Mit den Augen des befreundeten Fremd / Sechs
Montag, 8. Juni 2015 22:00
Es hatte keinen Spaß mehr gemacht. Das Blicken. Das Schauen. Das Hinsehen müssen. Die Wiederholung. Der Alltag. Und Budnikowski schaute und erblickte in den letzten Tagen und Wochen so manches direkt vor dem ihm anvertrauten Fenster. Davon reden? Davon schweigen. Budnikowski weiß nur zu gut, gerne wird nicht der Täter, sondern der Berichterstatter angepinkelt. Mahler wiederum hielt sich an die Verabredungen. Er wartete, den Rücken von der Sonne beschienen, geduldig wie nie nun, auf einen eventuellen Bericht des Hasen. Dieser schwieg. Gelegentlich ein Mümmeln, ein knirschendes. Unverständnis, behaucht von gänzlich unhasigem Wüten. Irgendwann ist auch gut. Mahler kündigt also die Vereinbarung und dreht sich um. Aha! Das macht tatsächlich keinen Spaß mehr. Das mag auch Mahler nicht mehr sehen. Tagtäglich schon gar nicht. Mahler und Budnikowski wollten schon lange aufgebrochen sein. Die Kleine, immer häßlicher werdende Stadt in Mittelhessen hat sich auserzählt. Hier scheint man glücklich zu sein, wenn man dreitausend Picknickdecken aneinander gereiht hat und es an dem Tag nicht regnete. Weltrekord. Oh sanctae Simpeleien. Und jetzt auch noch das. Mahler beginnt zu weinen. Aus heiterem Himmel über Santa Fe. Doch schnell beißt er sich die Tränen weg. Indianer donn nit kriesche. Budnikowski versteht. Aus dem Tal der Toten grüßt der perfekte Dialog.
„Sie hat Dich geliebt!“
„Ich habe sie auch geliebt!“
„Wir sind nun allein, mein Bruder!“
Mahler, Häuptling der Bear und Old Budnikowski schauen ein letztes Mal aus ihrem alten Fenster. Gegenüber pinkelt ein Mitglied von Forresters Bande gegen die Wand. Eine kleine, dicke, bebrillte Frau in einem Papageienkostüm fährt auf ihrem Fahrrad knapp am Strahl vorbei. Sie kichert. Eine Windstoß hebt sie aus dem Sattel. Leere Billigbierbüchsen rollen über den Asphalt. In der Ferne das Pfeifen der Bieberlies. Dreimal schlägt das Käuzchen. Die zwei Sänger der einsamen Zweisamkeit erheben sich. Zeit zu gehen.
„Mahler, was hatte ‘Schöner Tag’ noch zur ‘Alten Schmetterhand’ gesagt, als sie ihn nach der Schlacht von Roswell im Pueblo der Apachen gesund pflegte?“
„Wer ein Unrecht nicht verhindert, ist genauso schuldig wie derjenige, der es begeht, sagt das Gesetz der Apachen!“
„Und wohin nun?“
„Erst in die untergehende Sonne und dann zum Greystone – Canyon. Dort hatte man mich damals gefunden!“
„Wie? Wer? Wo? Wann?“
„Sie, Old Budnihand! In der Achtundvierzigsten Minute!“
Thema: Archibalds Geschichte, Das Fremd, De re publica | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth