Archibald Mahler weiterhin am See und doch in Mittelhessen (Autobiographisches Hirnen Fünf)
Mittwoch, 24. Oktober 2012 15:26
In zwei Monaten ist die Heilige Nacht. „Vielleicht sollte ich schon mal in den Keller, das Lametta suchen, um es dann aufzubügeln.“ Ein Gedanke, den Herr Mahler sogleich verwirft. Winterschlaf, oh Du Retter vor aller Versuchung in dieser Richtung. Weiter geht es im Kopp des Bären. Nehmen wir mal an, das Bein bleibt dran und der Nagel rostet nicht, das Heimatbild bleibt demnach hängen an morscher Wand. Aber wer ist es, der nun betrachtet dieses Bild? Derjenige, der jener seiner möchte, der er war als dies Bild gemalt, geschossen, genommen, vielleicht gar sein will Bestandteil des (noch) hängenden Bildes? Ein sich den Pöter kratzender Fremder, dem das Bild keine Geschichte mehr erzählt, seine Netzhaut ihn unbeteiligt hinterläßt, dessen Haupt sich ratlos schüttelt, so feste er auch hinschauen mag? Und was sieht das Bild, schaute es zurück? Traurige Sehnsucht? Projektion und Bitte um Erlösung? Oder ruf das Bild gar: „Hau ab, Verräter! Flüchtling! Glotz den neuen Stadtplan an.“? Als Archibald Mahler sich einst am Brandplatz Archibald Mahler taufte – man weiß es nicht, aber man munkelt, dies sei eine der ersten Selbsttaufungen in Mittelhessen gewesen – war eines gewiß: da ist wieder ein Bein am Bären dran. Aber ist es tatsächlich jenes, welches ihm einst in einem Akt beispiellos sinnloser Gewalt vom Restleib gerissen? Weia, was alles an einem Wesen dran klebt, dran geklebt wurde im Laufe eines Lebens. Frage: Gehört das zu mir? Bin ich es gar? Oder kann das weg? Was ist Kunst? Heute lichten sich die Nebel nicht mehr. „Jemand muß Archibald M. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hatte, wurde er eines Sonntagnachts …“ Archibald Mahler blickt in Richtung Aspikbodensee. Er kann ihn nicht mehr sehen. Zeit zu gehen? Wer oder was spricht da in seinem Kopf? „Jemand muß Archibald M. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hatte, wurde er eines Sonntagnachts seiner Heimat verwiesen.“
Thema: Archibalds Geschichte, Im Heckerland | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth