AUF MEINEM BALKON IN DER WIEHRE 13
„Ist Ihnen nicht kalt und feucht, lieber Herr Mahler?“
„Und ob!“
„Trotzdem?“
„Sehen Sie denn? Ach ja, sie sehen ja nichts. Sähen Sie denn, würden Sie sehen, daß der nächtliche Regen, im Gegensatz zu den Vorgängerschauern des letzten Wochenendes, es nun endlich vollbracht hat diese fiese gelbe Schicht, welche seit Wochen und Einsetzen der ersten warmen Periode dieses Jahres, Baum, Busch, Blatt und Blechmilbe versiegelte und den Atem nahm, wegzuwaschen. Es ist, als ob mein Zwerchfell sich im Gleichklang mit dem nun frischgeduschten Grün hebt und senkt. Die Nase kitzelfrei und kein tränendes Aug, als dächte ich ausdauernd in Rührung und Heimweh an die Mittelhessianer, mit denen wir sonst die Höhle teilen, bester Herr Albert. Angenehmer Nebeneffekt, die Buchstabenriechleserei fällt wieder leichter.“
„Was liegt denn auf Ihrem Nachttisch, hätten Sie einen?“
„Ein Buch über eine paar Aufrechtgeher da oben im Norden, wo die tutenden Häuser auf dem Wasser rumschwimmen, und wie sie an den Tresen stehen und reden und viel trinken und die Liebe ihren Weg kreuzt und die Frauen und die Liebe wieder Ausreiß nimmt und natürlich zuerst die Frauen und dann wird noch mehr getrunken und dem Leben soviel Spaß abgerungen, bis es ordentlich weh tut!“
„Ist aber nicht sehr gesund!“
„Da sagen Sie was, lieber Herr Mahler!“
„Es gibt auch Grünen Tee!“
„Wollen Sie einen?“
„Sie haben schon verstanden, lieber Herr Albert!“