Mit den Augen des befreundeten Fremd / Drei
Mittwoch, 13. Mai 2015 21:09
Budnikowski tut so als ob. Was bleibt ihm anderes übrig. „Am abben Bein vorbei gucken!“ Der Mahler kommt aber auch auf Ideen. Die Not wird es wohl sein. Nun gut, der Mahler ist dem Budnikowski ans Hasenherz gewachsen, aber zaubern oder Wunder vollbringen kann er deshalb noch lange nicht. Das abbe Bein rechts liegen lassen! Oder links! Hömma, iss man Lionel, der argentinische Rasenrastelli? Also simuliert Budnikowski lediglich ein Schauen. Den Blick stier gerichtet durchs Fenster auf eine Welt, die stündlich auf die Resettaste zu drücken scheint und sich dabei doch nichts Neues einfallen lässt als Wiederholung auf Wiederholung grinsekatziger Nichtigkeiten. Schlimm ist dies weiter nicht, schlimm allein ist die Erwartung, die Erwartung ein Drücken solcher Taste ändere irgendetwas am gnadenlosen Gleichmaß der Ein – und Ausatmerei des Großen Geistes. Geben. Nehmen. Erschaffen. Zerstören. So nun die Scheibe Welt plan und matt vor des Hasen gefurchter Stirn und dem Aug’ gegenüber nüscht als Huschen, Bewegung ziellos, manisch, verzweifelt und fröhlich, tapfer und blind, jeglichen Sinn verleugnend, als sich selber als vorhanden und so als gewichtig zu feiern. Gut so. Das Hirn des Schausimulierers, wohltuend leer fühlt es sich an, der Blick ruht aus pupillenstill und schweift mal nicht gen Innereien. Aber da wäre noch das abbe Bein. Der Auftrag. Die Bitte. Ein Einfall fasst den Budnikowski an. Er spricht also.
„Mahler?“
„Ja? Was sieht das Medium?“
„Ich denke, also blind ich!“
„Budnikowski, bester! Hunderte mal blickte ich aus dem Fenster hinaus und sie nach dem dritten oder vierten Male hauen mir erkenntnisschwangere Wortbasteleien ums Ohr!“
„Es ist lediglich das Fremd!“
„Ich lausche!“
„Sie müssen alles umdrehen!”
„Was bedeutet dies? Wir sitzen hinter dem Fenster als säßen wir davor?“
„So ähnlich! Stellen wir uns vor, ich blicke am abben Bein vorbei und es ist gar nicht das ihrige!“
„Das ist Blödsinn! Hier! Sehen Sie! Fassen Sie an!“
„Das geht schon nicht ab von ihrem Leib oder ihrer Seele ihr heiliges abbes Bein, wenn Sie es mal jemanden anderen überantworten, zeitweilig!“
„Budnikowski, Mann! Sie überfordern mich! Jetzt schauen Sie bitte aus dem Fenster und morgen will ich von Ihnen lediglich erfahren, was die Blumen tun!“
„Wie bär es wünscht! Ihr Auftrag, mein Blick!“
Und Budnikowski sieht ein abbes Bein da unten auf der Straße liegen, das legendäre abbe Bein des Archibald Mahler. Um das Bein herum schwellen Pfützen und Hagelkorn trommelt auf das Pflaster. Und wo gestern oder vorgestern noch Fäden – Zeugen einer noch nicht begriffenen Tat – aus dem oberen Teil des Beines ragten, da wachsen heute blaßrote Tulpen und recken ihre Köpfe in den Gewittersturm. Und Budnikowski summt ein altes Lied. Und Mahler nickt dazu, rhythmisch. Hat er schon lange nicht mehr gemacht.
(Fortsetzung folgt)
Thema: Archibalds Geschichte, Das Fremd, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth