Beitrags-Archiv für die Kategory 'Das Fremd'

Mit den Augen des befreundeten Fremd / Sechs

Montag, 8. Juni 2015 22:00

clo

Es hatte keinen Spaß mehr gemacht. Das Blicken. Das Schauen. Das Hinsehen müssen. Die Wiederholung. Der Alltag. Und Budnikowski schaute und erblickte in den letzten Tagen und Wochen so manches direkt vor dem ihm anvertrauten Fenster. Davon reden? Davon schweigen. Budnikowski weiß nur zu gut, gerne wird nicht der Täter, sondern der Berichterstatter angepinkelt. Mahler wiederum hielt sich an die Verabredungen. Er wartete, den Rücken von der Sonne beschienen, geduldig wie nie nun, auf einen eventuellen Bericht des Hasen. Dieser schwieg. Gelegentlich ein Mümmeln, ein knirschendes. Unverständnis, behaucht von gänzlich unhasigem Wüten. Irgendwann ist auch gut. Mahler kündigt also die Vereinbarung und dreht sich um. Aha! Das macht tatsächlich keinen Spaß mehr. Das mag auch Mahler nicht mehr sehen. Tagtäglich schon gar nicht. Mahler und Budnikowski wollten schon lange aufgebrochen sein. Die Kleine, immer häßlicher werdende Stadt in Mittelhessen hat sich auserzählt. Hier scheint man glücklich zu sein, wenn man dreitausend Picknickdecken aneinander gereiht hat und es an dem Tag nicht regnete. Weltrekord. Oh sanctae Simpeleien. Und jetzt auch noch das. Mahler beginnt zu weinen. Aus heiterem Himmel über Santa Fe. Doch schnell beißt er sich die Tränen weg. Indianer donn nit kriesche. Budnikowski versteht. Aus dem Tal der Toten grüßt der perfekte Dialog.

„Sie hat Dich geliebt!“

„Ich habe sie auch geliebt!“

„Wir sind nun allein, mein Bruder!“

Mahler, Häuptling der Bear und Old Budnikowski schauen ein letztes Mal aus ihrem alten Fenster. Gegenüber pinkelt ein Mitglied von Forresters Bande gegen die Wand. Eine kleine, dicke, bebrillte Frau in einem Papageienkostüm fährt auf ihrem Fahrrad knapp am Strahl vorbei. Sie kichert. Eine Windstoß hebt sie aus dem Sattel. Leere Billigbierbüchsen rollen über den Asphalt. In der Ferne das Pfeifen der Bieberlies. Dreimal schlägt das Käuzchen. Die zwei Sänger der einsamen Zweisamkeit erheben sich. Zeit zu gehen.

„Mahler, was hatte ‘Schöner Tag’ noch zur ‘Alten Schmetterhand’ gesagt, als sie ihn nach der Schlacht von Roswell im Pueblo der Apachen gesund pflegte?“

„Wer ein Unrecht nicht verhindert, ist genauso schuldig wie derjenige, der es begeht, sagt das Gesetz der Apachen!“

„Und wohin nun?“

„Erst in die untergehende Sonne und dann zum Greystone – Canyon. Dort hatte man mich damals gefunden!“

„Wie? Wer? Wo? Wann?“

„Sie, Old Budnihand! In der Achtundvierzigsten Minute!“

aufbruch

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Mit den Augen des befreundeten Fremd / Fünf

Freitag, 22. Mai 2015 21:36

fenster5

Alle reden vom Wettern, Budnikowski aber blickt weiter. Es besteht immer die Möglichkeit ein Gemeines Blutströpfchen zu erspähen, eine Gammaeule, einen Admiral. Eventuell und gerade heute fällt ein Mönchs – Kotkäfer, eine Blattschneiderbiene oder gar ein Trauerrosenkäfer ins Auge. Malt sich da ein Pinselkäfer ins Bild? Die Möglichkeit besteht. Jedoch besteht ebenfalls die Möglichkeit, daß alles Getier heute streikt und die Leinwand vor des Betrachters Auge öd und leer. Diese Möglichkeit besteht durchaus. Dann mag der Blick schweifen gen Innerei. Das tut der Mahler eben, wobei die Innerei in diesem Fall kein seelisches oder anderweitiges Gekröse darstellt, sondern den Raum hinter dem Fenster, durch welches Budnikowski hinausblickt. In diesem Raum, am anderen Ende des Raums, unter dem gegenüberliegenden Fenster zum Hinterhof hin, da steht ein Schreibtisch. Es ist der Schreibtisch des Herrn Ernst Albert. Auf dem Schreibtisch liegt ein aufgeschlagenes Buch. Mahler räuspert sich. Budnikowski erschrickt, kippt nach vorn und berührt die Fensterscheibe. Leichtes Scheppern. Vibration.

„Aua und verdammt! Mahler, elender! Jetzt ist der Pinselkäfer verschreckt davon.“

„Oh! Verzeihen Sie bitte! Aber dieses Gedicht da!“

„Ich weiß! ‘Krulls!’ Das Gedicht von Herrn Robert Schindel in diesen aufgeschlagenen Buch auf Ernst Alberts Schreibtisch. Ich kann es aufsagen, wenn gewünscht.“

„Haben Sie auch hinten Augen?“

„Das nicht, aber Sie haben mich gebeten für Sie zu schauen und ich pflege die mir gestellten Aufgaben ernst zu nehmen. Also hören Sie:

Krulls

1

Manche werfen zu viel ihrer Wörter

Aus der Seelengehirnfalte raus in den Schlund

Ohne fünf Texte ist der Tag gar nicht fertig

Stehn am Muskel und schleudern

Das Echo des Eignen auf den Marktplatz

Stapeln die Empfindlichkeit hoch die überwächst

Das genickgerechte Schauen. Durchfall

Des Wortdirigats und Winde. Sonnen

Fallen aufs Wortwerk, die Schatten im Ton

2

Nichtmal im Ton, die Wortscheißerei

Lässt zurück das lautlose widerristliche Harren

Zu viel schreiben viele. Die Krulls. Zu wenig

Noch mehr

Das war’s.“

„Weia! Und wer sind wir?“

„Tja, wenn ich das wüßte. Wir finden es aber raus!“

„Eine Idee, Herr Budnikowski?“

„Wir verabschieden uns und lassen nur mehr schauen.“

„Für uns?“

„Quatsch! Auf uns!“

„Na dann!“

„Darf ich jetzt weiter blicken! Der Pinselkäfer tunkt sich eben in den Farbtopf!“

„Gerne!“

„Danke, Herr Mahler.“

(Fortsetzung folgt)

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Mit den Augen des befreundeten Fremd / Vier

Montag, 18. Mai 2015 21:08

fenster4

Budnikowski brauche immer soooo lange. Es läge vielleicht an seinem kleineren Kopp. Bis der mal Gesehenes verarbeitet und eingeordnet habe! Weia! Und welche Menge an Gedanken soll in dieser Nußschale schon Platz finden? Potzrembel! Du bleibst, was Du bist! Genau! Man murmelt so einiges. Doch Vorsicht, schnell ist das Urteil gefällt, welches am nächsten Tag dir auf die ungewaschenen Füße fällt. Mahler bekämpft seine Ungeduld. Eine fundamental unbärige Eigenschaft, die ihn aber befällt seit jenem Tage, da er seinen Blick dem Freund und so dem Fremd zur Verfügung gestellt hatte. Das Beifahrersyndrom! Demnach weiterhin Ruhe zwischen Bär und Hase. Und sonst? Budnikowskis Blicken hatte in den letzten Stunden oder Tagen die Straße gequert, ist zweimal rechts und einmal links abgebogen, trat durchs offene Eisentor und befand sich im Botanischen Garten. Und siehe da: durch die liebenswert milde Lenzluft taumeln und schwirren Dornröschen – Bläuling, Nierenfleck, Taubenschwänzchen, Großer Kohlweißling und der Wasserlinsenzünsler.  In den Beeten und Rabatten kriechen und krabbeln Rothalsbock, Weißpunktiger Schertlilienrüssler, Rothalsiges Getreidehähnchen, 12 – Punkt – Spargelhähnchen und mancher Gemeine Rosenkäfer. Pardauz, fiel dort nicht ein Stolperkäfer über eines seiner Beine?  Zwischen Ästen und Blattwerk weben und gestalten ihre Netze und Stuben  Streckerspinne, Gewächshaus – Springspinne, Zebraspringspinne, Gemeine Baldachin – Springspinne und die Veränderliche Krabbenspinne. Es summen und tönen zwischen Wegen und Büschen Späte Großstirnschwebfliege, Gemeine Narzissenfliege, Scheinbauch – Keilfleckschwebfliege, Gemeine Trauerbiene und einige Gemeine Stubenfliegen, die wohl Ausgang haben. Den Teich durchquert ein Gemeiner Rückenschwimmer und dem Budnikowski juckt das Fell. Ist es die Beifuß – Weichwanze? Die Grüne Stinkwanze gar? Oder nur eine gemeine Gemeine Feuerwanze? Und da ein Vierzehnpunkt – Marienkäfer. Der muß wohl nächstes Wochenende absteigen? Der Glückliche! Und Budnikowski sieht noch viel mehr an Gekreuch und Gefleuch, da aber stellt Mahler seine Frage.

„Budnikowski? Und das alles sehen Sie und wissen sogar die Namen und Bezeichnungen?“

„Ja, Mahler, ja! Aber erst las ich, dann sah ich, was ich sah!“

„Ihr Fremd bediente sich bei einem weiteren Fremd?“

„So ähnlich. Der Wahrheit die Ehre! Kaum etwas von dem, was ward beschrieben, ich sah es denn. Aber seit ich von der Existenz all dieser Wesen las und so weiß, habe ich Hoffnung, diese zu erblicken. Ist das nicht toll?“

„Ja, das gefällt mir gut. Und verzeihen Sie bitte meine an ihr Ufer schwappende Ungeduld.“

„Warten wir! Soll ich sagen, was es noch alles gibt?“

„Heute nicht mehr. Sehen Sie dort den Totenkopfschwertflieger?“

„Ich pfeif das alte lustige Liedlein.“

(Fortsetzung folgt)

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Mit den Augen des befreundeten Fremd / Drei

Mittwoch, 13. Mai 2015 21:09

fenster3

Budnikowski tut so als ob. Was bleibt ihm anderes übrig. „Am abben Bein vorbei gucken!“ Der Mahler kommt aber auch auf Ideen. Die Not wird es wohl sein. Nun gut, der Mahler ist dem Budnikowski ans Hasenherz gewachsen, aber zaubern oder Wunder vollbringen kann er deshalb noch lange nicht. Das abbe Bein rechts liegen lassen! Oder links! Hömma, iss man Lionel, der argentinische Rasenrastelli? Also simuliert Budnikowski lediglich ein Schauen. Den Blick stier gerichtet durchs Fenster auf eine Welt, die stündlich auf die Resettaste zu drücken scheint und sich dabei doch nichts Neues einfallen lässt als Wiederholung auf Wiederholung grinsekatziger Nichtigkeiten. Schlimm ist dies weiter nicht, schlimm allein ist die Erwartung, die Erwartung ein Drücken solcher Taste ändere irgendetwas am gnadenlosen Gleichmaß der Ein – und Ausatmerei des Großen Geistes. Geben. Nehmen. Erschaffen. Zerstören. So nun die Scheibe Welt plan und matt vor des Hasen gefurchter Stirn und dem Aug’ gegenüber nüscht als Huschen, Bewegung ziellos, manisch, verzweifelt und fröhlich, tapfer und blind, jeglichen Sinn verleugnend, als sich selber als vorhanden und so als gewichtig zu feiern. Gut so. Das Hirn des Schausimulierers, wohltuend leer fühlt es sich an, der Blick ruht aus pupillenstill und schweift mal nicht gen Innereien. Aber da wäre noch das abbe Bein. Der Auftrag. Die Bitte. Ein Einfall fasst den Budnikowski an. Er spricht also.

„Mahler?“

„Ja? Was sieht das Medium?“

„Ich denke, also blind ich!“

„Budnikowski, bester! Hunderte mal blickte ich aus dem Fenster hinaus und sie nach dem dritten oder vierten Male hauen mir erkenntnisschwangere Wortbasteleien ums Ohr!“

„Es ist lediglich das Fremd!“

„Ich lausche!“

„Sie müssen alles umdrehen!”

„Was bedeutet dies? Wir sitzen hinter dem Fenster als säßen wir davor?“

„So ähnlich! Stellen wir uns vor, ich blicke am abben Bein vorbei und es ist gar nicht das ihrige!“

„Das ist Blödsinn! Hier! Sehen Sie! Fassen Sie an!“

„Das geht schon nicht ab von ihrem Leib oder ihrer Seele ihr heiliges abbes Bein, wenn Sie es mal jemanden anderen überantworten, zeitweilig!“

„Budnikowski, Mann! Sie überfordern mich! Jetzt schauen Sie bitte aus dem Fenster und morgen will ich von Ihnen lediglich erfahren, was die Blumen tun!“

„Wie bär es wünscht! Ihr Auftrag, mein Blick!“

Und Budnikowski sieht ein abbes Bein da unten auf der Straße liegen, das legendäre abbe Bein des Archibald Mahler. Um das Bein herum schwellen Pfützen und Hagelkorn trommelt auf das Pflaster. Und wo gestern oder vorgestern noch Fäden – Zeugen einer noch nicht begriffenen Tat – aus dem oberen Teil des Beines ragten, da wachsen heute blaßrote Tulpen und recken ihre Köpfe in den Gewittersturm. Und Budnikowski summt ein altes Lied. Und Mahler nickt dazu, rhythmisch. Hat er schon lange nicht mehr gemacht.

(Fortsetzung folgt)

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Mit den Augen des befreundeten Fremd / Zwei

Dienstag, 12. Mai 2015 19:56

fenster2

Mahler beginnt zu zweifeln. Budnikowski schaut und sacht nüscht. Schaut der dann überhaupt? Hömma, dat iss ebend dat Problem. Budnikowski schaut hin und her und schaut und findet und verwirft und ist gewissenhaft und schaut. Wer sagt, daß man Mitteilung machen muß, wenn man schaut? Mahler täte aber gerne was wissen wollen und ob hinter seinem Rücken Welt noch stattfindet ist ihm durchaus von Interesse. Hömma, dat iss ebend dat Problem. Die Welt tut dat nich mal mitkriegen tun mit des Mahlers sein haarigen Rückenteil und dat mit die ganze Versuchsanordnung am hessischen Fensterbrett. Das ist dem Mahler vollkommen klar, aber der Unruhe, welche im Bären steppt, offensichtlich nicht. Der Stolz nun, welcher auch in Mahler ruht und sich dort mit manchem moralischen Axiom das durchwühlte Lager teilt, lässt ungeduldige Nachfrage nicht zu. Was tun? Zu spät jedoch die falsche Bescheidenheit des Mahler, denn Budnikowski spürt trotz aller eigner Aufgeregtheit und angespannter Pflichtbewußtheit der neuen Aufgabe gegenüber, wie hinter seinem Rücken ein Bärenkosmos unruhig vibriert. Ein erster Satz mag sich so bilden, dann formen im Bereich der Sprechmuskulatur. Doch er wird noch gebremst von Onkel Kleinhirn und anderen Prinzipienreitern. Spürt Budnikowski da, nachschmeckend noch was ihm eben fast auf der Zunge gelegen wäre, einen Bärenellenbogen in den dürren Rippen? Der sinnende Hase räuspert sich, spannt Gaumensegel und Zungenboden, sucht nach neuen Textbausteinen, um seiner Empörung angesichts unangemessener Ungeduld und egomaner Drängelei Ausdruck zu verleihen, als er einen tiefen Bärenseufzer vernimmt und – zeitgleich fast – ein hingehauchter Bärensatz seine Löffel vibrieren lässt.

„Budnikowski? Ist das abbe Bein noch da?“

„Mahler! Das abbe Bein ist immer da!“

„Ich meinte, liegt das abbe Bein noch auf der Straße? Vor Ihrem wachen Aug’?“

„Das kann ich nicht sehen!“

„Ja schauen Sie denn nicht?“

„Ob das abbe Bein jetzt da liegt oder nicht, es ist immer da! Das sehe ich.“

„Das können Sie sehen?“

„Das ist der Vorteil des Fremd!“

„Das verstehe ich nicht.“

„Mahler! Auch wenn Ihr abbes Bein an Ihnen dran ist, liegt es da unten rum. Selbst wenn es da nicht rumliegt. Sie haben mich gebeten für Sie zu schauen und also sehe ich nur abbes Bein!“

„Habe ich immer nur abbes Bein gesehen, als ich schaute?“

„Geht gar nicht anders. So ist die Welt!“

„Sie sagen, mein abbes Bein ist die Welt, die mein?“

„Oft ist das so!“

„Budnikowski? Könnten Sie für mich das abbe Bein wegschauen?“

„Kaum! Ich könnte versuchen daran vorbei zu blicken.“

„Und das abbe Bein links liegen lassen?“

„Oder rechts!“

„Wollen Sie das mal versuchen!“

„Gerne. Und jetzt bitte Ruhe im Bärenfell! Hören Sie?

(Fortsetzung folgt)

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Mit den Augen des befreundeten Fremd / Dank

Sonntag, 10. Mai 2015 11:37

feiertag

Satz mit x. Die Versuchsanordnung wurde nach dem ersten Treffen inne Tonne gekloppt. Ein Tadel eilt heran und erteilt sich den Laboranten. Die denken gar nicht daran schuldbewußt zu nicken. “Aber der vorgestrige Freitag war als fester erster Versuchstag gebucht und angekündigt.” So war der Vorwurf.  Gespannt lauschen wir dem Dialog von den Gründen.

„Mensch, Budnikowski, da haben wir ja gerade noch mal die Kurve gekriegt!“

„Den Göttern eines wie auch immer schmerzhaften Friedens sei Dank. Am 8. Mai zu arbeiten gehört sich wirklich nicht.“

„Das Antiquariat gegenüber hatte auch geschlossen letzten Freitag!“

„Der hat ja immer noch ein ‘Je suis Charlie’ – Plakat im Fenster hängen!“

„Solange sie es nicht einschmeißen!“

„Mahler, passen Sie auf, daß Sie wegen dieser Äußerung nicht beschimpft werden in den Netzen und Blöcken!“

„Ja, ich weiß. Schlimmer als ein Waffenhändler ist immer noch ein Intellektueller!“

„Tja, man mag es fast glauben, liest man die Ergüsse der ständig wachsenden Gemeinde der DasMußManDochMalSagen-Dürfer!“

„Wahrscheinlich haben die fürchterliche Angst im Main der veröffentlichen Meinung zu ertrinken und versuchen sich deshalb in manifesten Denkimitationen! Den Versuch einer Erklärung, die im Bereich einer Annäherung an (Teil)Wahrheiten stehen bleibt, zu ertragen und sich selbst als außen vor zu begreifen, ist nicht einfach. Her mit den Schuldigen!“

„Mama!“

„Gewagter Schlenker, lieber Budnikowski!“

„Ja, weil wir heute auch nicht arbeiten dürfen!“

„Haben Sie eigentlich eine Mutter!“

„Die Mär geht, man habe mich an einer Autobahnraststätte erstanden. Man kam von einer Pöhlerei.“

„Sie sind käuflich?“

„Wer ist das nicht, Herr Mahler! Und Ihre Frau Mama? Oder stammen Sie direkt von Matunus ab, der Sie auf die Erde sandte, nach den Aufrechtgehern zu sehen?“

„Ich bin ja kein katalanischer Fuchtelaugust in zu engen Hosen!“

„Hömma, dat Thema iss mein Brevier.  Desweiteren: Ihre Antwort fehlt noch, die auf den ersten Teil meiner Frage!“

„Meine wesentlichen Erinnerungen setzen erst nach dem abben Bein ein. Der Rest davor ist zu schwammig und jede Äußerung dazu wäre bloße Spekulation verbunden mit der Gefahr sich im Vorwurf zu verheddern. Aber ich gehe prinzipiell von der Existenz meiner Mutter aus. Und bei Ihnen?“

„Wollen Sie mich adoptieren, Herr Mahler?“

„Um mir dann ein Leben lang Vorhaltungen machen? Nein danke!“

„Nun gut. Wollen wir ein Lied anhören und aller Mütter dankend gedenken, auch wenn wir die unserigen noch suchen müssen?“

„Wissen Sie, mancher der, obwohl er eine wunderbare Mutter hat, sucht den Idealentwurf seiner Mutter auch ein Leben lang. Dummerweise haben aber Mütter auch Mütter. Und die Suche höret nimmer auf!“

„Tja, vergißt man gerne. Ähem, das Lied ist sehr kitschig und sehr alt! Nur als Warnung!“

„Wenn Erinnerungen damit verbunden sind, geht das schon in Ordnung! Drücken Sie auf die Taste!“

„Und wissen Sie was, Väter haben ja auch Väter!“

„Später! Los jetzt! Das Lied!“

(Man hört das Liedchen. Und gedenkt. Die Tulpen öffnen sich. Das Hase bleibt etwas unruhig. Sein Naturell.)

„Mahler?“

„Ja, was ist denn schon wieder?“

„Die Blumen sind schön!“

„Das sehe ich doch, Budnikowski.“

„Aber manchmal muß man es auch sagen.“

„Nervsack!“

„Los!“

„Ok! Die Blumen sind schön. Sehr schön sogar.“

„Geht doch! Danke!“

(Fortsetzung folgt.)

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Mit den Augen des befreundeten Fremd / Eins

Donnerstag, 7. Mai 2015 17:57

fenster1

Vom Regelwerk heute und der Tat

Archibald Mahler lässt schauen. Aha! Der Herr von A PUNKT Mahler lassen ab sofort schauen. Hört hört! Ach? Ach! Gründe wird er wohl haben. Ob er nun müde oder angeschlagen oder angewidert oder ein arroganter Schnösel oder einfach nur einfach ist, was er eben ist, es ändert nichts an der Tat, der Vorgang bleibt der, welchen er darstellt und zwar selbiger: Archibald Mahler lässt schauen und der Herr von und zu Lippstadt – Budnikowski übernimmt dies für ihn. Der wiederum weiß warum er diese Aufgabe übernommen hat, denn auch er hat gründlich Gründe. Welcher Natur diese sind, ob er vom Helfersyndrom angefasst ist, von der Selbstsucht gar, der Hase lediglich eine Selbstverständlichkeit leistet, man ihn überrumpelt hat, er Größe findet in tätiger Naivität, er sich an etwas zu erinnern sucht, was sich wie eine Freundschaft anfühlen möge, wir wissen es nicht. Wir sehen lediglich ein Handeln. Das möge uns reichen. Nennen wir den Vorgang vorläufig eine Versuchsanordnung.

Im folgenden werden die zwei Teilnehmer, Laboranten, Versuchskaninchen und – bären versuchen ein grobes Regelwerk zu erstellen. Wer mal Kind war, mag sich daran erinnern, daß der Erstellung eines dem Spiel vorauseilenden Regelwerks oft mehr Reiz innewohnt als dem Spiele selbst. Auch wurde schon oft festgestellt, daß der Energieaufwand, der beim Finden und Festsetzen von Regeln betrieben wird, ein dermaßen gewaltiger ist, daß für den Vollzug eines angestrebten Spiels nicht mehr allzu viel übrig bleibt an Kraft. Hören wir rein.

„Was sehen Sie, Budnikowski?“

„Allerhand!“

„Genauer!“

„Tja, Mahler, da geht es schon los. Spielen wir mit oder ohne Filter?“

„Reden wir hier über Kaffee aufbrühen?“

„In gewisser Weise. Was ich sehe, in dem Moment da Sie mich fragen, was ich eben dann sehe, ist schon kalter Kaffee in dem Moment, da ich eine Antwort versuche!“

„Das heißt? Für Sie? Für mich?“

„Ad eins: was soll ich Ihnen mitteilen? Moment? Bewertung? Soll ich sammeln, zusammenrechnen, abwarten? Eine Art Quersumme übermitteln? Ad zwo: wünschen Sie Live – Berichterstattung, detailverliebt? Dürfen Emotionen meinerseits einfließen in die Schilderung? Geben Sie sich vorbehaltlos zufrieden? Darf ich die Kommentarfunktion deaktivieren? Prokura ohne Vetorecht?“

„Tja! Bedenkenswert. Gut, erster Versuch wäre: wenn da draußen etwas, was länger liegen bleibt, rumliegt oder steht, selbst wenn Sie bei einen zweiten Blick keine Veränderung feststellen, also Sie nach einer geflissentlichen Beschreibung mir kalt und nicht wertend Mitteilung machten, ginge das?“

„Sie treffen also eine Vorauswahl?“

„Lässt sich das vermeiden?“

„Vertrauen ist ein hartes Geschäft!“

„Neigen Sie zur Lüge?“

„Ich finde eine gewisse Ausschmückung bei der Weiterleitung von Wahrnehmungen durchaus legitim!“

„Recht so! Wir sind keine Wissenschaftler, Herr Budnikowski! Und wenn Sie länger schauen und mir gelegentlich ein Destillat – reichlich ausgeschmückt und garniert mit allen Arabesken tausend und mancher Nächte – rüber reichen?“

„Was halten Sie davon, wenn Sie mich fragen, was ich gerade erblicke?“

„Was erblicken Sie eben?“

„Mahler, ich erblicke das abbe Bein!“

„Aber…!?!“

„Was aber?“

„Das ist unmöglich! Das ist doch an mir dran!“

„Ja, das denken Sie, lieber Mahler! Da denken Sie nur! Soll ich also nochmals genauer hinschauen? Ausnahmsweise?“

„Bitte!“

(Lange Pause. Etliche Einatmer. Diverse Ausatmer. An Intensität zunehmend. In Archies scheppsen Kopp viele Töne.)

„Da unten auf der Straße liegt ein etwa dreizehn Zentimeter langes, im Umfang elf Zentimeter dickes, braunes Fellding, welches sich – momentane Lage – nach rechts hin zu einer sieben Zentimeter breiten und vier Zentimeter dicken Tatze oder Pranke verbreitert, die mit drei drei Zentimeter langen Nähten abgenäht ist, welche wohl zur Darstellung der Klauen dienen sollen. Nach links hin dringt Holzwolle aus dem Etwas und einzelne Fäden lugen heraus. Die Außentemperatur misst sich – eben um sieben Uhr fünfundvierzig – auf windige neun Grad hoch. Eventuell zu kühl, also gefährlich für frisch gesetzte Tomaten. Mögen Bären eigentlich Tomaten? Übrigens, soll ich die Amsel verscheuchen?“

(Fortsetzung folgt.)

Thema: Das Fremd, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth