Beiträge vom 11. September 2010

Am Ende der Fahnenstange des Verstehens

Samstag, 11. September 2010 21:07

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Es gibt Fragen, deren Antwort einfach nicht existiert. Selbst falls jemand versuchen sollte, eine solche Frage zu beantworten und er würde sich dazu viel Zeit lassen oder sogar Fachleute und sonstige Schlaumeierchen um Hilfe bitten, es würde ihm nicht gelingen. Er könnte suchen und hirnen und spekulieren und Thesen und Antithesen und was auch immer aufstellen: kein Chance, weil: was es nicht gibt, gibt es nicht. Die Antwort! Und die einzige Konsequenz für jede einsichtige Seele wäre, solch eine Frage einfach nicht zu stellen oder im großen und erhabenen Stile zu verzweifeln. Darüber dachte Archibald Mahler heute aber nicht nach. Fräulein Else Sommer hatte sich nochmals erkenntlich gezeigt, das Thermometer über die Zwanziggradmarke gerubbelt und da freut sich der Bär. Die Motorhaube des wunderschönen roten Autos heizte sich langsam auf, desgleichen der Bärenpöter und von hier oben ist zudem die Aussicht eine bessere als die gestrige von der Chromstoßstange aus.  Doch die Götter sind leider große Anhänger der Ambivalenz und so servierten sie Herrn Mahler, dem in Reflexion versunkenen Bär, eine dieser oben beschriebenen Fragen. Und das eben nicht auf dem Silbertablett.

Bierflaschen. Bierdosen. Kaffeebecher. Kaffeebecherdeckel. Small. Medium. Big. Superbig. XXXXL. Monstermega! Wodkaflaschen. Rotkraut. Weißkraut. Döner mit und ohne Alufolie. Ayranbecher. Kaugummipapier. Papiertaschentücher. Plastikgabeln. Plastiklöffel. Plastikmesser. Bierflaschen. Bierdeckel. Leere Zigarettenschachteln. Zerknüllt oder in Form. Einweggrills. Brötchen. Angebissen, belegt und unbelegt. Pide. Rund oder oval. Zeitungen. Werbung. Kaffeebecher. Werbung. Werbung. Flyer. Plastiktüten. Klein, groß, mittel, leer, auch mal gefüllt. Undefinierbares. Exkremente. Von Hunden und Kindern. An ausgewählten Orten auch von Erwachsenen. Reste der Reviermarkierungen von Vier- und Zweibeinern. Fahrradreifen. Kaffeebecher. Herrenlose Einkaufswagen. Wodkaflaschen. Kleine Feiglinge. Große Feiglinge. Angebissene Äpfel. Kaffeebecher. Wo? Überall! Auf Wiesen, Gehwegen. Rund um Bushaltestellen. Unter und auf Bänken. In Einfahrten. In Hauseingängen. Neben Mülltonnen. Neben Papierkörben. In Gebüschen. An der Lahn. In der Lahn. Morgens. Mittags. Abends. Unter der Woche. Ab Freitagabend intensiver. Am Sonntagmorgen besonders intensiv. Warum?

Archibald war noch nicht bereit, wie die eine Hälfte der Aufrechtgeher einfach zu resignieren und so der anderen Hälfte der Aufrechtgeher quasi die Lizenz zum Zumüllen der öffentlichen Räume zu erteilen. Sein Restvertrauen in die Zweibeiner ließ ihn intensiv über folgende Fragen nachdenken. Warum befällt den gemeinen Trinker nach Leeren des Gefäßes diese entsetzliche Schwäche, die es ihm unmöglich macht das gerade noch kraftvoll umfaßte Leergut zu entsorgen und es so an Ort und Stelle fallenlassen zu müssen? Läßt der Genuß von Grillgut in öffentlichen Parkanlagen grünwählende und durchaus ansatzweise gebildete Studierende schlagartig erblinden, so daß sie nicht mehr in der Lage sind, die Hinterlassenschaften ihrer Paatiee wahrzunehmen, um diese zu entsorgen? Welches geheime Mittel haben die meist vorderasiatischen Mitbürger ihrem Schabefleisch beigefügt, so daß niemand in der Lage scheint seine Speise vollständig zu verzehren und so die Straßen und Gehwege – vor allem an  Sonntagmorgenden -  mit ungezählten Fragmenten von ‘Mit Fleisch von Lamm oder Huhn mit Salat und Soße mit oder ohne Alles und Scharf?’ verziert sind? Und warum haben die jungen, sehr jungen, meist zu jungen Konsumenten der transatlantischen Klopsbratereien das unstillbare Bedürfnis die Umgebung ihrer Tempel im Umkreis von bis zu zwei Kilometern mit den Verpackungen ihrer den Körper und Geist aufblähenden Mahlzeiten zu dekorieren? Oh Ihr Götter! Wird Archibald resignieren? Die gnädige Nacht senkt sich über den Schrottplatz rechter Hand der Lahn und dem Bären ist es recht. Das alte Blech unter seinem Pöter ist noch angenehm warm. Gute Nacht!

Thema: Draußen vor der Tür | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth