A. Mahler macht sich selbstständig / Zumutung
„Moin Mahler, ich muß Sie leider verlassen. Schnellstens!“
„Warum? Und schade ist das auch. Warum nun?“
„Sie erinnern sich an unsere Schandtaten? Die Flucht?“
„Verdrängt!“
„Das Blaulicht macht mir Angst! Schland vergisst nur eigene Schuld, niemals fremde!“
„Dann schnell weg!“
„Folgendes: ‘Es gibt eine tschetschenische Spruchweisheit: Spät geölte Gefühle weisen abgestandenes Wasser ab, und beide vermodern zu Erinnerungsjauche.’ Ich weiß, es ist aus allen Zusammenhängen gerissen, aber bedenkenswert.“
„Budnikowski, ich folge Ihnen gerne, jedoch gerade sind Sie sehr forsch im Tempo des Hirnens!“
„Ok. Eine Neuentdeckung. Rudolf Walther. Die erste.“
„Aha! Heino und Nervsack Broder und Lena und das dicke Tenniskind in wenigen Absätzen gemeinsam verwurstet. Chapeau!“
„Und das noch: ‘Der Gesinnungstest, der da gefordert wird, hat Tradition im “Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten”, wie der Philosoph Ulrich Sonnemann (1912-1993) in einer Essaysammlung schon 1963 anmerkte. Zumutbar ist nach der neudeutschen Tugendlehre, dass der Angeklagte seine Unschuld und nicht der Kläger dessen Schuld belegen muss; zumutbar ist auch, dass sich der seines Glaubens Bestohlene für Taten entschuldigen soll, die Diebe im Namen seines missbrauchten Glaubens begingen. Der Geschlagene soll niederknien und öffentlich um Verzeihung und Vergebung bitten bei der in “pan-deutscher Gemeinsamkeit” (Sonnemann) nach Sündenböcken jagenden Koalition der guten, willigen und rechtgläubigen Abendland-Unionisten.’ Auch nett, aber aktueller.“
„Sie springen durch die Felder des Denkens, wie ich es nicht könnte mit meiner dicken Denkplautze und dem den Winterschlaf vermissenden Hirn! Der Walther jedoch mich interessiert! Aber die Zusammenhänge? Und wer ist dieser Sonnemann?“
„Das Buch ist geordert und liegt in Mittelhessen bald. Ich muß also heim. Und auch die Pelagia braucht meine Gesellschaft!“
„Und das Zitat?“
„Walther, die zweite!“
„Wie reisen Sie gen Heimat?“
„Auf dem Rücken meines Pferdes!“
„Und ich im Schneegewitter verharrend in Einsamkeit, nicht wissend, wo das Hotel? Ist das nicht eine Zumutung?“
„Wollten Sie nicht selbstständig werden? Halten Sie die Augen auf! Man hat Ihnen in dieser Stadt schon ein Denkmal errichtet!“
„Hase, Du hast doch einen am Löffel. Hau ab!“
„Mahler: Seni seviyorum!“
„Budnikowski: Ben de seni seviyorum!“
„Bis bald!“
„Ich schicke Ihnen baldigst eine Postkarte! Und Sie mir bitte das Buch von diesem Sonnemann!“
„Das lesen wir gemeinsam zu Hause! Tschüß!“