Das versteinerte Gebet / Mescal und Heimreise
Gerne würde ich an dieser Stelle berichten von letzten Worten, die Kleines Abbes Bein, der edle Häuptling der Kamschatka – Bear, uns hinterlassen, gerne würde ich singen ein Lied, dessen weiche Melodien und dessen trostgebende Worte uns über die Täler der Unbill und Großen Traurigkeit hinweghülfen, gerne stünde ich an einer Wegkreuzung und blickte mit festem Auge auf das aufgestellte Schild und wüßte sogleich wohin ein zweifelsfreier Schritt uns führen wird. Doch mein Gefährte hatte nichts hinterlassen zum Abschied als Gruß und frommen Wunsch. Er war gegangen um seiner selbst willen. Kein weißer Bart baumelte von den Himmeln hinab, keine biblischen Strahlen fingerzeigten das Licht vor meine taumelnden Füße und Manitou hatte das Gebäude unseres Mißvergnügens schon längst verlassen. Die Götter nun unsichtbar geworden und wir hatten es gewollt.
Unten im Tale schrie Tinseltown von sich selbst ergriffen, die Rücken der Schafe krümmten sich in freiwilliger Verzückung und Fäuste trommelten auf die eigene Brust. Trockener Husten pfiff durch die durchstochenen Lippen. „Oh Tinseltown, sei gebenedeit und leg uns an die Uniformen, wir singen steinernes Gebet.“ Mir war kalt so ohne den Gefährten an meiner ängstlichen Seite und ich sah uns blicken hinab ins Tal, wie wir es in diesem langen Sommer es so oft getan, doch kein Rad in der Nähe meiner zitternden Pfote, welches zurückzudrehen griffbereit. Schwitzend, fluchend und greinend wie ein armes, verhärmtes, altes Weib, welches die Söhne übers Meer geschickt, auf daß jene dort im Schatten der Tempel des Ewigen Klimperns ein paar erbärmliche Unzen verdienen mögen, um ihr einstens zwischen den fensterlosen Trümmern der Heimat ein halbwegs würdevolles Begräbnis bezahlen zu können, taumelte ich voran ohne Ziel. Ein klebriges Gespinst wuchs vor meine Augen. Erblindete ich? Ich fiel mehr, als daß ich eintrat in jene schummrige Pulqueria. Ich hob den Arm und sogleich ergoß sich die milchig – schäumende Flüssigkeit in meinen Leib, sickerte durch die Wände meiner Adern und da ich spürte, daß dieses Stöffche zu schwach, verlangte ich nach einem doppelstöckigen Mescal, schluckte und zerbiß den Wurm. Das Licht schwand. Warmer schwarzer Wind küßte meine Ohren, meine Füße tanzten durch das Sägemehl, welches den Kneipenboden bedeckte und ein Blume stach mir in die Nase. Ach, wie frohgemut hatte ich sie einstens gerochen. Wo weilst Du, oh Schöner Tag? Das Gurgeln, welches sich meiner pulsierenden, nach mehr verlangenden Kehle entrang, mir schien, ich konnte es sehen, als ein starker Arm von hinten mich umfasste. Meine Stimme schwand und man sprach mit mir.
„Budnikowski, der Herbst ist da. Morgen soll es sogar schneien. Also, auf den Bergen, sagt man. Wir müssen das Tal verlassen. Steig ein. Suchen wir einen Heizkörper!“
„Aber was ist mit Tinseltown? Was ist mit dem Tal? Oh Häuptling und Gefährte, mir ist gar nicht gut.“
„Kommt der Lenz, gehen wir wieder raus! Jetzt hoch mit dem elenden Pöter!“
„Mahler? Sind Sie’s?“
Das Letzte, was ich vernahm, bevor ich in einen tiefen Schlaf fiel, war das Klackern eines alten Zweitakters. Roch ich Benzin?