Die Nacht kommt und Archibald Mahler sitzt im Musentempel. „Die Mimen sind fort, die Ruh` ist zurück.“ Keine Theaterweisheit dies, doch die Ruh’ ist eine unheimliche Ruh‘, denn nicht nur die Mimen fort, nein, alle und auch der ehrenwerte Herr Ernst Albert. Archibald Mahler blickt sich um mit Nas’ und Ohr. Da liegt so einiges rum im nächtlichen Musentempel. Angedachte Sätze, Requisiten, Kleidungsstücke, zwei Akkuschrauber, vergessene Einfälle, ein vermißter Hut, weggeworfene Ideen, nicht gesagter Text, schlechte Witze, bessere Witze, ein Fernglas, mit Kritik bekritzelte Zettel, ein hingeworfener Blick, Anekdoten, Klagen, durchgebrannte Birnen, unbefruchtete Gedanken, Bananen, Plastikenten und der ganze Rest vom morgigen Tag. Ein ganzer Haufen Zeugs. Kommt schön was zusammen, wenn an einer sogenannten Produktion gebastelt wird. Der Bär hält still, bleibt zwischen all den Hinterlassenschaften sitzen und kratzt sich. Heute mal am Kopf, weil man den ganzen Krempel ordnen muß. Weil: so sieht das alles ganz lustig aus, aber länger als drei Minuten guckt da doch niemand drauf, wenn er Eintritt gezahlt hat. Aber wo und wie anfangen? Was bleibt hier, was kann fort? Was kommt in den großen Abfalleimer hinter ihm? Sind die dummen Einfälle der letzten Woche die richtigen Ideen der nächsten Tage? Oder umgekehrt? Sind die richtigen und dringend notwendigen Teile numeriert? Wo liegt die Bauanleitung? Kann man fertige Theaterabende inklusive Inbusschlüssel bei schwedischen Möbelhäusern kaufen? Wie, wenn jemand im Überschwang ein wesentliches Bauteil in den Abfallkorb geschmissen hat und jetzt findet es keiner mehr? Oder ist vielleicht das ruhige Dasitzen der Weg und die Heinzelmännchen aus Kölle stehen dort schon an der Bahnsteigkante und machen sich auf den Weg nach Mittelhessen, um hier kräftig aufzuräumen? „Entscheidungen!“ Weia! Im Halbdunkel tanzen ein paar Theatergespenster, wispern vergessene Texte wispernd, rufen immer wieder das eine Wort rufend und zeigen dem Bären eine lange Nase. Mit fingernden Fingern. „Entscheidungen! Hihi! Entscheidungen!“ Und das spürt der Bär: heut’ Nacht hilft ihm keiner. Was vorgestern war, ist längst vergessen und beim Aufräumen fängt man immer wieder von ganz vorne an. Archibald Mahler, der auf dem Teppich geblieben ist, dem Teppich, welcher Teile der kleinen Bühne im Plastikschilf bedeckt, blickt nach vorne und oben. Da brennt ein Licht. Dieses kleine gelbe Licht, welches Herr Ernst Albert oder wer auch immer vergessen hatte zu löschen, als er den Musentempel verließ. Dieses kleine gelbe Licht, das meist auf dem Tisch leuchtet, vom dem aus Herr Albert und die anderen Schauer versuchen den Überblick zu bewahren. Ha! Der Bär ist nicht dumm. „Klar ist, wer unten auf der Bühne sitzt, der weiß immer, das was fehlt, doch selten, was da fehlt! Da muß man mal von vorn und oben schauen!“ Denkt der Bär. Die Theatergespenster kichern vor sich hin. Die Altvorderen lieben es Anfänger stolpern zu sehen. Dem Bären ist das schnuppe. Er fängt jetzt an. Aufzuräumen. Ist zumindest sein Plan. Bißchen Ordnungmachen versuchen und vielleicht freut sich darüber morgen früh sein ehrenwerter Chef. Archibald Mahler nimmt am Regietisch Platz. „Aha! So ist das also!“
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