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Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 2

Montag, 5. November 2012 14:55

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Es gibt Orte auf dieser Welt, da versteinert man in Ehrfurcht, schweigt, als habe einem der Rebbe Lowy den Zauberzettel unter der Zunge weggezogen. Die zwei Reisenden hatten die Pinkassynagoge besichtigt. Die Namen und Todestage von 77 297 geschlachteten Juden hatte man dort von Hand an die Wände des alten Gebetshauses gemalt. Von Hand. Vacláv Bostík und Jirí John gebührt der Dank dafür. Siebenundsiebzigtausendzweihundertsiebenundneunzig Namen von Hand an die Wände des alten Gebetshauses geschrieben. Da tut Schweigen gut. Vielen Aufrechtgehern, die die Ruhestätte besuchen, scheint es schwer zu fallen, das Schweigen. Mahler legt einen Zettel auf das Grab des Golemschöpfers Jehuda Lowy (Löw) ben Bezalel. Auf den Zettel hat Mahler ein Zitat von Egon – Erwin Kisch notiert: “Du weißt doch, daß ich ein direkter Nachkomme des weisen Rabbi Löw bin, der aus Lehm den Golem modelliert hat und ihm, wenn den Juden Unrecht droht, befahl: Erhebe Dich und gehe! So einen Golem würden wir brauchen, wenn die Nazis auf uns losgehen werden. Ich würde ihm auch befehlen: Erhebe Dich und geh, die Feinde rücken auf mein Prag zu!” Manchmal gibt es welche, die ahnen nicht nur, was geschehen wird, sie wissen. Doch als der Golem einmal losmarschierte? Weia! Mahler springt ein Gedicht an. Er flüstert es in Budnikowskis Ohr.

Der Golem

Prag, das alte sagenreiche,

Barg schon viele Menschenweisheit,

Barg schon viele Menschentorheit,

Auch den hohen Rabbi Löw.

Rabbi Löw war sehr zu Hause

In den Künsten, Wissenschaften,

Und besonders in der schwarzen,

In der schweren Kabbala.

So erschuf er einen Golem,

Einen holzgeschnitzten Menschen,

Tat belebend in den Mund ihm

Einen Zauberspruch: den Schem.

Unverdrossen, als sein Diener,

Muß der Golem fegen, kochen,

Kinder wiegen, Fenster putzen,

Stiefel wichsen und so fort.

Nur am Sabbath darf er rasten;

Nahm ihm dann der hohe Rabbi

Aus dem Mund den Zauberzettel,

Stand er stockstill augenblicks.

Einmal hat er es vergessen,

Einmal, was ist da geschehen:

Rasend wurde, dwatsch der Golem,

Ein Berserker ward der Kerl.

Bäume reißt er aus der Erde,

Häuser wuppt er in die Wolken,

Schleudert Menschen in die Lüfte,

Stülpt den Hradschin auf den Kopf.

Schon im Anzug war der Sabbath,

Alle Arbeit muß nun ruhen.

Alles flüchtet, brüllt und zetert

Nach dem hohen Rabbi Löw.

Der erscheint; packt eben, eben

Noch den Tollhans am Schlafittchen,

Ist mit ihm bald oben, unten,

Bald auf Bergen, bald im Tal:

Wie ein Bändiger, der dem Pferde,

Das sich bäumt und wirft und schüttelt,

Einen Kappzaum legen möchte,

Und nun mit ihm tanzen muß.

Hopsa, hopsa, was für Sprünge!

Aber endlich glückts, er würgt ihn,

Zerrt den Schem ihm aus den Zähnen -

Und zerschmettert liegt der Kerl.

Nicht noch einmal hat der Rabbi

Einen Golem sich geschnitzelt,

Jede Lust war ihm vergangen:

Allzu klug ist manchmal dumm.

(Detlev v. Liliencron)

Budnikowski hat zugehört und sich einen Witz zum Thema Löw, Golem und Pöhlerei verkniffen, weist dann aber daraufhin, daß der Herr Kafka hier nicht begraben liegt. Mahler nickt. Genug geschwiegen.

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Thema: Praha | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 1

Samstag, 3. November 2012 16:08

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Da wäre man also. Draußen Graupel, Schneeregen und Horden von Menschen, die einem bunten Regenschirm hinterher laufen, den jemand in die Luft streckt. Das Aufrechtgeherwesen mit dem Schirm in der Hand spricht englisch, italienisch, russisch, französisch und deutsch, aber auch japanisch. Die Wesen, welche dem Schirmwesen hinterher tapern, sprechen alle Sprachen gleichzeitig und übereinander. Archibald Mahler sitzt im Café eines Museums. Gerade hat das „Sterbeglöcklein der Astronomischen Uhr geschlagen. Dann defilieren die zwölf Apostel, nachdenklich auf die Menschenmenge hinabblickend, an den zwei schmalen Fenstern vorbei. Schließlich kräht der Hahn, worauf abschließend der Stundenschlag ertönt.“ So steht das alles im Reiseführer, welcher vor Mahlers Pranke liegt, auf dem Tisch eines Cafes in einem Museum zu Prag. Gut, daß es da steht, sehen kann man es kaum, zu viel Schirme. Doch dies ist nicht, was den Mahler beschäftigt! Sondern wie und wo, bitte, geht es zum Grabe des Herrn Kafka, jetzt wo das Sterbeglöcklein ihn daran erinnert und dortselbst der Herr von Lippstadt – Budnikowski auf den Bären wartet? „Am jüdischen Friedhof, Herr Mahler!“ You name it, hare! Aber welcher denn nun? Mahler nestelt den dem Reiseführer beigefügten Stadtplan auseinander. Feuchtkalte Fremde ist schon anstrengend, aber das Auseinanderfalten eines Stadtplans und dann auch noch die Orientierung finden? Weia! Zu viel Gewusel da draußen. Aber da, hopp die Flosse, gleich ums Eck, Josefov, drei Gehminuten: der Jüdische Friedhof! „Prosim zaplatit!“ Echt preiswert hier alles. Archibald Mahler läuft los. Zweimal links, dann rechts, wieder links und wer sitzt denn da?

„Hömma, endlich Mahlerchen, dat glaub ich nicht. Kannse dat begreifen tun? Anne Außenmauer vonnen jüdischen Friedhof zu Praha? ‘Für immer Westfalenstadion’!“

„Ihr Herr Kafka ist also ein Balltreter der verehrten Borussia?“

„Quatsch, Bär. Dat iss wohl noch ausse Rosický – Zeiten über geblieben!“

„Sie überfordern mich, Budnikowski!“

„Dat kannse auch nich verstehen tun, Mahlerken. Dat iss Historie!“

„Ich vermute hinter diesen Mauern historisiert es entschieden sinnvoller! Können wir?“

„Die tun ihre Türen erst um 9 Uhr öffnen tun!“

„Budnikowski! Es ist 9 Uhr!“

„Ett iss 8! Winterzeit! Hasse wat verpennt!“

„Heißt das, wir müssen nun noch eine Stunde lang über Pöhlerei sprechen?“

„Wenn Sie dat gerne möchten tun!“

„Ach, Winterzeit nun und ich immer noch nicht im Schlafe!“

„2002 also, sach ich mal, der lange Koller und der kleine Zauberzwerg Rosický – dat war noch lange vorrem Kloppo–Hype – mit Odonkor, Ricken, Oliseh, Reina, Amoroso und alle auffem Weg inne Finanzkrise, dabei Jungkehl un Altkohler, Fistelwörns un dann Dede auf Ewerthon…! Mahler? Schlafen Sie?“

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Archibald Mahler weiterhin am See und doch in Mittelhessen (Autobiographisches Hirnen Sechs)

Donnerstag, 25. Oktober 2012 18:00

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Natürlich hat der Budnikowski mal wieder recht. Weg hier, nur weg. Leiblich und mental. Keine Fragen mehr stellen. Was hätten sie auch geantwortet, der Doktor und das Fräulein? „Wir sind nicht dazu bestellt Ihnen das zu sagen. Gehen Sie in Ihr Zimmer und warten Sie. Das Verfahren ist nun einmal eingeleitet, und Sie werden alles zur richtigen Zeit erfahren.“ Vielleicht geht es so. Keine Fragen mehr stellen, sondern warten bis dir jemand eine Frage stellt. Archibald Mahler vermeint einen Hauch von Bewegung festzustellen, an der Oberfläche des Aspikbodensees. Er verspürt wenig Lust, nun da er sich auf den Weg nach Prag gemacht hat, um sich mit Herrn Budnikowski am Grabe des Ehrenwerten Herrn Kafka zu treffen, sich noch einmal umzudrehen. Zu spät. Nein, heute fühlt er sich seit langem mal wieder richtig beieinander. Fast als seien er und er selbst und seine restlichen Varianten ein einziges Ich. Ich bin einer, so einer wie ich bin. Nicht schlecht dieses Lied. Als am Steg ein Boot anlegte, um den Bären abzuholen, war dieser schon längst unterwegs. Kein schöner Oktober dieses Jahr. Aber viel begriffen, selbst wenn es nicht zu begreifen ist.

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Da war noch was! Postnachklapp aus Polen (8)

Donnerstag, 25. Oktober 2012 10:12

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Bester Mahler!

Bin ja eigentlich ein ehrlicher Karottenfresser. Aber mit obigem Bild lüge ich Ihnen noch mal ordentlich einen in den Postkasten. Ist ja auch das Prinzip der Postkarte und der meisten Abschiede: Gehen wir ein Ründchen lügen, woll! Hömma Mahlerchen, brauch ich Ihnen ja nix vorkauen. Mann, hat das geplättert und gestürmt hier oben rechts an der guten, kalten Ostsee. Gott sei Dank haben die Polen heißes Bier mit Honig im Angebot. Sollte der arme Kuba auch trinken und sich nicht grämen tun. Aber der Sonnenuntergang von oben hat so stattgefunden. Nur watt länger her. (V)erinnerung eben. Hin un wech war ich trotzdem. Aber die dritte Meistaschaft iss nich im Garantiepaket mit vorhanden. Die Kraniche haben inzwischen die Flucht ergriffen. Denke, die sind nun sogar über Mittelhessen hinweg. Ich bleibe dennoch östlich, orientiere mich aber südlich. „Ich will doch sehen, was für Leute im Nebenzimmer sind und wie Fräulein Mario Grubach diese Störung mir gegenüber verantworten wird.“ Was halten Sie davon, wenn wir uns in Wochenfrist am Grabe des guten alten Herrn Franz Kafka treffen? Ich wäre dann dort. Hoffe nich, dat Sie schon inne Winterpennerei verfallen sind. Getz, wo der Prozeß beginnt. Mach mit inne Bande.

Bis dahin herzlichst Josef K. Budnikowski

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Archibald Mahler weiterhin am See und doch in Mittelhessen (Autobiographisches Hirnen Fünf)

Mittwoch, 24. Oktober 2012 15:26

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In zwei Monaten ist die Heilige Nacht. „Vielleicht sollte ich schon mal in den Keller, das Lametta suchen, um es dann aufzubügeln.“ Ein Gedanke, den Herr Mahler sogleich verwirft. Winterschlaf, oh Du Retter vor aller Versuchung in dieser Richtung. Weiter geht es im Kopp des Bären. Nehmen wir mal an, das Bein bleibt dran und der Nagel rostet nicht, das Heimatbild bleibt demnach hängen an morscher Wand. Aber wer ist es, der nun betrachtet dieses Bild? Derjenige, der jener seiner möchte, der er war als dies Bild gemalt, geschossen, genommen, vielleicht gar sein will Bestandteil des (noch) hängenden Bildes? Ein sich den Pöter kratzender Fremder, dem das Bild keine Geschichte mehr erzählt, seine Netzhaut ihn unbeteiligt hinterläßt, dessen Haupt sich ratlos schüttelt, so feste er auch hinschauen mag? Und was sieht das Bild, schaute es zurück? Traurige Sehnsucht? Projektion und Bitte um Erlösung? Oder ruf das Bild gar: „Hau ab, Verräter! Flüchtling! Glotz den neuen Stadtplan an.“? Als Archibald Mahler sich einst am Brandplatz Archibald Mahler taufte – man weiß es nicht, aber man munkelt, dies sei eine der ersten Selbsttaufungen in Mittelhessen gewesen – war eines gewiß: da ist wieder ein Bein am Bären dran. Aber ist es tatsächlich jenes, welches ihm einst in einem Akt beispiellos sinnloser Gewalt vom Restleib gerissen? Weia, was alles an einem Wesen dran klebt, dran geklebt wurde im Laufe eines Lebens. Frage: Gehört das zu mir? Bin ich es gar? Oder kann das weg? Was ist Kunst? Heute lichten sich die Nebel nicht mehr. „Jemand muß Archibald M. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hatte, wurde er eines Sonntagnachts …“ Archibald Mahler blickt in Richtung Aspikbodensee. Er kann ihn nicht mehr sehen. Zeit zu gehen? Wer oder was spricht da in seinem Kopf? „Jemand muß Archibald M. verleumdet haben, denn ohne daß er etwas Böses getan hatte, wurde er eines Sonntagnachts seiner Heimat verwiesen.“

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Archibald Mahler weiterhin am See und doch in Mittelhessen (Autobiographisches Hirnen Vier)

Dienstag, 23. Oktober 2012 17:53

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Gibt es so etwas wie ein Recht auf Rückfahrkarte? Oder Wiedergutmachung? Oder Heimkehr? Oder ein Recht auf unbegrenzte Reservierung von Räumen, Zimmern oder Herzen, die man einmal verlassen oder verstoßen oder verflucht oder gekündigt hat? Gut, seinem abben Bein hatte er ja nicht gekündigt, dachte Archibald Mahler, wie er so die Kreideumrisse des einst fehlenden Teiles betrachtete. Es ist wieder dran am restlichen Mahler und dies ganz ohne Abstoßungsreaktionen. Da hat man aus dem Spital namens Welt schon ganz anderes pfeifen hören. Die Narbe und die Nähte sie stören nicht weiter, aber sie sind da. Das Bein ist zurückgekehrt, aber an windigen Tagen: der Bär spürt es, als sei es ihm ein Fremdbein. Dem Bein ist daraus kein Vorwurf zu basteln und der Bär bettelt hiermit auch nicht um eine Prothese, doch Heimat ist keine Konstante und der dümmste Aufrechtgehersatz aller Seiten ist und bleibt: „Laß uns alles vergessen, was vorher war.“ Und danach vom Leben “wie früher” träumen. Weia! Gewiß, manchmal ist es tröstlich Bilder eines – in der Rückschau – beglückenden “Früher” an die Wand zu nageln. Doch wenn der Nagel rostet und bricht? Auch dies geschieht. Darf man so etwas ein schönes Lied nennen? Mahler tut es einfach. Ob er morgen mal den Aspikbodensee an eine mittelhessische Wand nageln soll?

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Archibald Mahler weiterhin am See und doch in Mittelhessen (Autobiographisches Hirnen Drei)

Montag, 22. Oktober 2012 19:30

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Die Schwermut. Ja, die Schwermut. Noch ein schönes Lied. Trotz der Schwere und der Mutlosigkeit, die damit verbunden gelegentlich. Die Schwermut ist der Bleigürtel des Nachsinnens. Beim Hinabtauchen in die Tiefen der Geschichten und Gedanken leistet sie wesentlichen Dienst. Ohne Schwermut werden die Tiefen nicht erreicht. Gewiß, kalt ist es da unten in den Tiefen, garstig und das Licht schwindet mit jedem Meter an Höhenverlust aka Tiefengewinn. Es geht nicht darum Rekorde aufzustellen. Nicht nach unten hin, nicht nach oben hin. Hoch muß, Runter muß auch. Denn genauso notwendig wie das Erschrecken beim Blick in die Tiefe: das Auftauchen aus der Tiefe, die Annäherungen ans Oben, die Rückkehr zum Licht, das Ahnen des Lichtes erst, die Ungeduld und oben dann das Wissen, nachdem du die Oberfläche von unten her durchdrungen: es ist alles noch da. Luft. Sonne. Oben. Eine gewisse Zeit lang. Dann muß man wieder runter. Als wäre man ein Grindwal. Archibald Mahler erinnert sich, wie er einst im März vor drei Jahren auf die beinlose Skizze seines Selbst starrte und nicht begreifen wollte und konnte, wer ihm da sein Bein vom Bärenleib gerissen hatte. Warum, Potzrembel die Waldfee? Gibt es da überhaupt etwas zu verstehen? Wohl kaum, im besten Falle wäre da eine Vermutung, die bedenkenswert ist. Der Großteil der Aufrechtgeher erträgt seinen eigenen Schmerz wohl nur dann, wenn er einem anderen seinen Schmerz zufügen kann. Schön doof. Fördert der Aspikbodensee diese Eigenart? Wohl kaum. Täte der Bär dies denken tun, wäre er schon in die Falle getappt. Immer noch verflucht warm. Der Winterschlaf muß warten.

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Archibald Mahler weiterhin am See und doch in Mittelhessen (Autobiographisches Hirnen Zwei)

Sonntag, 21. Oktober 2012 14:39

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Manchmal wird man seiner selbst ansichtig. Auch wenn es nur eine Skizze ist, ein Entwurf oder eben ein paar hastig hingeworfene Kreidestriche. Das ist etwas anderes, als in den Spiegel zu schauen. Man ist nicht das, was das eifrige oder zittrige Ego aus dem eigenen Spiegelbild macht. Ich bin das Gesicht, das andere an mir sehen. Sichte das Gesicht! Auch wieder ein schönes Lied. Damals, im März vor drei Jahren, saß der damals noch namenlose Bär am Brandplatz zu Gießen vor einer Skizze. Etwas bärenähnlich Beinloses hingekrakelt auf ein Mäuerchen. Alte Geschichten, kodiert lagen sie vor seiner Nase. Alte Geschichten erzählen meist von Verlust, selten von Gewinn. Um den Gewinn ein Mäuerchen des Schweigens. (Wer gescheit!) Von dem Verlust eine Erzählung ohne Lüge und mit offenem Visier und freundlichem Gesicht. (Wer nicht auf der Flucht!) Und du schaust und schaust in den Spiegel und auf die Skizzen, Striche und die verworfenen Entwürfe und immer fehlt etwas. Und wenn das, was gerade noch fehlte, plötzlich wieder da ist, fehlt etwas anderes. Oder schon wieder und zurück. Der im März vor drei Jahren noch namenlose Bär hatte einen Verlust überlebt. Und wollte wieder wer sein. Das ist ihm gelungen. Warum sitzt er dann an den Ufern des Aspikbodensees und leidet unter Seelenschüttelfrost? Weil, eben weil! Weia, ist das warm heute. Wärme kann man aber auf und in Sepiagedanken nicht spüren!

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Da war noch was! Postnachklapp aus Polen (7)

Freitag, 19. Oktober 2012 20:50

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Bester Mahler!

So ist das Leben. Erst 60 Minuten. Und dann bleiben doch noch 30 Minuten über. Und nach dem Abpfiff aka dem Sarg legt die Nation aka die Familie die Hände in die Schritte und hat es mal wieder kommen sehen. Hömma, sind denn alle mit dem Klammerbeutel verpudert oder lüg ich denn mal wieder? Das ist doch schlaumeiertechnisch gesehen alles wurst und kielbasa. Aber die polnischen Würste machen mir immer noch sehr viel Spaß. Andererseits sie sind schon sehr diätwidrig. Hier ist ständig Scheißwetter. Sogar die Briten müssen warten, bis es anpfeift. Skandalon! Ich aber finde keinen Schuldigen. In der Kirche um die Ecke ist es trocken. Da gedenkt man der abgesoffenen Seefahrer. Hoffentlich hört dieser jenseitige Regen morgen auf. Bald muß ich nach Hause. Wie sieht es bei Ihnen aus? Meine Idee reift vor sich hin und bleibt im Osten. Ich melde mich.

Bis dahin herzlichst Budnikowski

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Archibald Mahler weiterhin am See und doch in Mittelhessen (Autobiographisches Hirnen Eins)

Freitag, 19. Oktober 2012 15:03

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Der Aspikbodensee. Liegt er da so vor Mahlers Fußtatzen. Bestenfalls eine Gehirnhälfte schaut hin. Will es eigentlich auch gar nicht mehr das Hinschauen. Ein Gedanke. „Damals als mich der Ehrenwerte Ernst Albert in seine Jackentasche packte und mich trug an den Brandplatz, wegen Abbes Bein und Namensfindung.“ Die Möwen am Bodensee sind immer so laut. Entschuldigung, ihr Paniker, der Bär möchte denken. Sich erinnern. Zumindest es versuchen. Who? Who are you? Das Lied ist schön. Wo hört es der Bär? Am Kopf ? Im See? Umgekehrt? Heute stand in einer Zeitung in Mittelhessen:

(dpa) Als Fremde und Helfer haben sich Streifenbeamte im hessischen Bad Vilbel nachts für einen ausgesetzten Teddybär eingesetzt. Das etwa ein Meter große Plüschtier mit schwarzen Knopfaugen und einem Stoffherz zwischen den Tatzen saß auf einer Bank. Eine Anwohnerin rief deshalb in der Nacht mehrfach die Polizei und forderte die Abholung des Teddys. Schließlich erbarmte sich eine Streife, denn: „Wir helfen in jeder Lage.“ Das in einen Müllsack eingepackte Kuscheltier kam mit aufs Revier. Beigelegt war ein Zettel: „Teddy sucht ein neues Zuhause.“ Der bisherige Eigentümer habe aber nicht ermittelt werden können, auch eine Vermißtenmeldung liege nicht vor, hieß es in einer Meldung der Polizei. Wenn sich niemand meldet, wollen die Beamten das Kuscheltier einem Kindergarten schenken.

Mahler weiß heute nur, Polizei benötigt er nicht, wenn er mal nicht wissen sollte, wer und wohin er eigentlich ist oder sollte. Und ein Kindergarten ist keine Heimat. Für niemanden. Obwohl sich so viele erwachsene Aufrechtgeher immer wieder gerne und mit großer Verbissenheit per Patientenverfügung in einen Kindergarten einliefern lassen. Sollen sie doch! Bärenegalität das ist. Krieg allen Verwahranstalten, Friede den Sitzplätzen mit Aussicht und Horizont! Der Aspikbodensee blubbert. Mahler versteht nix.

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