Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 14

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„Und wen retten wir jetzt?“

„Will überhaupt schon jemand gerettet werden, Budnikowski? Es ist noch recht früh!“

„Vielleicht retten wir jemanden einfach mal präventiv, Mahler!“

„Oder wir schubsen ihn ins Wasser, obwohl wir wissen, daß er nicht schwimmen kann und dann sind wir praktisch gezwungen, ihn zu retten.“

„Aber die Rechnung für den Rettungseinsatz muß er dann schon bezahlen!“

„Selbstredend! Vor allem die Zinsen!“

„Und ab wann berechnen wir die Zinsen, Mahler?“

„Natürlich ab dem Zeitpunkt, wo wir das erste Mal darüber nachgedacht haben, ihn eventuell ins Wasser zu schubsen, Herr von Lippstadt – Budnikowski!“

„Aber, werter Herr Mahler, da bitte ich aber inständig darum, daß die Spesen und alle anderen anfallenden Kosten, die im Zusammenhang mit unserer Nachdenkerei angefallen sind, doch bitte auch auf unser Konto überwiesen werden.“

„Wäre bar nicht besser?“

„Logo, auf die Hand. Aber Zinseszinsen nicht vergessen! Was jedoch, wenn jetzt jemand nicht gerettet werden will, Mahler?“

„Hallo? Das entscheiden immer noch die Retter, ob sie retten oder nicht.“

„Und was, wenn wir mal Feierabend machen wollen? Verzeihung: MÜSSEN!“

„Dann, lieber Budnikowski, gilt es vor allem darum zu sorgen, daß unser Rettungssitz nicht von fremden Pötern besetzt wird!“

„Wo kämen wir denn da hin? Außerdem müsste unser Rettungssitz dringend mal neu gestrichen werden! Und ein paar neue Aussitzpolster wären auch nicht übel!“

„Budnikowski, sehen Sie? Da draußen geht gerade jemand unter. Schicken Sie ihm die Rechnung, bevor er ganz und gar absäuft!“

(Stille. Schweigen.)

„Mahler, können Sie sich vorstellen, daß es Wesen gibt, die so denken?“

„Schlimmer noch. Sie tun es tatsächlich. Erinnern Sie sich an die zwei Schilder an dem Haus hinter der Bushaltestelle in Miedzyzdroje?“

„Sie meinen ‚Salon Gier’? War das eigentlich eine Bank?“

„Nein, so nennen unsere Nachbarn und momentanen Gastgeber ihre Spielhöhlen.“

„Nicht schlecht. Erstaunlich, daß die Polen dafür ein französisches und ein doitsches Wort benutzen.“

„Na ja, das sogenannte Europa beim Namen nennen.“

„Und der ‚Admiralclub’? Was ist das?“

„Das ist ein riesengroßer, leerer Saal, den nie jemand betritt.“

„Und zu was dient dann der leere Saal?“

„Da drinnen wohnen die ganzen Träume, die vom ‚Salon Gier’ nicht erfüllt werden.“

„Und warum stellen unsere Gastgeber eine Windmühle an den Strand?“

„Wie bitte? Wo, Budnikowski?“

„Da hinten! Sehen Sie?“

„Der Wind frischt auf!“

„Ich nenne so etwas einen Sturm.“

„Gehen wir?“

„Wir können nicht!“

„Warum?“

„Wir warteten auf den nächsten Tag!“

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Montag, 27. August 2012 20:28
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