Beitrags-Archiv für die Kategory 'In Polen'

Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 19

Mittwoch, 5. September 2012 17:07

pol39

„Man hat kein anderes Material als seine Erinnerung.“

„Von Uwe Johnson? Richtig?“

„Korrekt, Budnikowski!“

„Und was hat Klaus – Jürgen Wussow gesagt?“

„Wahrscheinlich ‚Skalpell, Schere, Tupfer.’ Weshalb?“

„Kam auch in dieser Stadt zur Welt, Mahler!“

„Wenn man erst mal anfängt, sich zu erinnern! Weia die Waldfee!“

„Als würde man jemals damit aufhören!“

„Der ein oder andere bevorzugt die Amnesie!“

„Tut so, Mahler, tut so! Da können Sie sicher sein! Ich spreche aus Erfahrung!“

„Da haben Sie wohl recht! Sehen Sie das alte Rathaus! Im letzten Krieg von den Russen zerstört, als diese das Land befreiten von den doitschen Schweinepriestern, um Polen gleich danach wieder zu besetzen!“

„Wer hat das alte Rathaus wieder aufgebaut? Die hier verbliebenen Polen?“

„Polen schon, aber Polen, die in Litauen und an der Ostgrenze des Landes die neuen und nachrückenden Machthaber störten, also hierher verschickt wurden, nachdem die Westpommern – deutscher, polnischer oder gemischter Herkunft getötet, vertrieben oder geflohen waren. Der Parole Lebensraum Ost folgte der Fünfjahresplan Lebensraum West auf dem fliehenden Fuße!“

„Die etwas rudimentäre Architektur, die dieses Ding einfaßt, stört nicht wirklich! Oder, was sagen Sie?“

„Sie haben recht, seltsamerweise hat man versucht – Geldmangel hin und her – den Wiederaufbau zumindest von Grundriß und Höhe her an der zerbombten historischen  Bausubstanz auszurichten.“

„Weshalb seltsamerweise?“

„Der Architektur der Sieger mangelt es meist an Respekt.“

(Stille. Schweigen. Nachdenken.)

„Hier überlappt sich so einiges an Erinnerungen!“

„Ja, es fällt schwer, die alten Grenzen zu finden und zu begreifen, warum es sie überhaupt gab, jetzt wo sie weg sind.“

„Mahler, sie wollten sich noch an diesen Tag erinnern!“

„Ja, der 31. August. Lech Walesa. Das Danziger Abkommen. Ein nicht unwichtiger Tag, der die Mauern schon mal wanken ließ.“

„Jetzt las ich aber, das viele Polen Solidarnoc gar nicht mehr so dolle finden. Erinnern die sich auch nicht mehr?“

„Schwierig! Wenn Zeit sich dreht, gewinnen oder verlieren viele. Die wenigstens gehen durch die Geschichte gänzlich unbeleckt und immer siegreich!“

„Das sind die Schlimmsten!“

„Wahrscheinlich!“

„Und den fetten Yachthafen da unten am Haff, wer baut den?“

„Die Enkel oder Urenkel der ’45 Enteigneten!“

„Dürfen die das?“

„Die haben das Geld!“

„Schön ist die Marina aber nicht!“

„Die heilige Kuh Arbeitsplatz!“

„Und warum steht da, daß das mit europäischen Steuermitteln gefördert wird?“

„Weil die armen Kerle, die sich so ein dickes Boot kaufen, ja keine Steuern zahlen, deshalb muß man ihnen helfen!“

„Weia, Mahler, mentale Leerstände!“

„Wer sich nicht erinnern will! Da unten steht auch schon einiges leer!“

„Lassen Sie uns noch ein wenig in den Park! Mir ist schon ganz schummrig! Wenn man jetzt auch noch anfängt, sich an die Zukunft zu erinnern!“

„Danke für die Anregung! Budnikowski, sind wir heute Abend einfach nur noch Blüte! Mit unschuldigem Blick in die Abendsonne!“

„Aber morgen schauen wir wieder auf die See, Mahler!“

„Und warten auf den Sturm!“

„Shakespeare?“

pol40

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Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 18

Dienstag, 4. September 2012 20:30

pol37

„Sind wir jetzt angekommen in Kamien Pomorski, Mahler?“

„Ja, wir könnten aussteigen, Budnikowski!“

„Hat lange gedauert. Fast vier Tage!“

„Das machen wir aber der polnischen Eisenbahn nicht zum Vorwurf!“

„Die hat lediglich knappe zwei Stunden benötigt. Inklusive Umsteigevorgang. Wir aber jetzt vier Tage, das ist doch absurd!“

„Das bringen Zeitreisen manchmal mit sich!“

„Aber morgen sind wir dann da! Ich meine hier und vorhanden!“

„Morgen, Budnikowski! Versprochen!“

„Den morgigen wichtigen Tag, der vorvorgestern war, nicht vergessen, Mahler!“

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Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 17

Donnerstag, 30. August 2012 17:07

pol35

„Budnikowski, ich will das nicht sehn!“

„Einmal bitte noch mal anfassen!“

„Ja, damit Sie sich beömmeln!“

„Mahler, darf ich Sie einmal noch zitieren? Bitte!!!“

„Wenn es Sie beflügelt!“

„Also: wir hatten unverhältnismäßig lange – fast doitsch schon – auf den Gelben Saft gewartet. Sie spekulierten über Gläsermangel! Oder Ausbildungsnotstand. Dann sah man die Getränke auf dem Tresen der restauracja stehen. Dann waren diese wieder verschwunden. Endlich dann Bewegung Richtung unseren Tisches. Das leichte Grinsen auf dem Gesicht der aparten Bedienerin, als sie die Gläser vor unsere gierigen Pfoten stellte. Ihr grifft zum Glas und der Ausruf, daß man – Gläsermangel also doch – die Gefäße hier extrem heiß spüle. Und dann…hihi…ich hau mich weg!“

„Das Bier ist heiß!“

„Und schmeckt schal, aber süß!“

„Mit Honig halt!“

„Polnisch ist keine einfache Sprache und wehrt sich gegen jegliche Spekulation!“

„Nun, aber wir ließen die Getränke nicht zurückgehen. Haltung bewahren!“

„Aber das Grinsen der Bedienerin schon bei der Bestellungsaufnahme. Die Außentemperatur, Mahler, betrug weit über 20 Grad Celsius!“

„Die Eitelkeit! Ich dachte, man findet mich…wie auch immer!“

„Man möchte ja nicht wissen, welche Scherze man hinter dem Tresen riß!“

„Unser Trinkgeld war ein üppiges und nun Kultur. Besuchen wir den Geburtsort von Uwe Johnson.“

„Cammin?“

„Kamien!“

„Pomorski?“

„Genau! In Pommern!“

„Und wo sind wir jetzt!“

„Wir waren schon in den Zug eingestiegen!“

„Sie scheuen das Licht, Mahler?“

„Restscham! Morgen ist übrigens ein sehr wichtiger Tag!“

„Für uns?“

„Für unsere Nachbarn!“

„Aber da haben wir sie doch gar nicht mehr besucht gehabt!“

„Nichtsdestotrotz!“

pol36

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Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 16

Mittwoch, 29. August 2012 23:38

pol38

„Budnikowski, können Sie mir erklären, warum man hier so früh zu Abend speist?“

„Mahler, ganz einfach! Damit man anschließend noch etwas essen gehen kann!“

„Budnikowski, bitte, könnten Sie mir dieses monströse, rosarote Dingsbums nicht permanent unter die Nase halten!“

„Mahler, was haben Sie gegen Zuckerwatte?“

„Budnikowski, es war nicht meine Idee sieben verschiedene Sorten Räucherfisch durchzuprobieren!“

„Mahler, Waffeln mit Sahne und Blaubeeren und Preiselbeeren und Honig und Sahne ist auch eher Nach – als Vorspeise!“

„Budnikowski, zwischen Vor -, Zwischen- und Hauptspeise Karussell zu fahren ist meiner Meinung nach, was ist das eigentlich?“

„Unvollständig! Zwischen Hauptspeise und Dessert empfehle ich noch eine Runde Schiffschaukel!“

„Budnikowski, ich beginne Miroslav Klose zu verstehen!“

„Aha, aus gottgegebener Nachbarschaft wird mehr?“

„Nein, es geht lediglich um das BIGOS in meinem Ranzen!“

„Erklären Sie sich!“

„Klose antwortete vor der verkorksten, im entscheidenden Moment reuszlosen EM auf die Frage, was man in seiner Heimat speisen solle: unbedingt speisen solle man BIGOS, aber nie vor einem Spiel und auf keinem Fall nach einem Spiel und sonst nur, wenn es seine Großmutter zubereitet habe. Wie recht der Antigomez hatte!“

„Vor kurzer Zeit noch hörte ich Sie schmatzen und jubilieren! Ich zitiere: Mmmmmh! Göttlich! Dieses Kraut! Was die da alles reinverwursten und verfleischeln! Diese Gewürze! Göttlich!“

„Budnikowski, aus und ich bereue! Jetzt bitte rollen Sie mich an den Strand und ich heirate Sie!“

„Das geht nicht! Ich bin gegen Ehegattensplitting!“

„Meine Homepage gegen einen Liegestuhl!“

„Passen Sie auf, was Sie verlautbaren, Mahler!“

„Bitte!“

„Was halten Sie davon, kurz noch bei dem Alleinunterhalter vorbeizuschauen – er hat gerade wieder seinen Elvisschub – dazu ein paar Chips und ein Zywiec mit Preiselbeersirup?“

„Aber erst noch ein großes lody!“

„Trzy Kugeln?“

„Nie! Cztery!“

„Pan Mahler, nie rozumiem!“

„Egal, heute alles gut! Was ist das? Piwo grazy z miod?“

„Das würde ich nicht bestellen!“

„Doch! Man muß seine Nachbarn kennenlernen!“

„Ich kümmere mich schon mal um den Liegestuhl!“

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Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 15

Dienstag, 28. August 2012 21:26

pol31

„Eine seltsame Windmühle. Hält ihr Gesicht in die Winde und Stürme, aber ihre Flügel stehen still!“

„Aber schaut immer hinaus auf die See!“

„Kriegt also auch mal Wind von der Seite!“

„Oder Sturm von hinten!“

„Mahler, mehr als eine Haltungsfrage?“

„Nicht durchdrehen?“

„Polnische Haltung?“

„Maße ich mir nicht an zu beurteilen. Aber bei aller Freundschaft, Abgrenzung schadet nicht! Nicht bei jedem Hauch, den die Welt ausfurzt, mitrotieren!“

„Aber lehrt die Moderne nicht die Anpassung?“

„Die Auflösung, Budnikowski!“

„Wie?“

„Auflösung des Individuums durch gnadenlose Überzüchtung des Individuellen.“

„Aber es reagiert doch zunehmend die Masse als Masse!“

„Na ja Jeder denkt halt, er sei persönlich gemeint. Depperter Reflex!“

„Aber eine Windmühle, die ihre Flügel nicht dreht?“

„Camouflage! Sehen Sie das Auge auf der Stirn?“

„Ein Zyklop! Ein Zyklop, der warnt und die Hafeneinfahrt bewacht.“

„Wenn der die ganze Zeit rotieren würde, möchte ich nicht der Kapitän auf einem der einlaufenden Kähne sein.“

„Trotzdem gut, Mahler, daß wir uns hier in ein sturmfreies Eckchen zurückgezogen haben. Ich fürchte, sonst schwämmen wir schon da draußen in der Hafenausfahrt.“

„Da müßten wir uns ja selber retten!“

„Nicht retten lassen?“

„Aber wir waren doch die Retter!“

„Gestern!“

„Das stürmt aber auch, Budnikowski! Und morgen?“

„Mir ist nach Budenzauber!“

„Sehr gut! Das volle Programm!“

„Bitte gern, Herr Mahler. Und jetzt halten Sie mich fest. Sie sind schwerer!“

pol32

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Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 14

Montag, 27. August 2012 20:28

pol29

„Und wen retten wir jetzt?“

„Will überhaupt schon jemand gerettet werden, Budnikowski? Es ist noch recht früh!“

„Vielleicht retten wir jemanden einfach mal präventiv, Mahler!“

„Oder wir schubsen ihn ins Wasser, obwohl wir wissen, daß er nicht schwimmen kann und dann sind wir praktisch gezwungen, ihn zu retten.“

„Aber die Rechnung für den Rettungseinsatz muß er dann schon bezahlen!“

„Selbstredend! Vor allem die Zinsen!“

„Und ab wann berechnen wir die Zinsen, Mahler?“

„Natürlich ab dem Zeitpunkt, wo wir das erste Mal darüber nachgedacht haben, ihn eventuell ins Wasser zu schubsen, Herr von Lippstadt – Budnikowski!“

„Aber, werter Herr Mahler, da bitte ich aber inständig darum, daß die Spesen und alle anderen anfallenden Kosten, die im Zusammenhang mit unserer Nachdenkerei angefallen sind, doch bitte auch auf unser Konto überwiesen werden.“

„Wäre bar nicht besser?“

„Logo, auf die Hand. Aber Zinseszinsen nicht vergessen! Was jedoch, wenn jetzt jemand nicht gerettet werden will, Mahler?“

„Hallo? Das entscheiden immer noch die Retter, ob sie retten oder nicht.“

„Und was, wenn wir mal Feierabend machen wollen? Verzeihung: MÜSSEN!“

„Dann, lieber Budnikowski, gilt es vor allem darum zu sorgen, daß unser Rettungssitz nicht von fremden Pötern besetzt wird!“

„Wo kämen wir denn da hin? Außerdem müsste unser Rettungssitz dringend mal neu gestrichen werden! Und ein paar neue Aussitzpolster wären auch nicht übel!“

„Budnikowski, sehen Sie? Da draußen geht gerade jemand unter. Schicken Sie ihm die Rechnung, bevor er ganz und gar absäuft!“

(Stille. Schweigen.)

„Mahler, können Sie sich vorstellen, daß es Wesen gibt, die so denken?“

„Schlimmer noch. Sie tun es tatsächlich. Erinnern Sie sich an die zwei Schilder an dem Haus hinter der Bushaltestelle in Miedzyzdroje?“

„Sie meinen ‚Salon Gier’? War das eigentlich eine Bank?“

„Nein, so nennen unsere Nachbarn und momentanen Gastgeber ihre Spielhöhlen.“

„Nicht schlecht. Erstaunlich, daß die Polen dafür ein französisches und ein doitsches Wort benutzen.“

„Na ja, das sogenannte Europa beim Namen nennen.“

„Und der ‚Admiralclub’? Was ist das?“

„Das ist ein riesengroßer, leerer Saal, den nie jemand betritt.“

„Und zu was dient dann der leere Saal?“

„Da drinnen wohnen die ganzen Träume, die vom ‚Salon Gier’ nicht erfüllt werden.“

„Und warum stellen unsere Gastgeber eine Windmühle an den Strand?“

„Wie bitte? Wo, Budnikowski?“

„Da hinten! Sehen Sie?“

„Der Wind frischt auf!“

„Ich nenne so etwas einen Sturm.“

„Gehen wir?“

„Wir können nicht!“

„Warum?“

„Wir warteten auf den nächsten Tag!“

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Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 13

Sonntag, 26. August 2012 21:03

pol27

„Darf man dieses Bier auch trinken oder ist das jetzt Kunst, Mahler?“

„Das ist eine Frage der Verabredung!“

„Und die sähe folgendermaßen aus?“

„Na ja, das Bier einfach austrinken, ist es nicht!“

„Ja, dann denken Sie mal nach, was ES dann wäre, Mahler! Und wenn es geht, bevor ich verdurste!“

„Vielleicht muß der eine immer durch das Bier schauen, während der andere trinkt!“

„Und muß der Schauer dem Trinker währenddessen erzählen, was er sieht?“

„Nicht was er sieht, was er, also, was es mit ihm macht, Empfindung, Anregung, Zustand!“

„Durst!“

„Ich verstehe, Budnikowski, trinken Sie als erster!“

„Ich weiß, ich bin ein kulturloser Banause! Na zdrowie! Holen Sie so lange ein zweites Säftlein. Und, falls die Sonne hineinpaßt, zwei Wässerchen!“

„Das ist gut. Die Sonne paßt zwar nicht ins Wässerchen, aber so lang die Sonne im Bier verharrt, können wir ja! Sie verstehen, Budnikowski?“

„Und warum sind Sie noch nicht am Tresen?“

(Irgendwann endet der schönste Sonnenuntergang, wobei diejenigen hier oben, ganz besonders lang und intensiv sein können. Wenn sie wollen und sie das Gefühl haben, man schaut ihnen zu. Mit Hingabe und durchs Bier. Die Nacht klopft an!)

„Und was machen wir morgen?“

„Was machten wir morgen!“

„Richtig, Mahler, wir sind ja nicht live!“

„Morgen schauten wir, ob es was zu retten geben würde!“

„Aber nur, wenn derdiedas auch gerettet werden wollte!“

„Da kann man ja mal drüber disputieren. Aber erst morgen!“

„Tak! Tak! Eine Frage noch. Darf man auch ein sonnenloses Bier trinken!“

„Fangen wir halt den Mond ein!“

„Das ist aber eine ganz besondere Kunst!“

„Machen wir ein Konzept! Und richten uns darinnen ein!“

(Angeregte Gespräche. Muß man jetzt nicht alles dokumentieren.)

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Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 12

Samstag, 25. August 2012 21:31

pol25

„Sie hängen aber ganz nett in den Seilen, Pan Budnikowski!“

„Des Hasen ist eher das Feld. Aber anderes Thema: ist das hier noch Sozialismus, diese Fähre, die uns befördert über die Swine tagtäglich hin und her?“

„Sie meinen, weil diese Fähre umsonst befördert?“

„Außer die Nichtswinousjier, sollten sie ein Auto besitzen!“

„Die dürfen aber am Samstag und am Sonntag! Auch umsonst!“

„Könnten Sie bitte mal meine erste Frage beantworten, Mahler, da mich gerade die Seekrankheit anspringt!“

„Das kann sich ja hier bestenfalls um eine Flußkrankheit, oder genauer, um die Mündungsarmkrankheit handeln! Oder?“

„Nichts schlimmer als ein Mahler, den das Ohrläppchen nicht mehr juckt!“

„Verzeihen Sie, werter Freund, meine Überdrehtheit, auf Booten werde ich wach. Nein, mit Sozialismus hat es nichts zu tun, der Mündungsarm hier ist ein Wasserweg, also kein Fluß, sondern so etwas wie ein Kanal und deshalb muß er kostenfrei gequert werden dürfen.“

„Woher wissen Sie das?“

„Hat mir einstens in Kiel der Mann, der die Fähre über den Nordostseekanal schipperte erklärt, als ich ihm Geld entgegenstreckte für eine Fahrkarte und er mir dann lang und breit und norddeutsch ausführlich erzählte und diesen Vortrag natürlich auch mit etlichen Dönekes ausschmückte, von denen ich Ihnen nur das ein oder andere in angedeuteter Form, falls Sie wünschen.…“

„Pan Mahler, wir haben angelegt, was ich befürworte. Wohin heute?“

„Heute mal nach rechts. Links waren wir schon!“

(Man steigt von der Fähre und bleibt stehen. Von Lippstadt – Budnikowski hat festen Boden unter den Füßen, aber was er sieht, läßt ihn schwanken.)

„Mahler, was ist das denn?“

„Plattenbau!“

„Ich dachte Kunst!“

„Eine Frage der Bildbearbeitung!“

„Aber schon recht heftig, nicht wahr!“

„Nun gut, wann und wie ist das Ding entstanden? Armut, Wohnungsnot, ein Haufen russische ‘Freunde’ und waren Sie schon mal in Lloret del Mar?“

„Was macht man da?“

„Urlaub!“

„Und was machen wir jetzt?“

„Haben Sie schon mal den Sonnenuntergang durch ein Bierglas hindurch betrachtet, Budnikowski?“

„Ist das auch Kunst?“

„Man kann Kunst daraus machen!“

„Na dann mal los, Mischka!“

„Bitte?“

„Bärchen, aber auf russisch! Da fällt mir noch was ein. Wenn die Fähre was kosten würde, würde Sie dann schneller und besser fahren, eine Abkürzung über die Swine entdecken und die einzige Toilette wäre auch sauberer, Pan Mahler?“

„Vielleicht hat ja Herr Mehdorn noch was Zeit über!“

„Und jetzt, da vorne an der Kreuzung. Nach links?“

„Da fragen Sie mich was, Pan Budnikowski!“

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Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 11

Freitag, 24. August 2012 20:41

pol23

„Sagen Sie mal, Budnikowski, sollte man uns jetzt nicht sehen, wie wir auf dieser wackligen kleinen Holzbrücke sitzen?“

„Ja sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen, Mahler? Wagen Sie es an Ihrer Tarnkappe auch nur rumzuzuppeln!“

„Weshalb dieser strenge Ton? Wir sind hier in einem Naturreservat, einem Vogelschutzgebiet, herrliche Landschaft, Moorwiesen, Sumpfgräser, Wasserläufe, unberührt fast das alles und wir sind ganz allein.“

„Allein? Wahnsinniger! Verblendeter! Billionen und mehr dieser kleinen miesen Stechviecher umschwirren uns, haben nur ein Ziel, nämlich unsere werten Leiber auszusaugen, um noch mehr ihrer verwerflichen Brut in die schwüle Luft über dem Stettiner Haff setzen zu können. Schmarotzendes Plagepack. Mich wird daher heute niemand zu Gesicht bekommen.“

„Und Sie glauben der Unsichtbare entkommt den Stacheln des Unangenehmen?“

„Es ist ein Versuch und die Hoffnung, das muß ich Ihnen ja jetzt nicht auseinanderklamüsern. Und schwitzen Sie jetzt nicht so! Das lockt die Viecher an.“

„Dann drehen Sie halt mal das Thermostat runter!“

„Jetzt schweigen Sie und lassen Sie uns den Anblick genießen.“

(Man schaut. Naturreservat, ein Vogelschutzgebiet, herrliche Landschaft, Moorwiesen, Sumpfgräser, Wasserläufe, unberührt fast das alles und man ist ganz allein. Fast!)

„Verdammt und verfaulte Mohrrübe noch einmal!“

„Was ist los, Budnikowski!“

„Sie haben mich erwischt!“

„Wo?“

„Überall!“

„Jetzt, wo Sie es sagen, mich juckt es auch! Weia! Weg hier! Bewegung!“

„Wohin?“

„Ins nahe Dorf! Nach Karsibor! Ich meine mich zu erinnern, da gäbe es ein Skleb!“

„Wie bitte!“

„Ein Laden, ein Büdchen!“

„Und was sollen wir da?“

„Bier und Chemie!“

„Sehr gut, Mahler! Sie können ja denken! Los! Und die Tarnkappe festhalten!“

„Als wenn das jetzt noch nützen täte!“

„Egal!“

(In diesem kleinen Laden gab es wirklich alles. Chemie, Chips, Bier, Säfte, Obst, Würste, Würste, Würste, Waschmittel, mehr Chemie, Wässerchen und noch ein Bier. Man sitzt davor, auf wackeliger Bank und reibt sich ein und trinkt Bier und Säfte. Dann kommt der Bus und fährt zurück. Im Bus ein Gespräch.)

„Juckt es noch, Budnikowski?“

„Schon was besser! Und bei Ihnen, Mahler?“

„Drei im Ohrläppchen!“

„Solche Mistviecher! Aber sagen Sie mal, Mahler!“

„Bitte schön?“

„Wer war jetzt die Dame vor dem Sklep?“

„Vielleicht hätten wir sie fragen sollen!“

„Sie oder ich?“

„Budnikowski! Wir müssen aussteigen! Schnell! Vielleicht kriegen wir noch die nächste Fähre.“

„Die kriegen wir nie, Mahler!“

„Budnikowski, stellen Sie sich vor, die Drecksviecher sind hinter Ihnen her.“

pol24

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Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 10

Donnerstag, 23. August 2012 18:52

pol21

„Mensch, Mahler, schaun Sie mal zum Fenster raus!“

„Und wie soll das bitte schön gehen?“

„Unerklärlich. Vor wenigen Minuten saßen wir noch sonnenbeschienen und windumtost am Strand und jetzt Land unter.“

„Budnikowski, wir sind an der See und nicht im Solarium.“

„Aber dermaßen schnell auch!“

„Wir hatten uns noch fünf Minuten zugestanden.“

„Das kann man doch nicht wissen!“

„Jajaja, das letzte Bier war schlecht und so! Verantwortung, mein Herr!“

„Aber doch nicht für ein polnisches Unwetter, Sie Unke.“

„Vielleicht kam es aus dem Auspuff eines doitschen SUV herangerauscht!“

„Die Polen ham so was noch nicht?“

„Will ich nicht beschreien, aber entschieden weniger. Übrigens sehr angenehm.“

„Kommt noch, kommt noch. Da ist auch ihr Alterskommunismus nicht vor!“

„Ist zu befürchten, hoffen wir aber auf die heilende Kraft einer richtigen Krise.“

„Werden dann auch Medaillenspiegel abgeschafft!“

„Aus, Budnikowski!“

„Aah! Die Sonne kommt hervor.“

„Sehr gut, den Pöter weiterhin in die Höhe.“

„Eine Demonstration?“

„Nein! Trocknen!“

„Endlich, die Krise ist vorbei!“

„Wessen Hinterteil als erstes trocken, holt das nächste Wässerchen.“

„Das ist gemein. Wo meiner doch viel kleiner.“

„Das haben die Schweizer auch gedacht, bevor ihre Wirtschaft zusammenbrach.“

„Bricht!“

„Der Krug solange zum Brunnen, dem unerschöpflichen, bis!“

„Und was hat das jetzt mit Urlaub zu tun?“

„Nix, Budnikowski! Wir denken heute nur mit dem, was dem Himmel am nächsten!“

„Dem Arsch?“

„Genau!“

„Dann liegen wir ja voll im Trend, Mahler!“

„Bingo, alter Karottennager!“

„Wann fährt der Bus in den Sumpf?“

(Die Sonne nimmt Fahrt auf, die Denkpöter trocknen und man kichert vor sich hin.)

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