigen Briefträger, die keine Briefe mehr tragen, die man Briefe nennen darf, Werbebotschaften nur noch, Forderungen der manischen Warenaustauscher, Amtliches vielleicht und so stehen sie vor anonymen Schlitzen und vorbei die Zeit, wo der Zusteller wußte, daß jener Brief wird er dem Kasten entnommen, ein Herz zerbricht oder es jubelnd aufsteigen lässt. Und so erreiche ich den vorläufigen Schluß meines Briefes und schreibe Ihnen, lieber Herr Ernst Albert, daß ich mich freue vor nun bald zehn Jahren Ihre Bekanntschaft gemacht haben zu dürfen, als ich mit einem abben Bein auf dem Brandplatz lag und der Unausweichlichkeit meines Schicksals harrte und sie sich bückten. Als nächstes, wenn der eigentliche Brief beginnt, will ich von Fritz Lang und seinem Freund Peter berichten.

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Und nicht vergessen: vor der Tastatur den Entwurf mit Füller aufs Papier!

Ihr Herr Archibald Mahler

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Ein erster Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert

Mittwoch, 8. April 2015 10:43

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Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

heute morgen bin ich zuerst mit meinem ehemals abben Bein aufgestanden. Das ist schmerzhaft, da auch die Nächte noch sehr frisch sind jetzt im Jahr. Offenbar nistet sich kalte Luft nächtens unbemerkt im Narbengewebe ein und versucht dann mit der aufkommenden Helligkeit und der nachrückenden Wärme die Hautwucherungen wieder zu verlassen. Der Austausch von Kälte gegen Wärme scheint demnach meist mit Schmerzen verbunden zu sein. Das macht jegliches Aufstehen etwas fragwürdig. Kein Ziel aber erreichbar ohne einen gewissen „amount“ – es gibt für dieses schöne englische Wort, welches den Teil des zu besteigenden Berges in sich trägt, keine entsprechend redende deutsche Übertragung – an Weh. Leben definiert sich so vielleicht als eine nicht enden wollende Trainingseinheit und ein Ziel bleibt – nehmen wir die unvermeidliche Rückkehr zum Anfang mal beiseite und verdrängen uns ins Ewige – unbestimmt. Das schoß mir heute morgen ins ehemals abbe Bein, als ich in bleierner Frühjahrsmüdigkeit – Ja, der Winterschlaf fehlt mir, mein Herr! – das bestiegene Lager verlassen wollte, um Ihnen den lange versprochenen Brief zu schreiben. Damals, als Sie mich zu sich riefen im noch blattlosen Wald hinter Kinzenbach, nachdem ich vom fliegenden Teppich gefallen war, anreisend aus dem kalten, aber freundlichen Norden. Sie schienen mir etwas wirr damals und ich wollte helfen. Vielleicht wußte ich in jenen Tagen, was ich Ihnen berichten wollte, heute aber ist es vergessen in meinem Kopp. Sonst auch. Selbst in den Narben. Oder ich hatte es nie gewußt. Nur so getan. Vielleicht eine Ahnung, ein Geruch, vorüberziehend und leicht. Oft scheint mir, alles was ein Tag zu meinen Pranken liegen lässt, ich werfe es des Nachts hinein in das Große Loch Meines Vergessenwollens. Oder ich finde Gefallen am blinden Säen und ziehe den wahren Genuß aus der sehnsüchtig erwarteten Überraschung, wenn nach langen kalten Wochen unbestimmtes Grün aus der Erde schießt und ich weiß nicht was es sein wird im Sommer, der vielleicht. Ich könnte Ihnen also schreiben, daß Bären keine Pläne machen, sondern wilde Beete. Daß Bären keine Rabatten wollen und Pläne nicht, weil sie die nicht machen können. Oder wollen. Oder besser doch nicht können. Und das muß man dann aber auch wollen. Aushalten. Sonst pocht und atmet die Narbe nicht nur auf Grund der aktuellen Kälte. Nun aber schaue ich auf den Launsbacher See und studiere wie dieser die aufkommende Wärme aufsaugt. Dabei denke ich über die Fortsetzung meines langen (vielleicht) Briefes nach.

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Fünf Krallen sind eine Tatze!

Ihr Herr Archibald Mahler

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Bemerkungen zur Feier allgemeiner Naivitäten

Donnerstag, 2. April 2015 20:20

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(„Mein Gott, sind die doof. Das weiß doch jeder, daß die Sonne niemals vom Himmel fallen kann.“ Man hört sie schon rufen. „Wir müssen die Sonne öfters testen, damit so etwas nicht mehr vorkommen kann!“ Man hört sie schon rufen. Man darf davon ausgehen, daß die Sonne die Rufer nicht benötigt. Jetzt liegt sie erst mal im Launsbacher See. Noch schweigen die Rufer. Sie haben nichts mitgekriegt. Noch haben die Medien nicht gezuckt. Stille? Fast. Mahler und Budnikowski plappern weiter und bleiben erst mal doof.)

„Wie muß das damals – vor der Einführung des Großen Bescheidwissens – gewesen sein, Mahler, als man am Ufer saß, die Dämmerung sich ankündigte, die Vögel, Blätter und Winde plötzlich schwiegen und die Sonne im Meer versank und keiner konnte sich sicher sein, daß dies nicht für immer und ewig ihr letzter Auftritt am Firmament gewesen war?“

„Es wäre interessant darüber nachzusinnen, ab wann sich ein Kind sicher ist, daß die eben angebrochene Nacht keine unendliche bleibt, mütterliches Gebet hin oder her!“

„Mit zunehmendem Alter soll ja wieder die Angst vor dem Schlaf und dem Fall und der Nacht aus den Kissen kriechen, ahnend daß sich bald die letzte Klappe unter den wackligen Füßen auftun mag!“

„Budnikowski, keine Dankbarkeit ohne eine ordentliche Prise Finsternis! Den nächsten Tag, oh Herr, den schenk mir noch!“

„Verpesten deshalb die Aufrechtgeher die Nächte mehr und mehr mit Gefunzel und Geleuchte? Und verjagen alle Dunkelheit?“

„Das hätten sie gerne, die ewige Kontrolle. Die Hand fest am Steuerknüppel auf ihren Reisen durch die schwarzen Löcher! Draußen das große Blinken und drinnen in der Brust dräut es wie unbeleuchteter Bärenenddarm.“

„Wenn ich Sonne wäre, würde ich eine Weile lediglich die Rückseite des Mondes bescheinen und ansonsten Lampen aus!“

„Ach, Budnikowski, und bei Ihrer geflissentlichen Rückkehr erwarten Sie dann wohl noch Erkenntnis und Dankbarkeit? Das vergessen Sie mal ganz schnell!“

„Mahler, mir hätte ja gereicht, wenn die ganzen Blechkisten in unserem Rücken einfach mal ein halbes Stündchen am Fahrbahnrand geschwiegen hätten.“

„Sie sind naiv und dafür liebe ich Sie!“

„Haben Sie gesehen, wie – kurz bevor die Sonne ins Wasser fiel – sich alle Schwäne schweigend in einer Ecke des Sees versammelten hatten und sogar die Nilgänse die Luft anhielten? Kann man das als eine Form der Dankbarkeit bezeichnen?“

„Zumindest ist es kein Ausdruck unreflektierter Anspruchshaltung!“

„Und was machen wir jetzt, da die Sonne sich entfinstern will?“

„Ich wollte dem Herr Albert schon länger mal einen längeren Brief geschrieben haben wollen!“

„Ja dann machen Sie mal hinne, Mahler!“

„Und Sie, Budnikowski?“

„Eier unters Volk bringen und dann nach Hause und in die große Glaskugel geblickt, was die Zukunft so bringen mag! Vielleicht gehe ich auch nur in mich!“

„Fein! Wenn Sie wieder rauskommen, sagen Sie Bescheid!“

„Wird gemacht!“

„Und immer schön doof und naiv bleiben! Experten haben wir genug an den Hälsen!“

„Mahler? Gibt es eigentlich auch Experten für Naivität?“

„Vielleicht haben Sie einen neuen Job! Bis bald, Budnikowski!“

„Ei ei ei!“

(„Mein Gott, sind die doof. Das weiß doch jeder, daß die Sonne niemals vom Himmel fallen kann.“ Man hört sie rufen. „Wir müssen die Sonne öfters testen, damit so etwas nicht mehr vorkommen kann!“ Man hört sie rufen. Man darf davon ausgehen, daß die Sonne die Rufer nicht benötigt. Jetzt klettert sie langsam aus dem Launsbacher See, frottiert sich ab und steigt und steigt und steigt. Noch schweigen die Rufer. Sie haben nichts mitgekriegt. Noch haben die Medien nicht gezuckt. Stille?)

see3

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Bemerkungen kurz vor dem „freien“ Fallen

Montag, 30. März 2015 12:25

oben4

(Beim Blick in Abgründe erfasse einen das „kalte Grausen“ sagt bzw kritzelt aka tastaturt man so dahin. Weia, die bildhafte Sprache. Steige nur einmal vom schneebedeckten Rand eines Grand Canyon an einem Marientag hinunter zum Coloradofluß, wo dich nachts über 20 Grad Celsius erwarten. Jeglicher Abstieg ist schweißtreibender als annersrum. Von der Belastung für die Gelenke und manche höheneuphorisierte Seele ganz zu schweigen. Wer unten nicht ankommen will unn als weiter muß, darf dort gerne eine der Bodenklappen öffnen. Lucifer hat die Heizung schon hochgedreht. OBEN aber – Hatte man nicht die Leiter in Richtung Erlösung und ewiger Rendite bestiegen? – da bläst ein mitleidfreier, eisiger Wind, der Sitz auf klammem Eisenträger ist mehr als unsicher und ein jeglicher Aufstieg, aber das sagte man schon. Mahler und Budnikowski also auf halber Höhe dieses hübsch und korrosionshemmend grün überstrichenen Überlandleitungsmastes zitternd, die Sonne damit beschäftigt ihre Drohung wahr zu machen und vorwärts geht es nicht und rückwärts auch nicht mehr, es sei denn im sogenannten freien Fall. Dann muß am Wort herumgeschraubt und – geklaubt werden. Bärensache!)

„Fielen wir nun hinab, Mahler, was bitte hätte dies mit Freiheit zu tun?“

„Na ja! Vielleicht im Sinne von befreit von etwas, einiger Dinge entledigt, ursprünglicher Bestimmung zugewandt, von blöder Illusion befreit oder so!“

„Entledigt gar der Mühsal und Plage auf diesem Planeten ein Leben zu führen?

„Nun, in letzter Konsequenz vielleicht, aber arg radikal gedacht, Budnikowski!“

„Wissen Sie, ich bin keiner der sich freiwillig an ein Gummiseil oder einen Rettungsschirm knüpft und so seinem Erbe entgegen stürzt. Fegt uns der Wind hier hinab, hat es sich mit der Freiwilligkeit und den albernen Lobpreisungen des Adrenalin! Denn wer verteilt dann die Ostereier?“

„Sie springen mal wieder Haken schlagend über das frisch gepflügte Feld der Bemerkungen, bester Budnikowski!“

„Und ob. Oben. Unten. Frei. Da zittern einem doch die Löffel, ob mancher Verknüpfung dieser Begrifflichkeiten. Außerdem: je näher wir der Sonne, desto kälter. Ich will wieder runter. Hasen und Höhe! Ich meldete meine Zweifel in dieser Sache schon an!“

„Bloß wie? Sehen Sie, die Sonne!“

„Tja! Fast weg! Und wir hängen hier noch rum. In wahrsten Sinne des Ortes!“

„Aber das andere OBEN? Bären, Zen und hohe Berge? Warten auf den Wink?“

„Mahler, Sie sind ein hoffnungsloser Mystikus. So hoch wir auch kommen, nie erreichen wir Gott, den Konstrukteur des Universums. Das ist ein Zitat. Wahrscheinlich von einem überzeugten Flachländer!“

„Nein, von einem Dombaumeister aus dem Mittelalter. Aber Sie haben Recht, steigen wir freiwillig hinab vom hohen Mast!“

„Ja und dies ist wahrlich eine Leistung!“

(Kaum war das letzte Wort verklungen, packte eine ungezügelte Bö den Bären, sein Schwerpunkt verrutschte, er neigte sich, die Gravitation griff nach ihm, der Hase zum Halten zu schwach, auch nicht wach im eig’nen Saft er hirnte und als sei dies alles nicht genug, rutschte die Sonne dem Universum den Buckel runter, raste am Bären vorbei und fällt mit unhörbar gewaltigen Platsch in den Launsbacher See. Mahler und Budnikowski sind so frei und folgen ihr, als …)

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Bemerkungen auffem Weg zum Draht nach oben

Samstag, 28. März 2015 10:42

oben1

(Wenn sich der Boden unter den Füßen öffnet, Abgrund grüßt – und sei’s nur im Kopp – zieht oder zog es, einst zumindest, viele in Richtung OBEN in der Hoffnung auf Antwort, Hinweis oder wenigstens Trost. Manche in vollem Bewußtsein des Vagen und der Abwesenheit letzter Erkenntnisse, andere schon am ersten Treppenabsatz blitzerlöst. Der Rest betet zu den Wissenschaften, die mit siegessicherem Grinsen ihre Satelliten ins ätherbehauchte Oben schießen, um dann Behauptung auf Behauptung (Ausgabe letzter Hand) aufs sensationsgierige, erlösungsgeile und maulaffige Volk niederregnen zu lassen. Erst nagelt man den Nazarener fest und dann die Thesen an die Tür. Upps! So kann man sich täuschen. Jedenfalls hatte die Sonne einen Hilferuf abgesandt und Mahler sowie Budnikowski saßen deshalb auf einem Baum nahe des Launsbacher Sees. Flora und Fauna atmeten eine zittrige Stille und viel furchtsame Erwartung, nur der Aufrechtgeher jagte seine Blechkisten unermüdlich über den in der Nähe sich befindlichen Betonring. Richtung letzte Ausfahrt.)

„Budnikowski, uns fehlt die Nähe!“

„Näher ran müssen wir?“

„Höher!“

„Noch höher! Mir schwindelt!“

„Ja höher noch, doch nicht zu nah. Es schmilzt das Wachs, die Flügel fallen und man stürzt – die bitteren Zähren des Vaters im Ohr – hinab in den Teich!“

„Vor den Vätern sterben die Söhne?“

„In diese Richtung wehen wieder die kriegerischen Winde! Sehen Sie den Mast dort?“

„Mahler, das ist jetzt nicht Ihr Ernst!“

„Lassen Sie es uns zumindest versuchen. Mir ist schrecklich kalt! Nach OBEN, weiter, näher, hoch!“

(So besteigen Mahler und Budnikowski den Mast einer Überlandleitung, Drähte surren und singen von kalter Luft ummantelt, unten auf den Pisten wird gewuselt und die Sonne macht sich daran vom blechernen Himmel zu steigen. Schwäne versammeln sich. Vöglein schweigen. Warte nur, balde.)

oben3

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