Mittwoch, 13. Mai 2020 13:45
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Der Abstand? Das kann doch weg, oder?
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Die Stille mag nicht jeder leiden. Vielleicht weil sie, die Stille, ein ungewollter Blick in den Abgrund sein kann, eine kleine Vorausschau auf das, was nach dem GROSSEN TRUBEL kommt, der gerne mit Leben verwechselt wird und es bezüglich dem, was man im Abgrund erblicken mag, kein Vertun gibt und schon gar keinen Deal, der dich von der letzten Stille freikaufen kann, da die letzte Stille eben die GROSSE EINSCHRÄNKUNG ist, ohne die nicht möglich: ein Leben. Dies mag nicht jeder so sehen, gar einsehen wollen oder können. Etlichen jedoch ist die Stille ein hohes Gut und soweit es ihnen möglich ist, nehmen sie regelmäßig anständigen Abstand vom Trubel, ohne den Trubel verdammen zu wollen, aber dieser Dauerton? Eher nicht. Also reagiert man auf plötzlich vom Himmel fallende Stille sehr unterschiedlich. Viele beginnen – nach Auflösung einer ersten Schockstarre – wie am Spieß zu schreien und fordern auf der Stelle die Rückkehr des GROSSEN TRUBELS ein, uneingeschränkt. Andere wiederum, die die Stille wie einen lange vermissten Freund zu Tisch gebeten haben, wollen diese gar mehr davon ziehen lassen und verriegeln ihre Pforten der Wahrnehmung vor der Rückkehr des GROSSEN TRUBELS. Die meisten wohl wissen nicht so recht von wem sie den größeren Abstand halten mögen, vom uneingeschränkten Trubel oder – diese gerne beschränkt – der ewigen Stille.
Archibald Mahler und Kuno Budnikowski, welche die letzten Wochen am Rand der Kleinen häßlichen Stadt ohne zu murren und zu jammern und unter Zuhilfenahme unbestechlichen Maßnehmmaterials mit Anstand Abstand gehalten hatten, rumräsonierten, war es in den letzten Tagen wieder zu laut und trubelig geworden. Aus der Stadt drang das GROSSE RAUSCHEN an ihre die Stille schätzenden Ohren und Hirne und machte sie etwas hibbelig. Aber greifen wir nicht vor, sondern: also … ähem … bereit … wir könnten dann … Dings. Sie wissen!
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„Mit gebührendem Abstand betrachtet, teurer Budnikowski, der Abstand, das kann doch weg. Brauchen wir das noch? Was wäre Ihre Meinung?“
„Da liegen Sie im Prinzip vollkommen richtig, Freund Mahler, wobei ich über Einwände noch nachzusinnen habe. Man ist ja in dieser Causa recht unerfahren. Verzeihung aber, leicht irritiert frage ich: Sind Sie jetzt etwa auch ein CR?“
„Wie bitte? Ein Pöhler, wie Sie zu sagen pflegen, aus Madeira?“
„Nein diese Dings da, man wagt es ja nicht auszusprechen, diese Krönchenaufsessigen, so will ich sie mal nennen!“
„Ach so, die wegen Einschränkung Beschränkten? Gott bewahre!“
„Die waren wohl schon vor der Einschränkung beschränkt, oder? Was sagen Sie, Bär?“
„Ist zu befürchten, daß lediglich die kurze Furcht dort grundrechtlich … ähem … grundgesetzlich … Quatsch aber auch! … grundsätzlich räsonieren ließ! Weia! Zurück zu Ihrer Frage! Sie wissen, daß ich noch nie ein Bussibär war und mir ein gewisser Abstand zu anderen und auch zu mir durchaus wichtig ist, doch den aktuellen Abstand würde ich gerne durch Anstand ersetzen. Der Rest ergibt sich, teuer Hase!“
„Im Guten oder im Bösen?“
„Auch im Guten, ja, auch im Guten!“
„Da sind ja plötzlich sehr hoffnungsfroh! Was wird die Zukunft bringen? Was sagen die Sterne?“
„Ach, die Mythen des Alltags. Zukunft und Sterne! Wußten Sie eigentlich, daß das Licht, was wir als Stern am Himmelszelt betrachten, vor sechszehnhundert Jahren seine Heimat verlassen hat? Um heute auf unsere Netzhaut zu treffen! Daß also was wir erblicken eigentlich ein Gruß aus dem Jahre vierhundertzwanzig nach Christi Geburt ist?“
„Das heißt wir blicken in die Vergangenheit statt ins Ungewisse?“
„Eben!“
„In letzter Zeit konnte man, wenn man wollte, viel mehr Vergangenheit sehen in den klaren, kalten Nächten!“
„Tja, wenn der Aufrechtgeher ab und an den Ausschalter betätigt, wird es zwar dunkler um ihn herum, aber man kann sehen, was wirklich hell ist. Auch wenn es aus der Vergangenheit ins Jetzt rüberstrahlt.“
„Ist das schlecht?“
„Nicht nur, oft ist das Gegenteil der Fall!“
„Hören Sie auch, wie das schon wieder rüber rauscht aus der Stadt?“
„Budnikowski, ich mache mir Sorgen, für etliche gibt es schon wieder kein Halten mehr!“
„Aber wir halten noch ein bißchen inne, Mahler? Mit Abstand!“
„Vor allem Anstand!“
„Mit Anstand! Herr Archibald Mahler!“
„Herr Kuno Budnikowski!“
„Ich danke für das Gespräch!“
„Der Dank liegt bei mir!“
„Ach, Mahler! Das Gedicht noch, das versprochene Gedicht!“
„Oh Mist, es ist mir entfallen. Ich glaube, da unten!“
„Vorsicht! WEIA!“
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