Zurück am Fenster, Blick in den Gedankenschrank und die Notwendigkeit sich zu organinizieren
Montag, 10. Mai 2010 9:31
„Es wird hohe Zeit, daß ich beginne mich zu organinizieren!“ Dies hatte einst der berühmteste Taxifahrer der Welt namens Travis Bickle auf einen Zettel geschrieben und diesen neben seinen Badezimmerspiegel geklemmt. Da mag was dran sein. An dem Merksatz. Da saß Archibald also wieder am Fenster, an dem es begonnen hatte. War er noch jener von damals, war er ein anderer geworden? Etwas unschlüssig stand er vor seinem Gedankenschrank und blickte hinein. Viel lag da rum, an Nötigem, Unnötigem, Erhellendem und anderem Gerümpel. Was eben so im Laufe eines langen Zeitraums des Schauens und Betrachtens der Welt durch das Hirn rauscht. Eine wirkliche Ordnung war nicht zu erkennen. Doch dies war nicht des Bären Faulheit – Jaha, es gibt sie! – anzulasten, sondern der Struktur mancher Gedanken, denn selbst der unwichtigste, periphere, in Sekundenbruchteilen durchs Hirn geeilte Gedanken verfügt manchmal noch über einen sinnstiftenden Appendix und umgekehrt lagert und stapelt man gerne tausendmal durchgekautes unter der Rubrik „existentiell und zukunftsfördernd.“, und dann ist es nichts als selbstbeweihräuchernder Schrott. Da ist guter Rat teuer und die von vielen Seiten angemahnte Feng–Shuisierung der Gedankenschränke hohles und altkluges Geschwätz. Was tun?
Von Herrn Ernst Albert war heute keine Hilfe zu erwarten. „Steuererklärung!“ das war was er gesagt hatte direkt nach dem Aufstehen. Seitdem sprang er von Zettel zu Zettelchen, von Quittung zu Bescheinigung, von Formular zu Anlage und wieder zurück. Doch seine Laune war keine schlechte, denn gestern Abend hatten der gelbe Radauvogel und die Kleine Leitende Aufrechtgeherin mit den runtergezogenen Mundwinkeln und ihren schreibunten Jackets schwer einen auf den Deckel gekriegt. Das gefiel ihm.
Archibald befiel ein kurzer Moment der Trauer, als er sah, daß die große Kastanie vor seinem Fenster diesen Lenz nicht ausgetrieben hatte. Entweder die lange und gnadenlose Anwesenheit von Herrn Iwan Heribert Wintersen oder ein seltsame Krankheit hatten den Baum gemeuchelt. Wenige blätterbehangene Triebe schoben sich aus dem Stamm. So etwas sieht ein Bär nicht gerne. Hilfesuchend drehte er sich um in Richtung des Steuerfachmannes E.A. Der war mit anderem beschäftigt. Grober Klotz! Doch über dem Schreibtisch des Herrn Albert erblickte Archibald Mahler, nun wieder Bär vom Brandplatz, eine Postkarte. Ein zentraler Gedanke mit rettendem Appendix! Klar! Natürlich! Der Alte aus Bergedorf! Die Organinization! Hilfe nahte! Archibald schloß das Fenster. „Es ist immer noch schweinekalt, werter Herr Lenz! Aber jetzt weiß ich, wo anfangen!“
Thema: Archibalds Geschichte | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth