Wie wir den Nachbarn im Osten besuch(t)en 4

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„Wohin fahren wir, Mahler?“

„Nach Mitschißtreue!“

„Wie bitte? Mit Schiß Treue?“

„Nein nach Dings, germanisch wäre es Misdroy, das ist einfach, aber gehört sich nicht, wenn man ein Gast ist. Und glauben Sie mir, der Pole weiß, was es heißt, unliebsamen Besuch in seiner Bude sitzen zu haben. Wir fahren nach…ähem. Prosze! Hilfe!“

„Probleme mit der Aussprache?“

„Lippstadt – Budnikowski, ich schreib es mal hin, bevor meine Zunge einen Bandscheibenvorfall erleidet.“

(Der Bär schreibt auf einen Bierdeckel den anvisierten Zielort: Miedzyzdroje. Der Hase liest.)

„Potzrembel, wie Sie gerne sagen, Mahler. Fahren wir einfach hin nach M – Punkt.“

„Genau!“

„Die Ostsee wackelt recht dezent!“

„Das regt an. Man ist versucht zu reimen!“

„Nicht nur Sie, Mahler. Ich las gestern.“

„Ach!“

Gregor Sander! Die Ostsee ist ein anregendes Gewässer! Das las ich:

Das Fischland ist das schönste Land in der Welt. Das sage ich, die ich aufgewachsen bin an einer nördlichen Küste der Ostsee, wo anders. Wer ganz oben auf dem Fischland gestanden hat, kennt die Farbe des Boddens und die Farbe des Meeres, beide jeden Tag sich nicht gleich und untereinander nicht. Der Wind springt das Hohe Ufer an und streift beständig über das Land. Der Wind bringt den Geruch des Meeres überallhin. Da habe ich die Sonne vor mir untergehen sehen, oft, und erinnere mich an drei Male, zwar unbeholfen an das letzte. Jetzt sackt das schmutzige Gold gleich ab in den Hudson.

Schön, gell! Wie hier.“

„Das ist das Vorwort. Jahrestage. Uwe Johnson.

„Weiß ich wohl, Mahler.“

„Nur wegen der Präzision.“

„Zügel er sich, Bär! Iss Urlaub, hömma! Es geht doch darum: Das Licht der letzten zehn Minuten ist dahin und das Licht von jetzt wird gleich ein anderes gewesen sein.“

„Genehmigt. Gleich legen wir an. Weia, sehen Sie die Menschenmassen dort, Budnikowski?“

„Man badet offensichtlich im größeren Familienverband!“

„Fahren wir wieder zurück?“

„Nichts da, Mahler. Von Bord!“

„Hiermit nehme ich Abstand von meinem Dasein als Solitär!“

„Nichts ist endgültig!“

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Freitag, 17. August 2012 19:50
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