Beiträge vom 29. September 2014

Appenzeller Vergewisserungen / Ein Säntis sein

Montag, 29. September 2014 23:35

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Sehr geehrter Herr Ernst Albert!

Ich freue mich sehr Ihrer Bitte nachkommen zu dürfen, darüber nachzudenken, was ich aus dem Appenzell mitnehmen könnte. Da ich beim Verfassen des angeforderten Besinnungsaufsatzes neben Freund Kuno Zimmermann saß und ich also zugegebenermaßen rüberschielte auf des Hasen Pergament, hier nur eine kurze Bestätigung, daß auch ich geklaute Biergläser nicht, Wappen oder am Wegesrand gesammelte Enziane oder Steinbrocken oder ähnliches in die EU einführen mag und nicht werden will.

Meine vorgestellte Mitnahme wäre der Säntis. Oder ein dem Säntis ähnlicher Berg. Aber ich bleibe beim Säntis, weil der so beeindruckend ist. Ich wäre also ein Säntis. Mein Kopf wäre öfters in den Wolken. Oder vernebelt. Da oben ist es auch gerne mal kalt. Oder alleine. Einsam eher nicht, weil es oft schneit. Schneeflocken sind eine Freude. Sie tanzen. Dann bleiben sie liegen. Und der heiße Kopf kühlt ab. Eine Schneemütze sieht auch apart aus. Damit keiner in meiner Schneemütze rumtapern kann würde ich auch die Seilbahn, die an meinen Bauch hochfährt bis zu meinem Kopp, wieder wegmachen lassen. Wohlgemerkt: auf meinen Säntis, der ich dann wäre. Wäre ich ein Säntis.

Ganz besonders aber gefiele mir es, wenn es Frühling würde beziehungsweise Juni und meine Schneemütze auftaute, diese mir dann kalt den Rücken runter rieselte oder sturzbachte und endlich sich zu meinen etwas wärmeren Füßen in den herrlichen Seealpsee ergießt. Streckte darauf allerdings ein Aufrechtgeher seine entblößten Fußsohlen in den Seealpsee – selbst mitten in der Hochsommerzeit – ein entsetzter Seufzer entführe zu meiner Freude seinem Leib und die folgende Bemerkung: „Arschkalt!“ Woher sollte er auch wissen, wie kalt es unlängst mir oben am Hirn gewesen war. Nicht weiter schlimm, manchmal schneit es sogar im Juni wieder.

Was mir auch noch sehr gefallen könnte als Säntis, der ich sein könnte, ist: wäre mein Kopf verdüstert und drohte Ungemach aus diesen Wolken um meinen Kopf herum, stiege so mancher schlecht besohlte Wanderer eiliger hinab ins Tal. Allein zu sein ist ein Gut, nicht einfach zu erwerben. Die Einsamkeit danach, die gilt es auszuhalten dann. Wenn ich wäre ein Säntis.

Na ja, vielleicht wird mir dann schnell langweilig. Aber darüber will ich weiter nachdenken und so werde ich in den verbleibenden Minuten meinen faszinierten Blick auf die Nordflanke des Säntis richten und froh sein hier sein gewesen zu dürfen. Und: Bergen sollte man nicht mit Eroberung drohen. Das mögen sie nicht.

Jetzt bin ich gespannt, was der Zimmermann verlautbarte und bitte um eine gerechte, nicht zu strenge Benotung meines Beitrages. Wie Dinge sich ändern.

Herzlichst Ihr Herr Archibald Mahler

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Thema: Appenzeller Vergewisserungen | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth