Liberte! Egalite!! Fraternite!!! COURAGE!!!!!
Sonntag, 11. Januar 2015 20:52
So kommt man nicht vom Fleck. Archibald Mahler sitzt heute den ganzen Tag vor dem Bilderapparat und guckt Paris. Und ist beeindruckt. Gar nicht mal von der Masse. Aber auch. Was bär sonst im Bilderapparat sieht, ist gerne mal Chimäre. Gelegentlich jedoch hat ein Ereignis die Kraft durch die Plexiglasscheibe hindurch in den Raum, durch die Haut in den Betrachter, durch die Pupillen in Herz und Hirn vorzudringen. Unten links auf der Plexiglasscheibe des Bilderapparates konnte man lesen drei Stunden lang: „Paris trauert“. Die Kameras jedoch fingen ein diese Millionen von Aufrechtgehern (im folgenden AG) aller Farben, Formen, Religionen und Atheismen, denen neben der Trauer ein positiv trotziges und mutiges Strahlen in den Gesichtern funkelte. Diese große historische Stadt besann sich auf stolz auf ihre Geschichte. Als so einiges begann. Liberte! Egalite! Fraternite! Und: COURAGE!!!! Einunddreißig Buchstaben voller Kraft und Archibald Mahler dachte, daß Bleistifte, die in die Luft gestreckt werden, eine der schönsten Gesten sei, welche die AG seit langem er – oder besser gefunden haben, zwischen all diesen Leichen der Zeichner, Schreiber, Juden, Putzfrauen und Polizisten in und um Paris. Außerdem wurde die Übertragung von zwei weiblichen AG moderiert. Das fand der Bär sehr angenehm. Siehe seine Einlassungen von gestern.
Trotzdem: Archibald Mahler kommt nicht vom Fleck. Er ist zwar voller Freude darüber, daß zumindest an diesem Tag das Wort, das Bild, die Kunst geehrt wird und (hoffentlich) begriffen wird als der Kern jeglicher Zivilisation. So ist es! Heute darf ein Bär auch mal ein pathetisches Schauern über seinen sonst eher mürrischen Pöter juckend gleiten lassen. Genehmigt! Dann hört Mahler, wie die Worte einer Frau aus dem Bilderapparat springen. Die Worte sprechen von der tiefen Trauer und davon, daß die Frau dennoch keiner Finsternis gestatten will auf ihr Leben in Paris und anderswo zuzugreifen. Lieber stehe sie auf und reise mit dem Licht. Weiter! Und vor allem ohne Angst! Und Bär Mahler denkt, wie weltmeisterlich souverän eine solche Haltung verglichen mit den rachegeil gefletschten Zähnen des Amerika vom September 2001 ist. Und so selbstbewußt locker, wie in den Tagen als Algerien Frankreich, in Gestalt des göttlichen Zidane, den so schrecklich nebensächlichen Pöhlereipokal helenefischerfrei überreichte.
Ab sofort denkt Archibald Mahler nicht mehr tiefer nach, blickt nach oben, begreift, daß nur die Freiheit das Licht sein kann und muß, setzt sich einen goldenen Helm auf und fährt los. Und nicht allein. Und weil er nicht blöd ist, weiß er, daß die drei Reisenden auf dem Bildchen zu seinen Pranken ihre Reise nicht überlebt haben. Und der Bär, dem (hoffentlich) die Kugeln nichts anhaben können, denkt sich, daß dies noch ein Grund mehr sei loszufahren. Wieder. Heute sowieso. Vive la France!
Thema: Aufbrüche 2015, De re publica | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth