Beiträge vom 21. Januar 2015

A. Mahler macht sich selbstständig / Erinnerung

Mittwoch, 21. Januar 2015 19:34

kiel09

Aufräumen. Gut. Erste Frage: Was befindet sich in einem Gedankenschrank? Erinnerungen, sonst nichts. Alle Gedanken – ob gelesen, vorgelesen, aufgeschnappt, geträumt, geklaut, notiert, archiviert und – sehr selten bis unmöglich – erstmalig gedacht – alle Gedanken werden im Moment des Gedachtwerdens zu nichts als Erinnerung. Und dann, beim Einsortieren in den Gedankenschrank? Was bleibt da über? Bewertung wohl. Erinnerung? Kaum. Erinnerung ist ein Fluß. Versuche einen Fluß in den Schrank einzusortieren. Und dann beschrifte die Schranktür mit einem Inhaltsverzeichnis. Geschafft? Die Erinnerung ist ein Fluß. Die Erinnerung ist kein Hoheitsgewässer. Versuche den Fluß an eine Wand in Deinem Zimmer zu nageln! Und? Du wirst einen Klempner rufen müssen. Vielleicht sogar die Feuerwehr! Hefte Dir Erinnerung ans Jackett. Und? Du wirst naß. Mancher ertrinkt sogar. Die Erinnerung ist kein Orden. Ich erinnere richtig? Du erinnerst falsch? Keiner erinnert nix! Die Erinnerung ein Fluß.

„Vielleicht kann man ihn queren, den Fluß!“ So denkt Archibald Mahler. Er sitzt am Ufer des Nord – Ostsee – Kanals. Südseite. Wik. Ihn friert. Nordwestwind. Wo ist der ehrenwerte Herr Ernst Albert? Der hat doch dieses Hotelzimmer. Vier Sterne. Beheizt. Badewanne. Fünfter Stock. Hatte er zumindest damals. Vor vier Jahren. Auf dem Kanal schieben sich haushohe Containerschiffe vorbei. So wohltuend langsam. Geräuschlos. Ein wenig stinkend. Ein Kanal ist aber kein Fluß. Ein Kanal ist eine Wasserstraße. Ein Staat, ein König, ein Land müssen gewähren, daß der Bürger, der Untertan, selbst der Steuerhinterzieher die Wasserstraße kostenfrei queren dürfen. Das kommt Archibald Mahler entgegen, der ohne einen Heller Richtung Förde aufgebrochen war. Die nächste Frage: Transportieren auch kostenfrei querbare Wasserstraßen Erinnerungen? Und: Was nix kostet? Ist das was wert? Der Bär besteigt die Fähre. Das Warnsignal ertönt. Die Fähre legt ab. So wohltuend langsam. Keineswegs geräuschlos. Ordentlich wunderbar stinkend.

„Was wohl der Budnikowski mit seiner gestrigen Botschaft meinte?“ Archibald Mahler blickt auf den Kanal mit Freude und Nachdenklichkeit. Hilfe! Ich brauche jemanden! Nicht schlecht. Vor allem beim Erinnern. „So war das doch!“ Blödsinn! „Wie war das eigentlich?“ Keine Ahnung! Von Steuerbord her nähert sich ein Boot. Name? Lotse! Die nächste Nachricht des Herrn Budnikowski? Schaden kann der nicht. Kein Lotse. Auf den Suchen. Nach der Quelle des Flußes voller Erinnerungen. Nach dem beheizten Hotelzimmer. Die Fähre legt an. Holtenau? Hä?

lotse

Thema: Aufbrüche 2015, Kieloben | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth