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Kleines Abbes Bein III / Die letzte Tasse Kaffee?

Samstag, 15. August 2015 10:37

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Vor uns, auf dem ungeordneten Schreibtisch, liegt der gewissenhaft verschnürte Schuhkarton. Von Nagetieren (Insekten?) angefressene Kanten, Kaffeeflecken, fiebrige Kritzeleien. Auf dem ausgebleichten Deckel unten rechts eine Inschrift:

„Hier die Aufzeichnungen des Westmannes Old Schmetterpfote über seine Reisen in die Täler und an die Ränder, der Nachwelt zur verantwortungsvollen Verwendung.“

Vorsichtig öffnen wir die unzähligen Knoten, glätten die Schuhbänder, rollen sie auf. Das Heiligtum entblößt seinen Schatz. Dicht beschriebene, aus einer Kladde gerissenen Zettel. Beschrieben auf Vorder – und Rückseite, die Ränder gefüllt mit Bemerkungen, Zeichen, Pfeilen. Servietten, Saloonrechnungen, Bierfilze, Etiketten, Buchseiten. Bemalt, beschrieben, bekrakelt. Zeitungsauschnitte, fein säuberlich herausgeschnitten teils, hastig herausgerissen ebenso. The Tinseltown Times. El Paso Journal.  Le Mescalero Dimanche. Prairie Today.  Daily Mail of Roswell. Vergilbte Photographien, viele befleckt. Regentropfen? Tränen? Feuerwasser? Immer wieder ein kleiner, wacker in die Wälder und Täler blickender Bär und sein Begleiter, ein recht ordentlich vergilbter Hase. Eine Notiz fällt sofort ins Auge, fällt aus dem Rahmen. Ein Stück Bisonleder, eingeritzt eine hastige Nachricht. Mit einem angekokelten Stück Holz? Getrocknetem Schlamm? Gar Blut?

„Wir happen das Heilischtum erreicht. Unheimelige Stille. ER ist da. Der Häuptling der Kamschakas hat krose Schmerrzen. Das Bein schreit pei jetem Shcritt auf. Operation villeich schlecht. Der Tach vill nich mehr hell sein. Ich kann iHN richen, den Hun… Manitu, Großer .. Steh uns pei! — HIlfe! Klein Ab Bein heißt mich schwaige ..  Nein!“

Dann in einer neuen Schrift:

„atlantapam songo manituam eti. hugh!“

Und jene Photographie, die unsere Herzen rührt. Im Staub liegen die zwei Helden, deren Reise ins Tal wir verfolgen durften, deren ganze Geschichte jedoch noch im Dunkeln liegt. Spuren wurden gefunden, gelesen sind sie noch nicht. Ist dies das Ende? Wird die Geschichte fortgeschrieben? Oder ist sie schon dahin? Eine letzte Tasse Kaffee rinnt die beklommene Kehle hinab. Doch wir werden sie zu finden wissen. Westmänner sterben nicht, solange wir es nicht zulassen.

(Fortsetzung schläft noch)

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PS: Beim Schließen und Wiederverschnüren des Kartons fällt auf, daß der Deckel von innen beschrieben ist! Dem Leser hier zur verantwortungsvollen Verfügung.

Wir treiben auf dem wüsten Meer,

vergessen ist das Land.

Da fliegt ein Vogel auf das Schiff,

ist bunt und unbekannt.

Er singt von Inseln im Sonnenwind,

von wilden Bächen, von Honig und Wein,

von Ländern aus dem Sternenhimmel,

das muss Osti

Hier bricht der Text ab, einer in anderer Schrift beginnt.

Wo bin ich, bin ich in Liebe, wo bin ich, bin ich schon da?

Wo bin ich, bin ich auf Sternen, wann bin ich, bin ich schon da?

…..

Der Rest ist unleserlich. Noch.

Thema: Archibalds Geschichte, Die Reise ins Tal | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Kleines Abbes Bein II / Der Weg ins Nichts

Donnerstag, 6. August 2015 21:32

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“Die besondere Aufgabe des Geheimnisträgers ist es seinen Stamm zu schützen und dies nicht vor seinen äußeren Feinden, sondern auch vor sich selbst!”

Klecker Petras mahnende Worte vor Augen saß ich in der Schlucht, in welcher ich damals Abschied genommen hatte von meinem Vater, meiner Schwester und dem weisen Medizinmann meines Stammes. Wieder sollte die Schlucht uns Schutz gewähren. Ich blickte in den gnädigen Nachthimmel, welchen Manitou über den letzten, wild bewegten Tag gespannt hatte und spürte die Kräfte in meinen Körper zurückkehren. Die GRAUE WOLKE kratzte nur noch leicht an den Rändern meines Bewusstseins. Old Schmetterpfote hielt die Wacht. Ich sah, daß die ewigen Schatten der Vergangenheit seinen Atem schwer werden ließen.

„Mein Bruder ist müde. Kleines Abbes Bein ist wieder bei Kräften. Er wird die Wache übernehmen. Old Schmetterpfote möge sich ausruhen. Ich höre, daß die alten Tage schwer auf seiner mutigen Brust lasten.“

Ja, die Erinnerungen, die diese Schlucht, die dem Stamme der Kamschatka – Bear seit je her als Rückzugsort diente, für mich bereit hielten, sie waren von tiefer Traurigkeit und bleiernem Gewicht. Hier hoffte ich damals auf heile Rückkehr, hier vernahm ich die tödlichen Schüsse, hier verlor ich eine Liebe, von hier aus brachen wir auf, um zu spät zu kommen. In meinem Schmerz betete ich um Schlaf und der Große Geist erhörte mich. Düstere Gestalten ritten durch meinen Traum, sanft fasste „Schöner Tag“ meine Hand, ihr schwarzes Haar strich mir über die Lippen, die ein fernes Lied sangen, ein Lied, welches noch nicht war, aber eines Tages werden würde, geschrieben und gesungen von einem, der diese Geschichten gelesen haben würde, mit Freunde und Verstand. Es war ein tröstendes und trotziges Lied. Ein einfaches Lied, gespeist von Hoffnung und liebevoller Naivität.

Das Besondere am Geheimnis der Kamschatka – Bear ist das Vergessen. Ein Kamschatka – Bear weiß um die Gespenster der Gier und um die ewige Unruhe der Erdenbewohner. Er weiß um das verhängnisvolle Funkeln in den Augen derjenigen, die einen Blick auf den Schatz geworfen haben. Er weiß um die Haltlosigkeit, die atemlose Besinnungslosigkeit derer, die aufgebrochen sind den vermeintlichen Schatz zu heben, von dessen Existenz sie meist nur durch ein vages Flüstern vernommen haben. Die Kamschatka – Bear aber wissen um die Unabdingbarkeit des Großen Verzichts, den sie wissen um sich selbst .

Ein zweites Mal ward mir das abbe Bein abgerissen und wieder angenäht worden. Die Kühle der Nachtluft linderte das Pochen der frischen Narbe. Kinky Claude hatte mir das Geheimnis entrissen. Doch es bestand keine Gefahr. Sie würden den Schatz nicht finden, weil der Schatz sich nicht dort befindet, wo sie ihn vermuten, weil selbst die, die den Schatz einst vergraben haben, all ihre Anstrengung darauf verwandt hatten, zu vergessen. Und vielleicht wissen wir sogar, daß der Schatz nirgends existiert als in den wund gehofften Hirnen der Unruhigen. Und dennoch hat auch in dieser Nacht der Schnitter sein Pferd bestiegen und hielt reiche Ernte unter den Verblendeten und den Unschuldigen. Neben mir lag Old Schmetterpfote und über seine schlafenden Lippen kroch ein Lied. Ich vernahm die Worte.* Ich weckte den Gefährten.

„Mein Bruder, es ist Zeit die Schlucht zu verlassen. Wir beide wissen, wo wir den Feind finden werden. Der Kampf geht weiter!“

„Der Häuptling hat recht. Manchmal jedoch wünschte ich mir in den Weiten der Prairie mehr Unvorhersehbarkeit!“

„Ich verstehe die Wut meines Gefährten. Doch auch im Schmerz ist es nicht ratsam, die Götter zu versuchen!“

(Fortsetzung folgt)

*Die Worte des Liedes, welches Old Schmetterpfote in der Nacht in der Schlucht sang, waren einst abgedruckt auf Seite 90 des Werkes, welches anno 1985 im FATA MORGANA – Verlag zu Berlin erscheinen würde. Seit einigen Jahren jedoch bleibt diese Seite aus unerklärlichen Gründen leer. Wir reichen sie im folgenden nach.**

**Als ich in jener schlaflosen Nacht über die kalten Straßenlaternen und neonbleichen Häuserreihen hinweg in den klaren Winterhimmel schaute, fiel mir ein Stern auf. Er gefiel mir und je länger ich ihn betrachtete desto größer und deutlicher wurde er für mich. Durch seine leuchtende blaue Atmosphäre konnte ich Meere und Kontinente erkennen.

Ich sah Urwälder, die wie eine schützende Hand das Land bedeckten, Gebirge, in deren schneeüberzogenen Gipfeln sich die Mittagssonne bricht wie in einem kostbaren diamanten. Flimmernde Wüsten, in denen nur der Wind wohnt, Flüsse, die breit und schwer wie die trägen Gedanken eines Sommernachmittags dahinfließen.

An ihren Ufern wogende Getreidefelder, vom Duft schattiger Obstgärten erfüllte Luft.

Dann sah ich sie, ihre Haut war braun, manchmal heller, manchmal dunkler, sie pflügten die Erde, bestellten die Felder, bauten Brücken aus seltsamen Metallen. Manche schwebten in schimmernden Kugeln durch die Luft. Ich sah sie in der Sonne liegen, sah sie tanzen, hörte ihre Gesänge, spürte ihre Liebe.

Dann sah ich ihre Städte. Städte, deren Schönheit ich nicht beschreiben kann. Städte ohne Hass und ohne Hast und ich sah keine stickigen Hinterhöfe, keine rasenden Blechkisten, keine verhungerten Kinder und niemanden auf den eine Waffe gerichtet war.

Ich sah keine marschierenden Truppen, keine Bomben werfenden Flugzeuge und ich sah niemanden, der Geld zählte.

Ich sah fröhliche Gesichter und sah traurige Gesichter, aber nirgendwo begegneten mir hoffnungslose Blicke.

Das Bild zerriss. Und da war nur noch die klare Dezembernacht mit ihren Tausenden von Sternen.

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Kleines Abbes Bein I / Ein Tag im Westen

Dienstag, 21. Juli 2015 8:24

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Ich hatte den Faden abgebissen, nachdem ich diesen fachgerecht verknotet hatte, ich desinfizierte ein letztes Mal die Wundränder, indem ich sie mit einer Paste aus zerkauter Karotte, Brennesselsud und zerbröseltem Knäckebrot einrieb und sah, die Operation war gelungen. Ich verstaute meine Utensilien und befand mich, als das kleine Schloß hörbar zuschnappte und der Arztkoffer verschlossen ward, wieder auf Ellis Island, an jenem freundlichen, Zukunft verheißenden Oktobertag vor wenigen Jahren, saß geduldig, doch mit wild pochendem Herzen, auf einer der langen und harten Holzbänke und wartete auf Einlaß ins gelobte Land. Neben mir, dösend und milde schnarchend, Prof. Dr. Dr. med Peter Curt Alfonsius von Kleckerburg, ehemals Direktor und leitender Arzt des Josefspitals – Fachklinik für Inneres und Äußeres – in Leipzig – Gosenstadt, heute in den Weiten des Westens und an den Lagerfeuern bekannt als der Große Präriephilosoph und Lehrer aller Willigen ‘Klecker Peter’. Ich hatte das dankbar angenommene Glück erleben dürfen an der Seite dieses großen und wachen Geistes und an Bord der ‘MS Teutonia Sachsenadler’ den Ozean queren zu dürfen. Der weise Mann hatte der alten Heimat einen kurzen Besuch abgestattet, um seine gütige Mutter zu beerdigen. Da nun die Schiffsreise über den atlantischen Ozean einige Tage andauert und mir der Sinn nicht danach stand diese langen Stunden mit Kartenspiel, billigem Fusel und dummen Geschwätz über Weiberleute und Pferderennen zu verplempern, nahm ich das Angebot des Professors – offensichtlich hatte ich schnell sein Vertrauen gewonnen gehabt, nachdem wir uns auf dem Oberdeck getroffen hatten, um den nächtlichen Sternenhimmel einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen – mich von ihm in die Grundkenntnisse der Notfallchirugie einführen zu lassen, dankend und freudigen Herzens an. „Junger Mann, sollten Sie den Westen bereisen wollen, was ich Ihnen gütigst empfehle, werden Kenntnisse dieser Art Ihnen nützlichste Dienste erweisen. Hinter den Ecken der Faszination und der Erkenntnisse lauern Wundränder und splitternde Knochen!“ Und so verfügte ich bei der Ankunft – zu bemerken sei noch, daß ich den Anblick der Freiheitsstatue leider verpasst habe, da ich noch in ein Kapitel über das Vernähen und Desinfizieren offener Wunden vertieft war – über Grundkenntnisse in allen Arten von Notoperationen, Wundversorgung und der Behandlung von Schlangenbissen, Grizzlyprankenschlägen und dergleichen Unannehmlichkeiten. Manitou sei Dank, wenn ich mich nicht irre, hihihi! Also saß ich neben ‘Klecker Peter’ und die Zeichen standen auf Abschied. Ein fester Händedruck, wie er unter Männern üblich, ein vertrauensvoll fester Blick in die Augen des Gegenüber und gute Wünsche besiegelten die Trennung. „Möge er Dir Dienste leisten. Die Götter der Alten und der Neuen Welt mögen ein freundliches Auge auf Deine tatkräftigen Pfoten werfen!“ Mit diesen Worten überreichte er mir seinen Arztkoffer. „Und ich wünsche, Du mögest in den Weiten des Westen Kleines Abbes Bein treffen, den designierten Häuptling der Kamschatka – Bear. Mein Herz sagt mir, ihr werdet Euch verstehen! Lebe wohl und höre nie auf zu lernen!“ Er ging an Land und an mir war es zu warten, bis man mich aufrief.

Während ein vor Aufregung zitterndes Greenhorn, welches noch nicht wußte, daß es bald den Ehrennamen Old Schmetterpfote durch die Weiten es Westens tragen würde, auf einer Holzbank auf Ellis Island auf Einlaß wartete, betrat der junge Krieger Kleines Abbes Bein, beladen mit sieben frisch gefangenen Lachsen, zwei erlegten und ausgeweideten Wapiti – Böcken, drei Bastkörben voller Blaubeeren und trunken vom Honig wilder Waldbienen, das Lager seines Stammes, welches sich versteckt am Ende einer tiefen Schlucht im Nordwesten von Mittelidaho befand. Seinen Rücken zierte eine lange, notdürftig verheilte Wunde, die ihm die Pranke eines eifersüchtigen Grizzly geschlagen hatte. Sieben Tage und sieben Nächte war Kleines Abbes Bein allein durch die umliegenden Wälder gestreift, um zu beweisen, daß er in der Lage war, seinen hungrigen Stamm zu ernähren, sieben einsame Tage und Nächte hatte er Ruhe und Kraft gesucht und gefunden, Ruhe und Kraft, die ihm helfen sollten die Große Zeremonie zu überstehen, die Übergabe des Geheimnisses vom Schatz der Kamschatka – Bear. Alles war bereitet, die heilige Zeremonie konnte beginnen, in der heutigen Nacht, wenn der Mond den höchsten Stand erreicht hatte, würde der Große Klecker Peter, dessen Ankunft man jeden Moment erwartete, ein Bein des jungen Bären abtrennen und ihn zum Geheimnisträger des Stammes machen. Das Lager des Stammes vibrierte vor freudiger Erwartung und doch lag ein zäher Mehltau von Schwermut über der Schlucht der Kamschatka – Bear. Sie wußten und sie konnten es riechen, der Ring zog sich eng und enger, die weißen Aufrechtgeher waren nicht mehr fern, riesige Hämmer trieben schon Nagel auf Nagel, Niet auf Niet in die eisernen Schwellen und bald würden Heerscharen von Acht – und Ahnungslosen die einsamen Prärien und Wälder fluten, ausgespuckt von den dampfenden, feuerspeienden Eisenrössern, hemmungslos verbreitend die Errungenschaften der sogenannten Zivilisation: Gier, Neid, Feuerwasser, Gelärme, Eigensucht, Götzendienst und Gottlosigkeit. Doch den zukünftigen Geheimnisträger trieb anderes um. Gewiß erfüllte Stolz darüber, daß der Fingerzeig der Götter ihn gestreift hatte, sein tapferes, junges Herz, doch fasste auch eine gänzlich unbärige Angst nach seinen Schultern. Er lud seine Beute ab und blickte hinauf zum Himmel. Es dämmerte und der Hüter der Nacht, der Heilige Mond, betrat den Rand des Firmaments. Kleines Abbes Bein schloß die Augen. Er bat um Beistand.

Ich erwachte vom festen Griff der Schmetterpfote, die mich auf die Beine zog. Ein wilder Schmerz durchschoß mich. Ich hatte wieder zwei Beine. Vorsichtig setzte ich das eine vor das andere. Ich bewegte mich. Wann? Jetzt? Damals? Wer hatte das abbe Bein wieder meinem restlichen Leibe angenäht? Klecker Peter? Old Schmetterpfote? Die Zeiten schoben sich übereinander wie tektonische Platten und in mir entluden sich wirre Beben. Ich schwankte. Mein Gefährte hielt mich fest. Ich ging. Langsam. Mein frisch operiertes Bein schrie bei jeder Bodenberührung auf und meine Nase kitzelte der Geruch einer Mischung von zerkauter Karotte, Brennesselsud und zerbröseltem Knäckebrot . Vom dämmernden Himmel grüßte die Sichel des sanften Mondes. Aus weiter Ferne drangen die Worte des Gefährten in mein Ohr.

„Mein Bruder, hört er mich?“

„Ist der Feind noch nahe? Wir haben keine Zeit zu verlieren!“

„Mein Häuptling, laß uns die nächsten Stunden von hier verschwinden und der Kraft Zeit geben zu Dir zurückzukehren.“

„Mein Bruder spricht weise. Bring mich in die Schlucht!“

Die Nacht senkt sich schnell herab. Ein Kauz schrie. Dann schwieg das Tal. Die Gefährten erreichten ihr Ziel. Der Mond hing wie eine Banane über ihren Köpfen.

(Fortsetzung folgt)

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Der Schuft / Dem Geheimnisträger fehlt ein Bein

Samstag, 4. Juli 2015 14:26

tal12

Der Schuß fiel rechtzeitig und doch zu spät. Mein Leben war gerettet, doch das Geheimnis litt unter einem Verrat. Also sah ich mich nicht in die Ewigen Jagdgründe einreiten, sondern mit gesenktem Haupte vor dem Großen Rat der Alten Bären stehend, schuldbeladen, einbeinig, das Geheimnis vom Großen Schatz der Kamschatka – Bear in Händen wissend, die meinem Stamme nichts anderes herbeiwünschten als Tod und Untergang. Am Leben weiterhin, doch zweigeteilt, zerrissen von Zweifeln, Selbstvorwürfen und zwei gnadenlosen Fäusten. Und so fragte ich mich, ob es nicht besser wäre zu sterben, als das entwendete Geheimnis in den Händen eines Schufts namens Kinky Claude zu wissen.

Ich hatte nicht gezielt, dazu reichte die Zeit nicht aus. Der legendäre Kunostutzen wußte ohne mein Zutun, wohin er die rettende Kugel zu feuern hatte. Kinky Claudes Zeigefinger löste sich von seiner linken Hand, ein Strahl vergifteten Blutes, halb Lebenssaft, halb Feuerwasser, schoß aus der Stelle, wo meine Kugel eingeschlagen war und das abgetrennte Glied flog durch Lüfte, taumelte und fiel zu Boden. Eine vom Tumult angelockte Klapperschlange nahm ihr Abendmahl zu sich. Der Schrei meines Blutsbruder Kleines Abbes Bein und der Schrei des Schufts verwoben sich zu einem gräßlichen Kanon. Und man mag es nicht glauben, ich jedoch sah es mit eigenem entsetzten Auge, zu welcher Tat das Böse den Menschen treiben mag. Vierfingrig, blutend und fluchend – man erspare mir die Wiedergabe der vernommenen Scheußlichkeiten – gelang es Kinky Claude ein Streichholz an seinem verholzten Bart zu entflammen, daraufhin eine Stange Dynamit aus seinem mit allerlei menschlichen Ausflüssen besudelten Hemd zu nesteln; die Lunte zu entzünden und mit der Kraft und Zielgenauigkeit seines ewigen Hasses das glimmende, todbringende Geschoß in den noch unversehrten Munitionswagen des von Forresters Bande niedergemetzelten Siedlertrecks zu schleudern. Ein Flammeninferno durchwalzte das geschändete Tal und, am Leben zwar, doch noch nicht gerettet lag in Blickweite Kleines Abbes Bein, designierter Häuptling der Kamschatka – Bear, das heißt, wenn mein Auge nicht irrte (hihihi!), lagen dort etwa Vierfünftel meines Gefährten und einige blutverschmierte Yards weiter das losgerissene, das von nun an legendäre ‘abbe Bein’ und dieses Bein war hohl, geschändet, man hatte es seines Geheimnisses beraubt. Ich beruhigte meinen Wallach Hattumörla und griff nach meinem Ärztekoffer, den ich am Sattelknauf befestigt hatte.

Die Alten Bären sagen, wenn der Vollmond am Tag der Wintersonnenwende im Zeichen des Kleinen Bären steht und eine Bärin an diesem Tag in ihrer Höhle niederkommt, das Neugeborene das Geschlecht der Krieger hat, dann habe ein Geheimnisträger die Wälder und Prärien betreten. Demjenigen, an dem ein solchen Schicksal vorbeischlenderte und dem deshalb der gelbe Vogel Neid im Nacken sitzt, sei gesagt, daß die Götter diese Aufgabe nicht mit den Freuden der Honigschleckerei versehen haben. Zwar wird in den Großen Ewigen Annalen der geneigte Leser oft und öfters über den Namen des Auserwählten stolpern müssen und manches Lied wird an den Lagerfeuern seine Taten preisen, doch bedenkt, daß schon siebenundsiebzig Stunden nach seiner Geburt, bevor er einem ersten Schritt hinaus in sein bewegtes Leben getan, dem mit der ‘Großen Aufgabe’ Versehenen das linke Bein abgetrennt wird. Auch wenn diese Operation von einem mächtigen und erfahrenen Medizinmann getätigt wird, in unserem Fall von dem schon erwähnten Meister der Zeitreisen ‘Klecker Peter’, wer möchte, da er noch die Wärme der mütterlichen Zitze an seinen Lippen spürt, ein eigenes Bein vor sich liegen sehen, beobachten, wie kluge und vorsichtige Hände eine silberne Kapsel in das Innere des abgetrennten Gliedes einführen und dabei ein ewig bindenden Schwur tun müssen.

Kajatam muko tä estis twi

bijamata eio bajalam

kiri ätä nomo neti

lapo manitou lapo tenbo kak

tarantapa crabo

atlantapam songo manituam eti

hugh*

Und so findet das Geheimnis, die Schatzkarte, welche die Pfade zu den Nuggets des Stammes weist, den Weg in den Körper des Geheimnisträgers. Anzumerken wäre noch, daß lediglich das monotone Brummen der Bärenweiber und das reichlich gefüttere Blaubeerenkompott die unbärigen Schmerzen versuchen etwas zu lindern.

Ich sah mein Bein vor mir liegen. War ich wieder der Kleine Bär? Ich hörte einen Schuß. Eine dünne Blutspur führte vom abgetrennten Bein zurück zu meinem Leib. Blut tropfte leise aus meinem Torso. Dort wo eben noch ein Bein ragte, was mich tausende von Meilen über Berge, durch Schluchten getragen hatte, ein Bein eben noch zuckte, dessen sanfter Druck meinen Rappen ‘Deadly Dust’ über die Prärien gelenkt hatte, dort klaffte ein gähnendes Loch. Und ein weiteres Loch im abgerissenen Glied. Keine silberne Kapsel: vanitas. Ich sah, wie eine weiße Pfote nach dem abben Bein griff. Ich sah, wie eine weiße Pfote vor meinen trüben Augen tanzte. Ich hörte ein Explosion. Eine Stichflamme schoß in den Himmel. Eine weiße Pfote traf mich an der Schläfe. Ich sank. Ich sang. Ich sang ein altes Lied. Das Lied sang mich. Eine Nadel bohrte sich in mein Fleisch. Ein Faden folgte der Nadel. Ich hatte vor dem Großen Rat der Alten Bären Platz genommen. Ich schwieg.

*Eine – zugegeben – freie Übersetzung des Heiligen Eids der Geheimnisträger der Kamschatka – Bear finden Sie in dem – leider momentan vergriffenen – Standardwerk  von Kuno Wonnemond „Die Sprachen der Völker der Weite“, erschienen beim Scharmützelverlag, Leipzig – Gosenstadt, Radebeuler Hof 24.

(Fortsetzung folgt)

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Durch das Land der Droghebaren / Alter Schrei

Donnerstag, 2. Juli 2015 12:37

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Ich griff ins Leere. Der Schatten, der uns atemnehmend in Finsternis gehüllt hatte, war weiter gezogen. Der Schrei, welcher für Sekunden alles Leben im Tal hatte einfrieren lassen, klang noch als besitzergreifendes Echo von den Basalttreppen zurück, welche sich am Nordende des Tales auftürmten. Mein Ohren richteten sich auf, durchmaßen die Stille, schritten ab die Raster, sondierten das wieder einsetzende Leben und meine Nase sog ein die verbliebenen Miasmen einer Bedrohung. Jedoch der Gefährte, er war entschwunden.

Nie hatte ich behauptet ein Held zu sein. Zwar habe ich mir in den letzten Monaten bei meinen ungezählten Abenteuern die grünen Hörner erst blutig – und dann abgestoßen, doch dies hat nicht zur Folge, daß mir nun alle Angst fremd. Tief im Herzen des Hasen, mag er auch mit einer noch so wirkungsmächtigen Schmetterpfote ausgerüstet sein, schlägt jenes Herz, welches durchaus von sprichwörtlicher Natur. Und also löst das Auftauchen eines Milans und vor allem dessen Mark und Läufe durchdringender Schrei bei einem meiner Art nichts anderes aus als einen lebensbejahenden Fluchtreflex. Möge ein in Drachenblut gebadeter Recke den Kampf mit diesem Ungetüm aufnehmen, Old Schmetterpfote aber zieht sich zurück und sucht und findet ein Loch. Und so pfiff ich ein Lied, was zu jener Zeit, da ich dieses Abenteuer durchstand, noch nicht geschrieben war, doch wer behauptet, es sei unmöglich verschiedene Zeittunnel gleichzeitig zu durcheilen, der irrt. In anderen Zusammenhängen wird es mir eine große Freude sein zu diesem Thema einige Bonmots des großen Prarie – und Wiesenphilosophen ‘Klecker Peter’ an die werten Leser weiterzugeben. Doch erst möge Manitou dieses rotschwänzige Flugobjekt von meinem Radarschirm verschwinden lassen. “Hugh”, um meinen Bruder Kleines Abbes Bein zu zitieren.

Ein Westmann weicht keiner Auseinandersetzung aus, doch weiß er die unnötigen Kämpfe zu meiden und hat gelernt – wenn auch unter Schmerzen und des öfteren von den Göttern ermahnt – den rechten Zeitpunkt zu erspüren, an dem es angebracht ist den Ring zu betreten. Mein belöffelter Gefährte ist schlau, den er weiß, sich einem rotschwänzigen Milan mit leerem Magen entgegen zu stellen, ist nichts anderes als Dummheit. So ergriff er rechtzeitig das Hasenpanier und lochte ein, wo ich ihn nach einer kurzen Zeit des Suchens fand, wohlgemut und pfeifend, wie es seine Art ist. Ich hielt derweilen die Wacht, welche Old Schmetterpfote vor wenigen Stunden gehalten hatte, meine wirren Träume beschützend. Zwar versuchte ich meiner verantwortungsvollen Aufgabe, das Tal nach lauernden Gefahren abzuschnüffeln, nachzukommen, doch mein Geist reiste und dicht wie kanadischer Ahornsirup über frisch gebackene Pfannkuchen (eines meiner ersten und endgültigen Leibgerichte, mag ich hier gestehen!) legte sich Erinnerung über das Tal. Der Schrei des Raubvogels ward zum eigenen Schrei geworden, zu jenem das Bewusstsein stehlenden Schrei, den ich damals ausgestoßen hatte, da Kinky Claude, randvoll mit Feuerwasser und maßloser Gier, nach mir gegriffen hatte. Die Achtundvierzigste Minute war Vergangenheit, die Helden waren weitergezogen, ich lag wieder auf staubigem Boden und war so in diese Geschichte hinein geworfen, als eine Faust nach meinem linken Bein griff, es umklammerte und zog. Der faulige Hauch eines zerstörten Magens wehte mir in die feine Nase und ein unendlicher Schmerz ließ es damals um mich herum finster werden. Bald jedoch kehrte ich zurück ins Jetzt und spürte, wie meine Narbe begann zu pochen und als der letzte Schrei des Milans an den Wänden des Tales verhallt war, wußte ich: ER ist hier, ER ist nahe. Vor meinem Auge färbte sich das Tal rot. Hugh!

(Fortsetzung folgt)

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In den Schluchten des Gestern / Das Vermächtnis

Freitag, 19. Juni 2015 11:43

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„Forrester schmort in der Hölle. Manitou gewähre keine Gnade!“ Doch Kleines Abbes Bein weiß, daß eines vielleicht gar nicht so fernen Tages auch für ihn die Glocken von Santa Fe läuten mögen und so fasste er den Fluch, der eben seinen erwachenden Zähnen zu entfleuchen drohte, beim Schwanz und packte diesen in eine seiner linken Herzkammern, wo die nicht freigelassenen Flüche und die zahllosen Gesänge von den Jammertälern lagern. Sollte er nach seinem Ableben in der Garküche von Teufels Großmutter landen, er wird den Zurückgehaltenen Auslauf gewähren, doch noch setzt er seine Hoffnung auch auf den Gott der Bleichgesichter, der – so lautet manche Schrift – manchmal ein gnädiger Gott sein kann und so dem Dahinscheidenden den Weg in friedliche ewige Jagdgründe ebnen mag. „Welch ein Milde und Schönheit atmet dieses Tal. Hier mag eine reine Seele ihre Ruhe finden! Beim Großen Manitou!“ Gierig zog er nun die warme Luft durch seine erwachte Nase und diese roch keine Gefahr, friedlich strömte der Odem in seine Lungen, doch etwas in ihm wußte, daß das Vermächtnis, die Erzählung vom sagenhaften Goldschatz der Kamschatka – Bear, so manchem Geist keine Ruhe lässt und deshalb der Frieden dieses Tales stets ein brüchiger ist. Kinky Claude hatte die Feuerwalze überlebt, denn die rechte Hand hatte sich erhoben den Dolch zu führen, der im Rücken des Bandenbosses stecken blieb, die rechte Hand entzündete das Streichholz an der Sohle eines staubigen Stiefels und die Lunte fraß sich in Richtung Tod und Verdeben.

„Mein Bruder, verzeiht er seinem treuen Gefährten Old Schmetterpfote? Mein linker Arm hatte sich selbstständig gemacht.“

„Kleines Abbes Bein hatte die GRAUE WOLKE erblickt. Dann wurde er ins Reich der Träume gesandt. Sein Herz ist nun ruhiger.”

„Riecht mein Bruder etwas, was er nicht riechen mag?“

„Rein ist die Luft wie das Gewissen eines aus dem Winterschlaf erwachten Bären, doch mein Herz weiß, warum es unruhig schlägt. Das Vermächtnis ist ein Gift, daß die Hirne und Herzen vieler Bleichgesichter zerstört! Es ist noch nicht überstanden!“

Geschwätzigkeit ist wahrlich kein Merkmal derjenigen, die seit ungezählten Jahren die Prärien, Gebirge und Schluchten des Westen durchstreifen – nun der Leser mag vermuten, daß es sich bei mir um eine Ausnahme handeln mag, wenn ich mich nicht irre, hihihi! – und so gibt es keinen besseren Ort, um ein Geheimnis zu bergen als das Herz des designierten Häuptlings der Kamschatka – Bear Kleines Abbes Bein. Hätte ich in diesem Moment das Verlangen gehabt, ihn zu irgendwas zu drängen, sinnloser wäre es gewesen als das Melken eines wütenden Bisonbullen. Wir hatten also unseren ersten Ausguck verlassen und hatten uns in einem jungen Ahorn, blattlos und gebrandmarkt noch von der grausamen Katastrophe, welche den Greystone – Canyon heimgesucht hatte, niedergelassen. Auch wenn an diesem Morgen sehr wenig auf eine neuerliche Katastrophe hindeutete, die Nase des Gefährten schwieg und auch mein unbestechliches Adlerauge erspähte keinen Anlaß zur Unruhe, ein erfahrener Westmann setzt sich nicht ohne Not auf den Präsentierteller. Das krakeelige Einfordern von Aufmerksamkeit und die geschwenkten Banner mögen den Trunkenbolden und den goldgeilen Schreihälsen vorbehalten bleiben. Und vergessen wir nicht, Kinky Claude lebt und er hält das Vermächtnis immer noch in seinen schmutzigen Krallen. Mir schauderte. Ich blickte hinüber zu meinem nachsinnenden Begleiter. Nur wo verbirgt sich diese Ausgeburt an Schamlosigkeit und Verachtung allen Lebens?

Hier verlassen wir unsere zwei Helden für wenige Sätze, um dem werten Leser das Geheimnis der Achtundvierzigsten Minute zu enthüllen. Er möge sich Zeit nehmen und bis zum besagten Moment dem Geschehen folgen oder – wir vermuten dies wird das Wahrscheinliche sein – seiner Ungeduld freien Ausritt gewähren und spulend das Warten überspringen. Dann wird er sehen, wo und wie unsere Geschichte begann. Wir geben dies preis, obwohl wir wissen, daß ein Geschichtenerzähler sich interessanter macht, wenn er die Quellen seiner Gedanken in ein ominöses Dunkel hüllt, aber in den Tagen da uns der Franzose und ewige Häuptling verlassen hat, scheint uns dies nicht angemessen. Kehren wir zurück in das entlaubte Ahorn am Rande des Tales.

Dort oben am Rande der Wand, die das Tal begrenzt, hatte er gestanden, der Bösewicht. Wir waren seinen Spuren, ich humpelnd und gestützt auf meinen Gefährten Old Schmetterpfote, von rasenden Schmerzen durchzuckt nach einer soeben überstandenen Notoperation, gefolgt. Und nicht genug, höhnisch lachend schwenkte das Scheusal den Federschmuck meines Vaters, des ruhmreichen Häuptling der Kamschatka – Bear, Großer Rollender Stein, den wir einst in diesem Tal begraben hatten, an seiner Seite meine liebreizende Schwester „Wilder Honig“, die große und unsterbliche Liebe meines Gefährten. So war es geschehen in jenen finsteren Tagen und wir wußten, die Grabhöhle ward geschändet und außerdem wußte Kinky Claude um das Vermächtnis der Kamschatka – Bear. Und immer noch kreist der Raubvogel über dem Tal. Dann bleibt er in der Luft stehen, rüttelt kurz und stürzt hinab. Ein gellender Schrei zerreißt die Stille des Tales.

(Fortsetzung folgt)

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Von El Paso nach Tinseltown / Der Schlag

Dienstag, 16. Juni 2015 20:19

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Nun, ohne hier mein Licht über Gebühr in die Sonne zu stellen, einer der gänzlich Unbelesenen bin ich sicher nicht, dennoch sei an dieser Stelle der Erzählung gestanden, daß die Vererbungslehre mir Mysterium ist und bleibt. Immer wieder betrachte ich – insbesondere nach einem erfolgreichen linken Haken – verwundert meine Schmetterpfote und frage mich welcher Gott oder welches Gen mir diese zum Geschenk gemacht hat. Heute jedoch, die Sonne begann gerade das Tal aufzuheizen und die Gesänge der Frösche nahmen an Lautstärke zu und verrieten eindeutige Absicht (Oh ja, ich gestehe, ein langer und einsamer Ritt lag hinter einem ehrenwerten Sproß der Familie von und zu Rammelsburg, wenn ich mich nicht irre, hihihi!), beschlichen mich heftige Schuldgefühle ob der Wucht, mit der diese Göttergabe den treuen und tapferen Gefährten, designierten Häuptling der Kamschakta – Bear und Träger des viel besungenen Namens Kleines Abbes Bein, vor meine platten Füße gelegt hatte. Doch vernehme, o Fremder, der du diese Worte vor deine Augen hältst, der wackere Braunpelz er ist nicht in die ewigen Jagdgründe eingegangen, nein er schläft nur, hängt im Ginster und atmet ruhig und regelmäßig. Leise entströmt Atem seiner wunderbaren feinen und intelligenten Nase und seid vergewissert, ihr Zweifler alle, der erste Traum, den meine Pfote ihm bescherte, es ist der erste nur in einer langen Reihe von Träumen, die zu träumen es für den Unermüdlichen höchste Zeit gewesen war, während ich, obwohl erschöpft und ermüdet wie nach meiner damaligen und bemerkenswerten Erstbesteigung des Monte Verita (ohne Karotte und ohne Seil und Haken) – ich werde diese nicht unwesentliche Episode aus meinem Leben als Weltenbewanderer bald in meinem Reisebericht „Lichte Höhe“ ausführlicher schildern – hinab blicke ins Tal, in dem das Leben sich rege zu tummeln beginnt und  die Wache halte.

Tinseltown ist, man möge mir meine vielleicht etwas harsche Ausdrucksweise verzeihen, ein mieses, stinkendes und korruptes Kaff, bewohnt von holzköpfigen Glücksrittern, dummdreisten Trunkenbolden und eiskalten Menschenschindern. Angelockt vom Versprechen auf schnellen und wohlfeilen Reichtum, nach kürzester Zeit durch billigsten Fusel von allem, falls überhaupt vorhandenen, Anstand in Gänze befreit und den letzten ehrlich erworbenen Dollar verloren an Zuhälter, Zocker und ungezählte Hübschlerinnen, versammelt sich in Tinseltown eine Mischpoke, die letztlich nur vereint ist durch die Abwesenheit jeglicher Moral und Gottesfurcht. Und in Tinseltown war es vor gar nicht langer Zeit geschehen, daß mich das letzte Mal ein derartiger Schlag getroffen hatte. Der ehrenwerte Old Schmetterpfote, damals noch ein Greenhorn, war in die Gewalt der Tinseltown terrorisierenden Forrester – Bande gefallen und ein altes Versprechen zwang mich meinen Rappen ‘Deadly Dust’ zu besteigen und in die Höhle des Löwen zu reiten, als mich dieser Schlag traf, der Schlag eines Gewehrkolben, der Schlag des mit Silbernägeln verzierten Kolben meiner Büchse ‘Rodriganda’. Doch von diesem, einem Kamschatka – Bear nicht zur Ehre gereichenden, hinterhältigen Niederschlag später, wenn die Engel mich wieder hinaus aus dem finsteren Labyrinth meiner derzeitigen Träume in das lichte Tal geleitet haben. Aber diese Stunde scheint noch fern und solange liege ich in einer stinkenden Whiskylache auf dem Boden des ‘Royal Flash’, dem einzigen und größten Saloon in Tinseltown, die weinende Kitty Belaire Johnson hält mein blutendes Haupt, das elektrische Klavier hämmert einen atemlosen Ragtime und die krächzende Lache von Kinky Claude, der buckligen und irren rechten Hand von Forrester stellt mir die bohrende Frage: „Warum? Warum nur liege ich hier?“

Für so manches gibt es keine Erklärung, mag man noch so tief in den Schubladen seiner Erfahrungen, in den Hosentaschen seiner Erinnerungen herumwühlen, doch mein heutiger Schlag ist nichts weiter als eine der vielen logischen und bedauernswerten Folgen der fatalen Achtundvierzigsten Minute. Ich hatte, damals noch ein blutiges Greenhorn, mich auf den Weg gemacht von El Paso nach Tinseltown, gewiß war ich aufgebrochen in der Hoffnung dort die Legende des Westens, den designierten Häuptling der Kamschatka – Bear Kleines Abbes Bein zu treffen, doch der Wahrheit die Ehre, ich verließ El Paso nicht ganz freiwillig, nein, ein Unschuldiger wurde damals mit Schimpf und Schande aus der Stadt gejagt, weil er, der Unschuldige, damals noch ein Greenhorn und zeitweise auch ein rechtes Großmaul, seine zarten Pfoten über die Beine der legendären Dolores streichen ließ, jene Beine auf denen zu jener Zeit die widerlichen Pranken eines Sid ‘Vicious’ Forrester zu liegen pflegten. Und ich hatte von seltsamen Geschehnissen vernommen und dies dem Gefährten zu berichten, war meine Pflicht. Und hier beginne ich zu flüstern, wenn ich dem Leser mitteile, daß ich damals einen Schwur tat, daß falls jemals wieder die GRAUE WOLKE …, aber ach, verzeihe Leser, hier bricht mir meine Stimme. Heute morgen als mich des Bären zuckendes Bein traf, da erblickte ich in den Augen des Gefährten, o ihr Götter, die GRAUE WOLKE und erschrak darüber derart, daß mein Schlag notwendig ward. Manitu sei mein Zeuge! Und so saß ich und hielt Wacht, zu meinen Füßen der Freund in Morpheus’ Armen, leichter atmend. Ein Hauch von Ruhe glättete seine Stirn. Die GRAUE WOLKE schien ihren Griff zu lockern. Dann schlug ein Käuzchen. Ein mächtiger Habicht kreiste über dem Tal. Zeit den Ausguck zu verlassen und Deckung zu suchen. Ein Westmann spielt nicht mit dem, was ihm die Götter schenkten, seinem Leben. Das nächste Lied pfiff ich nicht, ich dachte es mir. In der Ferne ein elektrisches Klavier.

(Fortsetzung folgt)

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Durchs wilde Absurdistan / Der Mammon

Samstag, 13. Juni 2015 21:41

tal04

Ich sei ein mißtrauischer, manchmal gar mürrischer Bär mag man mir gelegentlich vorhalten. Nun denn, nicht an allen Lagerfeuern klingen die Lauten hell und leicht. Der Blick, der über die weiten Prärien schweift, sich in tiefen Canyons verliert, durch dichtes Unterholz kriecht oder unstet durch die rapide und maßlos wuchernden Siedlungen der Bleichgesichter wandert, gebiert gar manche düstere Wolke und zerfurcht so die der Welt eigentlich freundlich zugewandte Stirn. Und so mäanderte mein wacher Blick, trotz strahlender Morgenhelle von brummender Düsternis umflort, durch dieses herrliche Tal, welches wir nach unserem langen und mühseligen Ritt mit der aufgehenden Sonne erreicht hatten. Der Ginster grüßte uns in voll erblühter Pracht und eine fast schon zärtliche Brise bewegte das frische Grün. Azurren spannte sich das Himmelszelt. Man mag sich kaum vorstellen, wie dieser Ort einst vor dem Auge des Betrachter geschunden darnieder lag, nachdem eine Feuerwalze damals hier ihr todbringendes Werk verrichtet hatte. Noch heute klingt die gespenstische Stille in meinen Ohren, obwohl meine letzten, wild bewegten Lebensjahre mir so manches Bild der Erinnerung entrissen haben und mein Herz sich immer und wieder scheut der Düsternis die Pforten der Wahrnehmung und des Verstehens zu öffnen. In manchen Lieder, die man an den Lagerfeuern, begleitet von alten, scheppernden Gitarren, singt, wird gar berichtet ich hätte die damalige Schlacht in tiefer Ohnmacht verschlafen. Ob dem so war, dies mag ich noch nicht niederschreiben. Doch eines ist gewiß – und ja, dies mag der geneigte Leser lange schon erraten haben – all das, was und wie auch immer es sich zugetragen hatte, es geschah des schnöden Mammon wegen. Und dies alles war nur möglich – dies zu betonen fordert mein aufrecht schlagendes Herz von mir – da sich an jenem Tage die Welt wieder einmal im Zustande schändlichster Gottvergessenheit befand. Und so ward begangen, was begangen wurde und nicht das Böse verhindert, wozu die Götter der Wälder und Prärien nie müde sind, aufzurufen. Doch länger soll meine Vorrede nicht währen, schreiten wir zum Beginn der Geschichte und wenden das Haupt gen El Paso. Ich drehte mich meinem Gefährten zu und äußerte meine Bitte. Und der Freund handelte.

Man nennt mich gelegentlich auch die „Ilse Werner der Prärie“. Nun mag ein unerfahrener Leser darin eine nicht hinnehmbare Kränkung erkennen, doch vernehme, o Greenhorn, das du den verzärtelten Hintern auf Fauteils und Seidenkissen dir pupswarm hältst, hier draußen zwischen Atem nehmenden Staubwolken und planlos stampedenden Rindsköpfen, zwischen zischenden Pfeilen der Huronen und krachenden Tomahawks der Dakota, einen zu starken, verbrannten Kaffee in der von Lasso zerfurchten Hand haltend, mit wund gerittenem Pöter und vor Sehnsucht brennendem Aug’ einsame Wache schiebend, nicht zu sprechen von einer im – leider notwendigen – Duell erlittenen, nacheiternden Schußwunde, tja, hier draußen sind die Sitten und Gebräuche rauher und mancher nett gemeinte Scherz mag da an den „zivilisierten“ Kaffeetafeln, vollgesogen mit verlogener Höflichkeit, als höchst insultierend aufgefasst werden. Verglichen mit dem Holze, aus man man hier draußen geschnitzt sein sollte, ist Mahagoni nichts mehr als Softeis. Also kam ich ohne weiteres Nachkarten sogleich der Bitte meines Blutsbruders Kleines Abbes Bein nach und pfiff das gewünschte Lied. Ja, El Paso! Und schon nach den ersten wohlbekannten Tönen spürte ich, obwohl Schmetterlinge unsere Häupter umtaumelten und die Frösche einen vielstimmigen Willkommens – Chor anstimmten, wie die GRAUE WOLKE nach dem Gefährten griff und, ja, so vernahm ich wie – meine musikalische Darbietung nicht störend, aber durchbrechend – ein leises Murmeln durch seine zusammengebissenen Zähne entwisch. „Oh du mein Schatz, verfluchter Schatz du, hätte man dein Geheimnis niemals mir anvertraut.“ Dies waren die geflüsterten, nein, die gezischten Worte, die ich vernahm an diesen strahlenden Morgen im Tal.

Es hat sich verändert das Tal, schien mir, doch nein, das ist falsch. Das Tal hat zu sich zurückgefunden. Gewiß es gibt Spuren, die keine Zeitläufte zu tilgen in der Lage sind, mögen noch so viel wohlwollende Jahre über die vernarbte Wunde hinweg gerauscht sein, doch am heutigen Morgen meinte ich feststellen zu können, daß sich vor meinen Augen etwas ausbreitete, was Frieden atmete, etwas was mich zu erinnern schien an schlafende Zeiten, an jene Zeit, die ich für immer und ewig untergegangen glaubte, ein Frieden, der mich führte zurück in jene glücklichen Tage, jene Tage vor der Achtundvierzigsten Minute. Und gleich begann mein rechtes Bein zu jucken. Die alte Narbe meldete sich wieder, zuckte und ich trat gegen das Knie meines Gefährten. Dieser brach sein Lied ab und es traf mich – unvorbereitet – der Blick von Old Schmetterpfote.

(Fortsetzung folgt)

tal03

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Durch die Wüsten / Das Tal I

Donnerstag, 11. Juni 2015 22:32

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Eine Nacht und einen Tag waren wir durchgeritten. Unsere Pöter waren platt wie jene der Horden Dschingis Khans, nachdem diese die Wüste Gobi gequert hatten und ein stechender Schmerz trieb uns rostige Nägel in unser Rückgrat. Das Fleisch unter unseren Sätteln war gar durch und durcher und begann allmählich zu riechen. Nun, aber wenn dich eine alte Geschichte ruft, eine alte Geschichte, die vielleicht zu deiner Geschichte werden mag, dann hast du diesem Ruf zu folgen und alles Wenn oder Aber löst sich in Rauch auf, wie das stinkende mit Fußnägeln versetzte Kraut, welches sich aus dem Kalumet eines Assisiboin in den Nachthimmel kräuselt. Bis an den Rand meines seit Tagen ungewaschenen Hals angefüllt mit schierer und aufrechter Freude über das Erreichen unseres ersten Ziels, blickte ich zu meinem Gefährten, den tapferen Grenzgänger und Pfadfinder Old Schmetterpfote hinüber, der müde wie Vasco da Gama nach einer dritten Weltumseglung im Sattel hing, aber dennoch mit unnachahmlicher Lässigkeit die Enden der Zügel in seiner linken Pfote hielt, die schon manchen Spitzbube vorübergehend, doch wirksam ins Reich der Träume gesandt hatte. Seine gespitzten Lippen pfiffen ein altes Lied. “Take me to the green valley!”

„Wenn einem Freund die Not im erschöpften Gesichte steht, ist es deine Aufgabe, früher aufzustehen als gewohnt.“ Ein wahres Wort, welches das Herz eines jeden aufrechten Abenteurers erbeben lässt. Als mich heute in der finster und wortlos durchrittenen Nacht immer wieder aufkommende Zweifel an meiner Nibelungentreue gegenüber meinen alten Weggefährten Kleines Abbes Bein, designierter Häuptling der Kamschatka – Bear und Titelgeber vieler Gesänge, die zwischen den sturmdurchtosten Prärien Hassonias und den sonnenverbrannten Canyons des Schwarzhains an unzähligen Lagerfeuern von Mund zu Ohr wandern, befielen, nachdem ich zum wiederholten Male von meinem Wallach Hattumörla herabsteigen mußte, um dessen leicht lahmenden rechten Vorderhuf mit einer Paste aus zerkauter Karotte, Brennesselpaste und zerbröseltem Knäckebrot einzureiben, fiel mir obiger Sinnspruch meines Großonkels Kunibert Ottokar von und zu Rammelburg op der Lüger mittenmang hinein ins hadernde Herz. Und hier gilt es – in aller Bescheidenheit natürlich – kurz zu erwähnen, daß es sich bei meinem Großonkel Kunibert Ottokar von und zu Rammelburg op der Lüger um jenen legendären Feldhasen handelt, welcher in grauer Vorzeit einen noch legendäreren Wettkampf gegen einen schurkischen und betrügerischen Igelclan verloren hatte (Oh, ungezählt die Seiten, welche mit der Wiedergabe dieser Mär beschrieben!), aber dennoch niemals die Löffel sinken ließ, nein ganz im Gegenteil seine Lehren aus dieser epochalen, die Seele peinigenden Niederlage zog und so ins ferne Mexiko auswanderte, um am Ende des vorvorigen Jahrhunderts in Acapulco eine Imbißbude zu eröffnen, die – legendärer bald als seine im alten, verstaubten und engstirnigen Europa erlittene Demütigung – die weltweit ersten mit zerkauter Karotte, Brennesselpaste und zerbröseltem Knäckebrot gefüllten Burritos feilbot. Und nicht zu vergessen den unglaublichen und vitalisierenden Kakteenblütentee „Maison Rammelburg“, der seine besondere Wirkung vor allem dann entfaltete, wenn man ihn durch die Borsten eines erlegten Igeltieres in sich hinein saugte. Doch davon heute berichten werden wir nicht, den es gilt fürderhand Zeugnis abzulegen von überwundenem Schmerz und dem Erreichen des ersten Zieles.

So lag es also vor uns in seiner unschuldigen Schönheit, einer Schönheit hinter der, wie wir bald erfahren werden, mancher wilde Schmerz verborgen schlummert, nur darauf wartend von unvorsichtiger Hand wieder geweckt zu werden: das Tal. Ich blinzelte in die Morgensonne und fragte meinen erschöpften Geist, ob meine Hand denn schon bereit sei, an der Firniß des sich mir darbietenden, herrlichen Bildes zu reiben und zu kratzen, ob ich bereit bin für die alte Geschichte, diese verschütt geglaubte Geschichte der Achtundvierzigsten Minute. Er war Zeit vom Roß hinabzusteigen, den nächsten Felsen zu erklimmen und sich einen Überblick zu verschaffen. So taten wir dies. Manitu, der Gerechte, sei unser Zeuge!

(Fortsetzung folgt)

tal02

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Mit den Augen des befreundeten Fremd / Sechs

Montag, 8. Juni 2015 22:00

clo

Es hatte keinen Spaß mehr gemacht. Das Blicken. Das Schauen. Das Hinsehen müssen. Die Wiederholung. Der Alltag. Und Budnikowski schaute und erblickte in den letzten Tagen und Wochen so manches direkt vor dem ihm anvertrauten Fenster. Davon reden? Davon schweigen. Budnikowski weiß nur zu gut, gerne wird nicht der Täter, sondern der Berichterstatter angepinkelt. Mahler wiederum hielt sich an die Verabredungen. Er wartete, den Rücken von der Sonne beschienen, geduldig wie nie nun, auf einen eventuellen Bericht des Hasen. Dieser schwieg. Gelegentlich ein Mümmeln, ein knirschendes. Unverständnis, behaucht von gänzlich unhasigem Wüten. Irgendwann ist auch gut. Mahler kündigt also die Vereinbarung und dreht sich um. Aha! Das macht tatsächlich keinen Spaß mehr. Das mag auch Mahler nicht mehr sehen. Tagtäglich schon gar nicht. Mahler und Budnikowski wollten schon lange aufgebrochen sein. Die Kleine, immer häßlicher werdende Stadt in Mittelhessen hat sich auserzählt. Hier scheint man glücklich zu sein, wenn man dreitausend Picknickdecken aneinander gereiht hat und es an dem Tag nicht regnete. Weltrekord. Oh sanctae Simpeleien. Und jetzt auch noch das. Mahler beginnt zu weinen. Aus heiterem Himmel über Santa Fe. Doch schnell beißt er sich die Tränen weg. Indianer donn nit kriesche. Budnikowski versteht. Aus dem Tal der Toten grüßt der perfekte Dialog.

„Sie hat Dich geliebt!“

„Ich habe sie auch geliebt!“

„Wir sind nun allein, mein Bruder!“

Mahler, Häuptling der Bear und Old Budnikowski schauen ein letztes Mal aus ihrem alten Fenster. Gegenüber pinkelt ein Mitglied von Forresters Bande gegen die Wand. Eine kleine, dicke, bebrillte Frau in einem Papageienkostüm fährt auf ihrem Fahrrad knapp am Strahl vorbei. Sie kichert. Eine Windstoß hebt sie aus dem Sattel. Leere Billigbierbüchsen rollen über den Asphalt. In der Ferne das Pfeifen der Bieberlies. Dreimal schlägt das Käuzchen. Die zwei Sänger der einsamen Zweisamkeit erheben sich. Zeit zu gehen.

„Mahler, was hatte ‘Schöner Tag’ noch zur ‘Alten Schmetterhand’ gesagt, als sie ihn nach der Schlacht von Roswell im Pueblo der Apachen gesund pflegte?“

„Wer ein Unrecht nicht verhindert, ist genauso schuldig wie derjenige, der es begeht, sagt das Gesetz der Apachen!“

„Und wohin nun?“

„Erst in die untergehende Sonne und dann zum Greystone – Canyon. Dort hatte man mich damals gefunden!“

„Wie? Wer? Wo? Wann?“

„Sie, Old Budnihand! In der Achtundvierzigsten Minute!“

aufbruch

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