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Hoy und Woj und der Osten / Und Gundi hilft IV

Freitag, 2. August 2019 16:32

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„Tja, das war wohl Heldenzeit!“

„Ist nicht jegliche Zeit nicht davor gefeit dem hungernden Volk anstelle von Wurstbroten und bezahlbarem Wohnraum Heldentum zu servieren?“

„Da haben Sie recht, Towaris Mjadwjez!“

„Und, unwesentlich eingeschoben, ist mir ein Baggerfahrer oder ein Architekt einer, wenn auch mit vielen Fehlern behafteten und aus dem Boden gestampften Stadt mit zumindest bezahlbarem Wohnraum und gesichertem Arbeitsplatz, näher als ein underbecuteter Kicker oder ein goldkettenbehängter Aggroreimer, der nicht gegen, sondern im Interesse der Spaltung einer Gesellschaft ferngesteuert rumhüpfen darf.“

„Weia, Genosse Bär, da wird aber abgewütet!“

„Verzeihung. Zurück in die Fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts und ran an unsere angelesene Erzählung. Zwischen den Baustellen fanden sich Schriftsteller freiwillig oder sanft gedrückt auf Bitterfelder Wegen und sollten vom Prolet lernen die Arbeit und lehren dem Proleten das Verfassen eines Gedichts. Prinzipiell nicht doof. Und das klang dann so. Also während der Ankunft. Herr Ernst Albert, könnten Sie noch mal vorlesen bitte?“

Gedanken über die Schönheit der Landschaft bei einer Fahrt zur Grossbaustelle ’Schwarze Pumpe’

Gegen mittag der Bauplatz,

die neue Schönere Landschaft

Schornsteine.

Montagehallen.

Stahl und Beton.

Erde, aufgerissen,

Berge, versetzt mit Maschinen und Händen,

Lärm und Staub.


Die Alten sammeln hier Reisig

Fünf mal hundert Jahre lang

Hier werden die Brikettfabriken stehen

in Fünf Jahren

und die neuen Kraftwerke.

Hier ist Schönheit.


„Wer schreibt denn so was?“

„Der zwiespältige und trotzdem große Heiner Müller.“

„Weia, um Sie zu zitieren. Meister Albert, können Sie bitte seine damalige selbstzerstörerische, aber mindestens genauso große Gefährtin Inge Müller zitieren? Das schrieb sie ein paar Wochen nach der Ankunft. Als der Alltag als Alltag akzeptiert wurde!“

Schwarze Pumpe

Fünfundfünfzig wurden wir aufgerufen

Zum Kampf gegen Bäume und Sand

WIR BAUN DEN SOZIALISMUS AUF

Stand auf rotem Tuch an der Barackenwand


Löcher hatten wir in den Schuhn

In der Kantine gab es Erbsen mit Speck

In der Zeitung stand, daß wir das Kombinat aufbaun

Wir standen bis zum Bauch im Dreck

„Tja, Heldenservierer aller Art schießen gerne an der Realität vorbei!“

„Dat iss ja auch der Grund, dat ich mich vonne ganze verlogene Götzendienst verabschiedet habe! Hömma!

„Jetzt springen Sie aber, Mejstar Lampe!“

„Iss mein Brevier!“

„Wo sitzen wir jetzt eigentlich, Genosse Woj?“

„In der Kniekehle von Gundi, lieber Bär Hoy!“

„Wie bitte?“

„Na hinten am Knie von Gundermann!“

„Geschätzter Hase, der Sie vorbereitet und offensichtlich mit angelesenem Wissen behaftet: Aufklärung bitte!“

„Also der hat hier gewohnt, als Junggeselle, nache Armee, wie er auffem Bagger gelernt hat. In dem Block mit dem Knick!“

„Was ein obszönes Riesenteil. Gewinnt jetzt bei mir auf Anhieb keine Schönheitspreise im Architektenwettbewerb!“

„Haben Sie schon mal Urlaub an den Küsten Spaniens oder der Türkei gemacht? Vor allem wenn es nix kostet?“

„Gott bewahre!“

„Eben. Trotzdem sollte das Monstrum rückgebaut werden!“

„Der übliche Aufrechtgeherzynismus! Rückbau! Zu feige um zu sagen: Fehler gemacht! Steingesichter!

Die Anwohner wehrten sich. Scheinte sogar Wirkung zu zeigen!“

„Selten genug. Tja, was so alles Denkmal werden kann!“

„Und visavis?“

„Das ist ein Nachdenkmal! Da fuhren sie – als sie noch Helden waren – täglich mit den Schichtbussen raus in den Dreck. Und der Gundi ooch! Bis die Uhr stehen blieb.

„Gibt es noch Reste?“

„Schaun wir uns morgen an!“

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Hoy und Woj und der Osten / Und Gundi hilft III

Donnerstag, 25. Juli 2019 14:09

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„Moy luby Kmotsik! Dreiundvierzig Lenze lediglich und schon Audienz beim GROSSEN STEIGER!“

„Das steht doch gar nicht auf dem großen Findling!“

„Vorbereitung, Psijasel Bär.“

„Sechsundachtzig Lenze ist des weiteren richtiger!“

„Warum nun, Meister Schlautatze?“

„Vorbereitung desgleichen, Brigader Lampe. Vor einundzwanzig Jahren stand hier, wo wir nun sitzen, der Herr Pfarrer Fink und addierte: dreiundvierzig Jahre Baggerfahrer, dreiundvierzig Jahre Musikus und Poet. Macht sechsundachtzig Jahre. Wollen Sie mein Lieblingszitat hören?“

„Wer hätte Sie jemals bremsen dürfen?“

„Sagt also Gundermann: ‘Ich glaube wer nur Kunst macht, verblödet. Und wer nur arbeitet, verblödet auch.’ Da könnte ich mich vor lauter Freude wund kratzen! Verstanden?“

„Wir sitzen hier auf einem Grab und beharken uns! Dürfen wir das überhaupt?“

„Ich glaube der Mann, welcher hier ruht, hätte damit keine Schwierigkeiten. Das Streiten, Hadern, Zweifeln, Suchen war ihm – was man hört und liest – nicht ganz so fremd.“

„Eigentlich fein. Erinnern Sie sich noch, wie wir einst in Praha in ähnlicher Situation von einer alten würdigen Dame mit Eisesblicken quasi einer Grabschändung bezichtigt wurden!“

„Der Franz K. war aber auch ein Sensibelchen!“

„Der Gundi war ja wohl auch kein Eisbrocken. Ich denke, daß der Tod seiner Grube ihm kräftig ins Lebenslicht gepustet haben dürfte. Soll ich nun mein Lieblingszitat aus dem dicken Buch von Herrn Ernst Albert?“

„Hans-Dieter Schütt!“

„Weiß ich doch. Also: sagt so ein alter Kollege aussem Tagebau zu dem etwas großmäuligen Jungspund: ‚Horche mol her, bist zwor son rechtes Oarschloch, ober die Oarbeit mochste rischtsch glasse!’ Und Gundi ist stolz. Glauben Sie der wäre rechts heute?“

„Fragen Sie mich keine Hättewärewenn-Fragen. Nee. Bestimmt nicht. Aber was die hier auf die Mütze gekriegt haben, nachdem die Landschaften zu blühen beginnen sollten. Und außerdem: Alle oder keiner!

„Aber die Tatsache, daß man seine Heimat zerstört, um sie zu erhalten? Die Dörfer wegbaggern, um die Städte und Kombinate zu heizen? Gelbe Luft und schäumende stinkende Flüsse? Und Schweigen!“

„Sind die heutigen Aufrechtgeher in ihren rollenden und aufgeblasenen Blechbüchsen weiter? Kaum! Man darf seinen Wissensgewinn via gelebtes Leben den Altvorderen nur zum Teil vorhalten. Noch stehen wir auf ihren Schultern. Das schützt davor in den steigenden Fluten unterzugehen.“

„Fluten! Gutes Stichwort, Towaris Bär. Ziehen wir ein paar Meterchen weiter.“

„Tschüß Gundi!“

„Bis bald wieder!“

„Und was sollte besser sein, als so ein Abend in Frieden?“

„Hoy, haben Sie was gesagt?“

„Njet, Woj! Haben Sie was gehört?“

(Knappe zehn Radminuten östlich des Waldfriedhofs von Hoyerswerda liegt der ehemalige, seit Jahren geflutete geflutete Tagebau ‚Scheibe’. Dort war man angekommen. Am Himmel und auch unten schob sich ein Gewitter zusammen. Hören wir mal rein ins erregte Gespräch.)

„Also wirklich, Herr Mahler .. ähem … Woy … Der Ehrenwerte Herr Ernst Albert hat doch einen an seiner Erzählerwaffel. Für ein schickes Bild setzt der uns auf eine Boje mitten im Scheibesee, etliche Meter, für ein Nichtschwimmerkarnickel wie mich gefühlte KILOMETER vom sandigen Ufer entfernt. Wenn nun ein Unwetter vom Himmel fällt und wir ins Wasser?“

„Dann rettet uns ein Engel. Die haben seit Jahren in dieser Gegend laut Gundi etliche Kapazitäten frei.“

„Mein neues Lieblingslied!“

„Psst! Ähem … warum trägt der Ernst Albert eigentlich noch seinen alten Namen auf unserer Dienstreise?“

„Nennen wir ihn Grigori Kossonossow! Der wird sich wundern!

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Hoy und Woj und der Osten / Und Gundi hilft II

Montag, 22. Juli 2019 16:43

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„Wo sind wir, Brigadier Hoy?“

„Da wo einst Kultur in die Wüste geschaufelt wurde, hier unter anderem begann es in HOYerswerda aka WOJerecy!“

„Eulen nach Sachsen tragen?“

„Quatsch, das wäre das Gegenteil davon, Towaris Woj! Hier lagen vor sechzig Jahren abertausende gerodete Kiefern auf unschuldigem Sand rum. Unter der Heide da aber lauerte die braune Kohl’. Erinnern wir uns!

„Und immer liegt sie noch rum?“

„In Massen. Damals war hier Wilder Westen. Goldgräberstimmung. Recht rüpelhaft, was man so liest! Zehn Jahre später dann aber über zwanzigtausend Neulinge in Neustadt. In Platten ohne Platten, also Neubauten, hochgestampft, aber weitgehend vergnügungsfrei.“

„Iss doof, man kann ja nicht nur arbeiten, essen und schlafen! Oder?“

„So ist es. Eine junge Schriftstellerin, die über den Bitterfelder Weg – das war so’ne eigentlich richtig gehoffte, aber leider nur verordnete Wanderroute von Kleinbürgerlichkeitsstadt in Richtung Proletariatshausen – hier landete und vehement focht für Orte der kulturellen Begegnung in Neustadt, indem sie die Sturköpfe, deren Partei immer recht hatte, mit einer lauten Eingabe irritierte!“

„Jugendclub, ok! Aber Ossi? Hießen die schon damals so? Ich dachte, dat iss eine Begrifflichkeit von neueren Datums.“

„Älter! ‚Wie der Stahl gehärtet wurde’. Der Schriftsteller. Mußten alle lesen! Damals!“

„Ach genau … der Dings … (kleines Apart) Herr Ernst Albert, können Sie mal googeln, oder es vielleicht sogar wissen tun? … Ha, genau, Nikolai Ostrowski! Standardwerk! Subbotnik! Aber wieso OSSI?“

„Die standen damals auf Abkürzungen. KPKK. GO. BPKK. MfS. IMS. NSW. ETC. ZK. zB. OK? WK eins bis zehn! Also auch OSSI!”

“Das erklären wir jetzt aber nicht, Brigadier Hoy?“

„Später mal. Mit Gundis Hilfe!“

„Da. Die Tafel. Da hinten. Sehen Sie? Der Ernst Albert macht das Vögelchen. Fröhlich sein und gucken,  Brigader ABM (ähem: Brigadier Archi Bär Mahler!) Dort ging es los mit der Brigade Kohlestück!“

„Quatsch: Brigade Feuerstein, Towaris BWK (ähem: Genosse Budnikowski Woj Kuno.)

„Ein Feuerstein ist ein Kohlestück. Begrifflich.“

„Was Sie nicht alles wissen!“

„Ja som juzo stary wuchac. Man liest, was man kann, wenn die Fremde ruft.“

„Heute gefällt mir diese Stadt! Bürger machen es selbst! Die Kultur!“

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Hoy und Woj und der Osten / Und Gundi hilft I

Samstag, 20. Juli 2019 15:49

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Die zwei Gefährten – eben noch im Turm einer griechischen Kirche dort droben über Kardamilli verweilend, um just durch das Maul eines Todesengels auf einem Friedhof nahe Keitum (auf dem ruhen u.a. die Herren Augstein und Suhrkamp) ins Welttreiben zurückzuspringen – nun in der Lausitz, in einer Stadt, welche im Laufe von 30 Jahren von einsundsiebzigtausend Anwohnern auf knappe dreißigtausend schrumpfte / einlief / zerhackstückt wurde. Aber davon später. Lassen wir die Genossen einfach hinschauen. Sie werden ihre Zeit brauchen Dinge zu verstehen.

„Hier iss auch wie Griechenland!“

„Nu?“

„Also das Phänomen!“

„Nu??“

„Wäre auch möglich im Südwesten der britischen Insel! Im Pub! Oder so ähnlich! Oder Fischbrötchen! In Kiel oder auch Inseln! Aber doch auch wie Griechenland! Vom Phänomen her!“

„Phänomen? Nu???“

„Ja also, Geschmack, Duft, Verbindungen. Klebstoff. Was wo hingehört. Weil es da geboren wurde!

„Ist das jetzt ein Plädoyer gegen alle Formen des segensreichen Internationalismus, lieber Mahler?“

„Einerseits schon, aber nicht so gedacht. Eher gegen die sinnlose Raserei der Aufrechtgeher gesprochen. Die Hälse voller als wie breit das Maul. Es ist vor allem, daß der Ouzo in Griechenland, das Stout im Pub und eben das Fischbrötchen…“

„…besser …“

„… nein, richtiger schmeckt! Zugehöriger!“

„Deshalb sitzen wir jetzt hier zwischen den Platten?“

„Ja, weil der Ernst Albert die Lieder von hier auch hier hören und spielen will und…“

„Psst! Sagen Sie ihm der soll die Musik lauter drehen. Das gefällt mir! Der ist so trauerwütend und zartaggressiv!“

„Gleich! Und der Ernst Albert sagte gestern, vielleicht kann man auch ohne Bananen glücklich sein!“

„Darf ich noch was bemerken?“

„Glück auf!“

„Glück auf!“

„Hä? Wieso äffen Sie mich nach, Herr Budnikowski!“

„Hömma, Schlaubär, meine familiären Wurzeln sind ja wohl aussem Pott wech, also quasi vonne polnischen Seiten rübergemacht inne westfälische Gruben. Da bisse genetisch am wissen tun, dat ein herzhaftes Glück auf, sofort mit die Antwort gleichen Wortlautes entgechnet werden muß, Sie Heiopei! So ist dat, Tatsache!!“

„Gut, dann heißen Sie Woj!“

„Watt?“

„Wegen die Abstammung aus der hiesigen Nachbarschaft, Hasenohr und ich bin Hoy!“

„Tja, dann wollen wir mal zusehen, dat wir uns hier nich verlaufen tun!“

„Wir werden weite Wege gehen, dabei fröhlich bleiben, ohne zu schummeln. Was schmerzt, tut weh, der Rest erfreut!“

„Wat iss mit Fliegen?“

„Tja, Rollfelder sind hier ja ein paar frei!“

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Fifty Ways to Leave Your Country / Rückkehr

Dienstag, 16. Juli 2019 16:38

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hier hat mich mein gott verlorn / und hier holt er mich wieder ein

Eigentlich wäre es das gewesen gewesen. Und Frieden geschlossen, zuvorderst mit dem einen oder anderem sich selbst. Oder so ähnlich. Zurück: Alles in allem (man rede auch von sich selbst auferlegten Verpflichtungen! Gelle!) hat das aber auch gedauert, da oben, im Hinan, wohin die zwei Pilger in Sachen Hellas aufgebrochen waren, im letzten unerträglich heißen Sommer 2018. Und die Schnauze hielten, versiegelten, schwitzend. Jedoch im Ätherischen droben, kühler ist’s da ums Gehirn und der Blick hinab auf das Aufrechtgehergewusel manchmal erhellend, inklusive des Erschreckens ohne alle Heiterkeit. Verschweigen wir aber nicht, daß die Faulheit, nicht unerheblich, die Faulheit der Arbeit eben nicht unerheblich auf den Fuß tritt, falls der nicht eh schon eingeschlafen ist. Und so wünschte man sich von dorten hinabschauend, daß so manchem Quasselkopp ebenst auch das Schweigen der Lammfrommen in die Tastatur spränge. Frommes Gewünsche! Jetzt aber wieder juckt es im eigenen Gefieder und Gefell. Und so sprang man mittels einem ‚Friedhof am Meer’ zurück ins Getriebe. Erwähnbar noch, daß der scharrende Huf des Ehrenwerten Ernst Albert die Beiden zurückruft ins bevorstehende gescheite Gequatsche. In heikler Mission. Frieden!! Vermittlung!! Zwischen oben und unten!! West und Ost!! Brüdern und Bäumen und Schwestern!! Zauberpferde und Flaschengeister!! Vögel und Kirschenesser!! Weia, weia!! Nun gut: ist doch nur’n Text, aber mit `nem Text fangen die zwei Rückkehrer erstmal an. Nennen wir sie HOY und WOY. Welcher wer? Bald!! Ganz!!

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Fifty Ways to Leave Your Country / Versenkung

Montag, 24. September 2018 13:18

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You never walk alone, when you’re skin is thin

Auf alten Pfaden wandelt man nicht allein. Alte Geschichten, Sagen, Überlieferungen, Wiedergänger, Dämonen und andere Gespinste begleiten dich, wenn Du Dir Zeit nimmst, Herz und Poren öffnest und die Suche beginnen läßt. Wer sogar über die Gabe verfügt aus sich herauszutreten und in fremde Häute zu gleiten, wird reich beschenkt werden. Die Gespenster machen ihn zum Gefährten.

So steigen unsere zwei Reisenden von Kardamilli hinauf zum Plateau von dem die alte Kirche Agia Sofia hinabblickt auf den Golf von Messenien, um mitzublicken und dies in den Häuten des alten Popen der Agia Sofia sowie seines Maulesels Spirgos von Petrovouni. Und da sie vorbeikamen an zwei vergitterten kleinen Felshöhlen, in denen der Sage nach die zwei Zeussöhne Castor und Pollux ihre Grabstätte gefunden haben sollen, hatte sich die Zahl der Bergersteiger verdoppelt, da den zwei Brüdern das Liegen in der Höhle etwas langweilig geworden war und auch die Toten ab und an Bewegung brauchen und der Blick aufs Meer schadet verstorbenen Seelen nicht.

(Ein nicht unwesentlicher Hinweis muß hier seitens des anonymen Erzählers platziert werden. Die kleine Wanderung, von der wir berichten, fand statt am Vierzehnten Juno des Jahres 2018, am Firmament regierte das Zeichen des Zwillings, dem die zwei Geminis Namensgeber waren. Später mehr davon.)

An der nächsten Ecke wieder, gepeinigt von arthritischem Stechen im maladen Knie, rastete auf einem Steine die Heilige Sophie. Sie hatte Charon becirct und dieser sie ins Diesseits gerudert, ihr aber den heiligen Schwur der Rückkehr abgenommen gegen die Androhung ewiger Verdammnis an der Seite des Fliegenden Holländers, Arien singend. Die ihr geweihte Kirche ward zum Schauplatz einer kleinen Feier auserkoren worden und da wollte sie nicht fehlen da oben, doch dieses morsche vermaledeite Gelenk, es hinderte stärker als erwartet. Man beschloß sie kurzerhand auf den Rücken des Maulesels zu setzen. Da aber der in der Mauleselhaut atmende Wanderer von Natur aus eher etwas leptosom gebaut war und ist, eilten – Oh Empathie, oh Solidarität, die Du noch beheimatet bist in den Gebüschen am Rande eines alten Monopathi hoch über Kardamilli! – ein Dutzend wuseliger Eidechsen herbei, bereit die kleine Truppen ziehend, schiebend, anfeuernd den Berg hinan zu begleiten. Es schien zu gelingen, auch wenn der Schweiß aus allen Poren der Truppe schoß. Man behauptet sogar, der Geist eines der letzten an den Hängen des Taygetos erlegten Bären habe sich in Sachen Transport der Heiligen Sophia beteiligt, maßgeblich gar.

Klären wir noch das Geheimnis der Wasserflasche. Auf den Treppen der Alten Kirche feierte – im Zeichen von Castor und Pollux geboren – die Wunderbare Eva Pelagia ihr Wiegenfest mit Wasser, Nektarinen und Keksen. Sie hatte sich gewünscht, dies einmal im Land der mit der Seele Gesuchten tun zu können. Da konnte der Ehrenwerte Ernst Albert nicht nein sagen. So geschah es. Die Gespenster tanzten mit und sangen und man nahm die Erfrischungen, welche gereicht wurden dankend entgegen.

Lesen wir zum Schluß von dem, was wir im allgemeinen Stimmengewirr den Herren Makrelios und Budnijakos zuordnen können.

„Makrelios, auf dem Abstieg aber sind Sie der Maulesel!“

„Selbstredend, Freund Budnijakos! Doch hetzen wir nicht. Dieser Moment mag länger verweilen!“

„Nichts lieber tun, als diesen Blick hinab!“

„So ist es!“

„Wohin mag jenes Seil führen?“

„Blicken wir hinan!“

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Fifty Ways to Leave Your Country / Hinan

Samstag, 22. September 2018 21:56

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Alte Wege oder Ankunft ist wichtiger als Herkunft

Auf uralten Steinen hinan. Wer sich erinnern mag, erzählt davon, daß noch vor hundert oder wenig weniger Jahren der Pope seinen Esel hinaufzog zur Kirche, geweiht dem heiligen Stefan. Wenn der Pope sich erinnern mag, erzählt er von den Vätern, die die Steine den Berg, der wohlgefällig hinab blickt auf Kardamilli, hinauf schleppten, in die ausgetrocknete Erde schlugen, einen Pfad zu schaffen. Wenn der Steineschlepper zurückblickt, wendet sich sein Erinnern in jene tosende Nacht, da ihn etwas anfaßte und sprach: Yannis, die Götter zürnen, es ist an der Zeit sie zu beruhigen. Errichte ein Gotteshaus und beuge das Knie. Da nun die Götter sich umdrehten der Zeit vor ihnen nachzusinnen, war es an ihnen zu zweifeln. „Wer von uns warf den Menschen auf diesen friedlichen Planeten?“ Doch jene bemühten sich weiterhin. Man stieg hinan. Ein jeder für sich.

Der Tag war, trotz des frühen Aufbruchs, ein heißer. Der steile Pfad war, trotz fast durchgängiger freundlicher Beschattung, Herausforderung. Das Gespräch der beiden Steiger war, trotz massiven Klärungsbedarfs, eher rudimentär. Mehr als Zitate, Fetzen, Mosaiksteinchen zu übermitteln sehen wir uns heute nicht in der Lage.

„Einfach nichts tun und dafür geachtet zu werden ist verachtenswert!“

„Ankunft ist wichtiger als Herkunft!“

„Die Welt zu ändern ist größenwahnsinnig!“

„Aber man darf die verachten, die nichts tun und nicht die, welche es wenigstens versuchen.“

„Die Welt wartet nicht auf uns!“

„Wir werden es nicht lösen!“

„Was?“

„Das Rätsel unserer Ankunft!“

„Herkunft?“

„Auskünftig werden wir schweigen!“

Auf den Tonbandaufnahmen, die wir in den Händen halten, überlagert schwerer Atem, Keuchen und Knacken der Gelenke die gesprochenen Worte. Was wir vermelden können: Agia Sofia ward glücklich erreicht. Und: Die Wasserflasche trugen andere hinan. Davon später und heute soweit Dankbarkeit.

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Fifty Ways to Leave Your Country / Ertrinken

Mittwoch, 19. September 2018 18:26

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Am Gestade wartend Mutter, Tochter, Weib, Sohn und Neffen – weinend

Seit Wochen oder Tagen saßen nun Angelos Makrelios und Kostas Budnijakos, fest umklammernd das erste aller Biere namens ALFA, ihre Taschen zu leer ein letztes, ein OMEGA zu erwerben, am Strand links von Kalamata und blickten gelassen, sorgenvoll, selbstvergessen, froh und müde hinaus auf das Meer, das herrliche, lebensspendende, beglückende, verschlingende, mordende, gnadenlose Meer. Mond fiel, Sonne stieg, Wolken zogen, Sterne einander zuzwinkernd, Kometen jagten – Wünsche fordernd – vorbei. Den Soundtrack fügen hinzu Zikadencombos und einsame Eselschreie.

Warum so lange? Warum so lange sitzen? Warum dies lange Schweigen? Zunge schwer vom geteilten ersten und letzten Biere? Sind halt faule Säcke da unten, wie die Germanenweisheiten badisch sächsisch bundesweit und ziemlich breit verkünden? Zu kurz gesprungen!

Mahler (Angelos Makrelios) und Budnikowski (Kostas Budnijakos) steckten in fremden Häuten und blickten – ALTE MÄNNER – hinaus auf’s Meer.

„Alles leer! Keine Flossen! Kein Zappeln! Schlaffe Netze!“

„Ne! Selber schuld?“

„Auch! Man denkt da sei kein Ende!“

„Die Gäste legten große Scheine auf den Tisch!“

„Und immer kleiner wurden die Fische!“

„Später dann die Tische!“

„Der Hoffnungstank schrumpfte!“

„Die Selbstverständlichkeiten rosteten wie die Leiber verschrotteter Boote.“

„Wir zimmerten unsere Särge aus dem Rümpfen untergegangener Kaiki!“

„Dann können wir auch hier sitzen bleiben und weiter treiben nach den Bieren Beta, Delta, Phi, Rho und so!“

„Schöner Reim, trifft den Keim!“

„Bleiben wir also sitzen!“

„Ne! Man mag kein reicher alter Mann werden, der auf einem Elektro – Fahrrad sein schlechtes Gewissen streichelt!“

„Drehen wir uns um! Der Taigetos!“

„Hinauf! Ohne Tricks!“

„Ach Du grüne Sieben! Wer was oder sich so alles aus dem Fenster hängt!“

„Die Unterwäsche? Ochi! Ab sofort wird geschwitzt!“

„Jetzt?“

„Na ja!“

Der Aufbruch verzögerte sich, da das bis eben noch etwas danebige Gespräch an Abgründen gewann, der Tiefe der See angemessen, jener Tiefe, in der sie alle ruhen, die Fische, die Plastikpartikel, die hoffnungsvoll Geflohenen, gierig Geflohenen, verzweifelt Geflohenen, die Lebenstraurigen, sich selber überhoben Habenden, die selbstverliebten Sportsflinten,  die verbohrten Abenteueridioten und jene, welche denen folgten, die sie vermißten. Und Ernst Hemingway ohne sein Gewehr und ohne einen ersten oder letzten Drink.

Und so stand Budnijakos auf, packte den Makrelios am traurigen Ohr und man stieg hinan. Jeder Schritt bergan pfiff frische Zweifel in die Köppe. Nach ALFA. Und vor OMEGA:

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Fifty Ways to Leave Your Country / Rückwärts

Mittwoch, 29. August 2018 18:00

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Vom Erinnern

Bereinigt von Wehmut zuerst

Dann von der Sehnsucht

Bilder, welche vorbeilaufen

An Dir, mir, anderen, einem Uns

(Gibt es nicht)

Schnipsel eines Super 8 Films

Verwuschelt liegen sie auf einem Schneidetisch

Befreit von der Diktatur einer Zeitlinie

Darf

Muß

Der Betrachter

Sagen?

Geschichten erzählen eigene Geschichten

Entziehen sich dem Starren

Bilder bleiben über

Erzählen

Wie es geschah

Oder eben nicht

So

Erinnerungen haben kurze Beine


Dies dachte einer der Beiden oder dachten die Beiden gar oder etwas, welches über den zwei Reisenden schwebte. The Ghosts of Kardamili. Alte Steine. Kann man Erinnerungen anfassen? Spazieren dann die laufenden Bilder durch die hornige Haut der Fingerspitzen ins sehnsüchtige Hirn, auf die Leinwände hinter den Augen, ins wund gelebte Herz?

„Warum rühren uns alte Steine? Was fassen sie in uns an, Mahler?“

„Man könnte es, Budnikowski, auf das Altern reduzieren. Ab einer gewissen Zahl von abgelebten Jahren auf dem Lebenskonto steht man bei einer Zugreise auf der Plattform des letzten Waggons und blickt auf die enteilenden Landschaften, die man einst durchquerte. Erinnerung. Das Bedürfnis neben dem Zugführer zu sitzen und Zukunft hoffnungsfroh zu durchschneiden schwächt sich ab bis zur Bedeutungslosigkeit.“

(Einschub: Die Herren zitieren hier – nach Absprache mit dem Ehrenwerten Herrn Ernst Albrecht – einen aserbaidschanischen Schriftsteller, der diese wunderbare Feststellung wiederum in einem Gespräch mit einem außerordentlich wunderbaren Schriftsteller auf Reisen tätigte.)

„Haben wir die Möglichkeit das Rad zurückzudrehen?“

„Leider nein, Budnikowski! Obwohl, wir täten manchmal gut daran dies zu tun.“

„Ne! Hinauszufahren aufs Meer und zu wissen, da sind noch Fische und viele. Zurückzukehren und die alten Steine erwachen zum Leben, die Körbe sind voll, die Hände greifen zu, die Katzen stürzen sich auf die Gräten und Köpfe. Man singt Lieder. Man kann davon leben, überleben, von dem was die Götter zur Verfügung stellen, die Natur bereit hält. Man versucht Vorsicht walten zu lassen!“

„Gerne! Nur ist jener Aufrechtgeher mehrheitsfähig, welcher sich ein Leben lang und müde nicht gegen die Zumutungen der Bequemlichkeit wehren mochte und uns ob solcher Äußerungen gerne der Naivität bezichtigt.“

„Aber sind das nicht die, welche immer lautstark rumfuchteln, damals auf den Schulhöfen ihrer Erinnerungen hätte man sie nie zu Wort kommen lassen?“

„Möglich. Bleiben wir auflinks und leben weiterhin in den Büchern, versuchen nicht zu vermüden und im eigenen  Bauchnabel zu übernachten!“

„Uff, lieber Mahler, und wie finden wir jetzt wieder die Abzweigung in Richtung Profanität?“

„Pool oder Kirche!“

„Wer aber fängt den Fisch?“

„Haben wir eigentlich noch Bier?“

„Morgen aber wird gewandert!“

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Fifty Ways to Leave Your Country/Verarbeitung

Freitag, 24. August 2018 16:31

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Zwischenspiel eins in Sachen Erleichterung: Mal Zeit!

Bewegung bewegt. Nicht immer und jeden jedoch, wie der Laie vermuten will. Auf Reisen mag schon mancher festgestellt haben, daß das sich Bewegen in fremdem Geländ’ gerne mal zur Verfestigung des Eigenen, Mitgebrachten, Mitgeschleppten führt, wobei – dies Charakter eines Interludium – hier die intellektuelle Speckschwarte nicht nach den großen Dingen geschmissen werden soll. Reden wir von den Därmen.

„Mahler, manchmal wird es hart in der Fremde!“

„Budnikowski, es kann aber auch sehr schnell gehen! So schnell rennt kein Bär. Und dann klemmt es!

„Da reden Sie wahr, man schwillt förmlich!“

„Nicht der Abdomen ist es, von dem ich rede, sondern von der Tür berichte ich. Fremde Schlösser, Haken, verzogenes Holz in schiefem Rahmen und hinter Ihnen der unmenschliche Druck Kahn’scher Dimension!“

„Die Antithese sei die Druckumkehr quasi! Explosion ersehnt und selbst Flecken nähme man in Kauf!“

„Das liest sich, lieber Hase, unappetitlich!“

„Die Not, mein Bär, die Kotnot! Haben Sie schon mal zwei Briketts gefrühstückt? Dann wissen Sie um dies Gefühl!“

„Ich scheue mich vor dem Vergleich, jedoch zwei Tafeln erhitzte Schokolade inside? Aua! Lassen Sie uns Küchenpsychologisches in die Luft werfen, über Hintergründe unken, Vermutungen in die gasgeschwängerte Luft schmeißen!“

„Nun, wenn sich in der Fremde Aufgenommenes verhärtet, vielleicht ist die Freude darüber dermaßen von Größe und man mag es nicht mehr gehen lassen das Neue!“

„Wäre der Umkehrschluß, daß der zur Diarrhoe neigende Reisende ein gewissenloser Gierhals ist nach dem Motto her damit, rein und raus und weiter?“

„Vielleicht mangelt es an der Bereitschaft dem Neuen eingehende Betrachtung angedeihen zu lassen! Oder Ängste, die eigentlich dem Hasen angedichtet, diesem Fluchttier!“

„Gewiß, aber das ausdauernde Rumschustern am Neuen, bis es querliegt, scheint mir auch nicht der Weisheit letzter Schluß! Sprechen wir von Entscheidungsschwäche!“

„Herr Mahler, lassen Sie uns weiterhin gelegentlich zwischenspülen!“

„Nun, wenn der Anlaß es zuläßt!“

„Oder fordert?“

„Salbei soll ja die Verdauung fördern!“

„Ich habe trotzdem Hunger!“

Dann gingen die zwei Herren erstmal was essen. Der eine mehr, der andere weniger. Einer aß die Steine mit, der Andere spuckte sie ins leere Tsipouroglas. Kali orexi!

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