Beiträge vom Juli, 2011

HÖMMA REVISITED / STURMFREI ISS’

Dienstag, 19. Juli 2011 18:12

vacances9

„Ich darf eine Frage stellen, bester Herr von Lippstadt-Budnikowski?“

„Kaum zurück und schon dies, Mahler und Freund?“

„Die investigative Ader, verzeihen Sie!“

„So läßt es sich nicht vermeiden. Wohlan denn!“

„Sie haben Damengepöhle geschaut?“

„Urpss!“

„Der weiße Hase errötet?“

„Die Sonne nur! Hautirritationen!“

„Heraus zum 1. Mai! Quatsch! Mit der Wahrheit: Heraus! Hase!“

„Höre, Gnadenloser! Ich ließ den Bilderapparat im Nebenzimmer laufen und ging ansonsten Tätigkeiten nach. Torjubel oder dramatische Hebungen oder Senkungen in der Stimme der Kommentatoren ließen mich aufstehen und hinüber eilen!“

„Fazit!“

„Am Sonntag blieb ich sitzen. Als wären es behaarte Pöhlerbeine, die über den Bildschirm eilten. Und sie eilten tatsächlich!“

„Ergebnis!“

„Jede Niederlage des FC Bayern München der Weltpolitik freut den parteiischen Betrachter. Und wie schön sich die Damen aus Nippon freuten. Verdient, sehr verdient! Und verglichen mit dem Übungsleiter der Nadeshiko, dem ehrenwerten Norio Sasaki-san ist jeder Stoiker ein Zappelphilipp!“

„Die Nation?“

„Dasselbe wie bei den Buben. Theo, der Verbandsclown, fordert Entschuldigungen, den selbstverliebten Übungsleiter darf man nicht kritisieren und der alte, verdiente Recke des Rasens wird coram publico unsensibel demontiert. Nur jetzt mit „IN“ hintendran! Und das regierende dicke rosa Jackett sitzt wieder auf der Tribüne und macht Fachfrau mit Schmollmund! Gräßlich! Ich freu mich auf den BVB!“

„Sturmfrei!“

„Wie bitte? Barrios! Lewandowski! Kagawa zurück!“

„Mißverständnis! Die Höhle! Sturmfrei! Die Herrschaften urlauben!“

„Verstehe! Welche Ausnutzung schlagen Sie vor! Feten? Feiern? Orgien?“

„Was halten Sie von Konzeptionsproben?“

„Wiederaufnahme der Lausebacher Sommerseespiele?“

„Eher nicht! Ein kleineres Format!“

„Schwebt Ihnen etwas vor?“

„Noch nicht! Aber bald!“

„Na dann, Herr Mahler!“

„Nach Ihnen, Herr von Lippstadt-Budnikowski!“

„Ein Wort noch zu diesem Stuhl!“

„Bio-Art!“

„Sie meinen?“

„Veränderungen geschehen lassen, Veränderungen beobachten!“

„Gefällt mir! Bierchen?“

„Sage ich nicht nein!“

„Wohlsein!“

„Cheerio!“

(Es entspinnt sich ein angeregtes Gespräch über zu realisierende Musentempelprojekte. Gelegentlich prostet man sich zu. Bis denne!)

Thema: Hömma (revisited BVB), Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

LES VACANCES DE MONSIEUR MAHLER 8

Dienstag, 19. Juli 2011 11:17

vacances8

„Was ich bin, muß ich ganz sein. Für diese Pflicht gibt es keine Ferien. Keine Grenzen. Diese Pflicht reicht von Pol zu Pol.“ Das ist lustig, denn der Aufrechtgeher, der sich so zitieren läßt, heißt Sonnenschein. Hihi! Sonnenschein: Gral und Daseinszweck und Ursache tiefster Verzweiflung (bei Absenz) für den Gemeinen Ferienuser. Beruflich war er eine Art theoretischer Vermittler zwischen den Göttern und den anderen Zweibeinern. Archibald Mahler, inzwischen vollständig genesen von den Verirrungen der vorletzten Nacht, zuckt zusammen. Die Pflicht! Die ferienfreie Pflicht! Die selbst in den Ferien ferienfreie und grenzenlose Pflicht! Der letzte Ferientag ist angebrochen! Weia und noch mal Weia! Und noch keine einzige Postkarte geschrieben. Her mit den Textbausteinen! „Total toll hier! Superwetter und nette Leute. Wir sind jeden Tag schwimmen!“ Na ja! „Geile Location hier! Geile Parties! Voll krasse Leute! Hau rein!“ Ojemineh! „Es immer noch schön hier und die Sonne scheint ohne Unterlaß! Aber früher war es billiger hier! Denkt Du an die Katzen?“ Geht so. „Heute habe ich das erste Mal in der Sprache der Eingeborenen ein Eis bestellt. Fühle mich wie eine Einheimische!“ Besser nicht! „Sind wieder bei Costas untergekommen! Leider zu viele Touris hier unten! Echt ätzend!“ Muß nicht. „Gutes Hotel (totaler Geheimtip!), nur 10 Minuten bis zum Flughafen. Das Essen ist preiswert und sehr reichhaltig. Getränke muß man leider selber zahlen. Ich bin schon ganz braun!“ Lassen wir auch. „Ich liege gerade auf der Terrasse. Total vollgefressen. Anna ist mit den Kindern am Strand. Bis bald. Kuß!“ Aber, aber! „Die sind total schräg hier unten. Können kein richtiges Brot backen und fahren links. Gott sei Dank ist Satelliten-TV auf dem Zimmer!“ Archibald Mahler kommt gerade so richtig in Schwung bei der virtuellen Postkartengestaltung, als man ihm auf die Schulter tippt. Der ehrenwerte Herr Ernst Albert, offensichtlich genesen, ist es.

„Schon fertig?“

„Und, war schön, Herr Mahler?“

„Eigentlich wie immer, Herr Albert! Gucken und denken und atmen und froh sein. Meistens!“

„Fein! Jetzt sind die liebe Frau Eva Pelagia und meine Wenigkeit dran mit der Urlauberei! Und Du hütest unsere Hütte!“

„Sturmfrei?“

„Von mir aus!“

„Fein! Tschüß, lieber Eigensee! Und danke fürs gucken und denken und atmen und froh sein dürfen. Meistens zumindest. So! Ich wäre soweit!“

„Abflug!“

Man geht. Und sonst? Was macht bärman sonst? Er dreht sich noch mal um. Und dann schaut er winkend aufs Wasser. Guck an!

Thema: Draußen vor der Tür | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

LES VACANCES DE MONSIEUR MAHLER 7

Montag, 18. Juli 2011 17:21

vacances7

„Zwei Biere waren nötig, das erste und das letzte.“ So wird der ehrenwerte Herr Ernst Albert zitiert, es ist aber nicht mehr verbürgt, wann und in welchem Zusammenhang er so sprach. Man weiß nur, es gab vereinzelt Anlässe, denen man dieses Zitat zuordnen könnte. Was dies mit Herrn Archibald Mahler, dem Unschuldigen von Allendorf, zu tun hat? Holen wir gedanklich aus in Richtung Grundsätzliches: Jeder Urlaub hat den einen Morgen, an dem man die Euphorie des Vorabends bitter bereut, jenes vorabendliche, erlöste „Über die Stränge schlagen“, sprich die Völlerei und das Studium lokaler Trinkrituale. Oh Vernunft, erhebe Dein züchtiges Zepter! Was war geschehen? Die Brachse des gestrigen Abend war offensichtlich schon in Rente und der fade Geschmack in Archibalds Maul, den er auf dem Nachhauseweg spürte, mehr als penetrant. Doch welch Zufall, hatten während des Bären Abwesenheit junge chillwillige Aufrechtgeher am Eigensee gelagert und daselbst versucht ihre Stimmung mit Mischgetränken aller Art aufzupoppen. Ihr Aufbruch war ein überstürzter, denn das Ufer des abendlichen Eigensees zierten, als der Bär zurück, einige nicht sorgfältig geleerte Flaschen. (Das hat nichts mit Aufbruch zu tun! Das ist heutzutage Usus! Mama hat bis jetzt doch auch immer alles weggemacht! Gruß Der Säzzer!) Archibald mochte die Farben der Restgetränke. Orange. Rosa. Grün. Sogar bläulich! Schräg! Der fade Geschmack im Mund und die der Urlaubslaune geschuldete Überzwerchtheit erledigten das Übrige. Archibald Mahler wurde zum Resteverwerter und dann hat er die leeren Flaschen ordentlich in einen nahen Abfallkorb entsorgt, den die angechillte Jugend in Sommermärchenlaune Part 2 bestimmt nur übersehen hat. Die Lieben! Unsere Zukunft! Zurück auf dem Ausguck spielte der nächtliche See lustige Spiele mit Archibalds schwankenden Blick, das fand er höchst amüsant, der Schlaf wurde zu einer kleinen Achterbahnfahrt und nun begrüßen wir den heutigen Morgen: siehe oben. Und Archibald, wie steht es um ihn? Malade, aber er denkt nicht daran irgend etwas zu bereuen und die morgendliche Fahne der Reinen Vernunft zu schwenken. Es ist geschehen und selbst das Leben eines Denkbären tischt mal eine Rechnung auf. Wie, wo und warum sollte ein Bär auch über die sogenannte Vernunft nachdenken? Ein Bär ist per se nicht unvernünftig. Er guckt, ißt, verdaut, entleert, denkt und träumt. Kann man nicht viel falsch machen. Singet das Hohe Lied der kreatürlichen Natura aeterna, liebe Aufrechtgeher! Gut, einen Bär, der aus einem Zoo ausbricht, um dann durch eine Fußgängerzone zu schlendern und der überteuerten Feinkostabteilung eines von der Schließung bedrohten (Warum wohl?) Zweibeinerkauftempels einen Besuch abzustatten, kann man bedingt – nach den Maßstäben der Aufrechtgeher – als unvernünftig bezeichnen. Eventuell und wenn der Bär sich erwischen läßt. Aber sonst? Niente! Und ein gutes hat so ein Kater. (Heißt der bei Bären eigentlich auch so?) Man muß sich über das Programm des siebten Ferientages keine großen Gedanken machen, der Tag gliedert sich von alleine nach den Vorgaben des derangierten Hirns und eines allzu aufsässigen Magens. Der Eigensee aber bewahrt die Ruhe und läßt sich betrachten, wie eh und je. Wunderbar! Aua! Kurz mal ins Gebüsch! Und sonst? Was macht bärman sonst? Fragt sich das, was vom Bären heute übrig ist. Und dann schaut das aufs Wasser. Guck an!

Thema: Draußen vor der Tür | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

LES VACANCES DE MONSIEUR MAHLER 6

Sonntag, 17. Juli 2011 20:37

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«Am schönsten isset, wenn et schön ess!» So sprechen die Aufrechtgeher in, um und um den Kölner Dom herum. Archibald Mahler sitzt weiterhin an seinem Eigensee, den man gemeinhin durchaus als schön bezeichnen mag und kann und darf. Und immer noch hat der Bär Ferien. Auch schön? Schönes Wetter ist eh. Entweder Gärtnerwetter oder Urlauberwetter, Reisewetter oder Grillwetter. Donnerwetter! Wie es Euch gefällt. Das ist ja das Schöne. Schön und gut, aber was tut Herr Archibald Mahler heute so? Das Land der Bären mit der Seele suchen? Nun auch ich, ich Mahler, in Arkadien? Die vollkommene, die reine, die harmonisch schwingende Landschaft als Ruhekissen für die gepeinigte, überarbeitete Seele abfeiern? Nein, altius, citius, fortius: als Spiegel der Seele gar, der baumelenden, der Ferienseele? Und ruhig fließt der Atem mit dem Wind, sind eins Atom und Molekül und Leib? Frei schwebt der Geist über den Wassern und keines Wesen Haar gekrümmt? Oder doch verdammen all den Tand, das Vordergründige, das Augenlastige, hinweg mit der Hineininterpretiererei, der Vermenschlichung von Flora und Fauna, als wären Gott der Herr und Walt Disney ein und dieselbe Person gewesen? Mit Sokratesverlangen nur nach innerer Schönheit suchen, das Auge genügsam schließen und erkennen, daß man den Göttern gleichen wird nur in der Genügsamkeit? Weder noch. Das Wörtchen schön existiert so nicht im Hirn des Bären. Und wenn schwirrt es frei dahin ohne die Farbe Bewertung. Der See, die Grauerle, die Brachse, die Brombeere und der in die Pfütze fallende Regentropfen waren was sie noch heute sind (falls nicht von Aufrechtgeherhand ausgerottet), bevor die Erfinder der Runen oder erster Keilschriften ihnen eine wie auch immer wertende Begrifflichkeit zugeordnet haben, die im wesentlichen eher mit dem Geistes-, Seelen- oder Gesundheitszustand des Wortschöpfers oder – und dies wahrscheinlich am häufigsten – mit den Wünschen und Projektionen dieses zu tun hat, als mit der Erscheinungsform des bezeichneten Gegenstandes. Wenn der Bär am Eigensee sitzt, will er nichts vom See, außer daß der See nicht aufsteht und geht und der Bär vor einer Wiese oder einem trockenen Loch hockt in seinen Ferien, wobei – so wie er seine Aufrechtgeher kennt – dies schneller Realität werden könnte als ihm lieb. Und so sitzt er und enthält sich jeglichen Geschmacksurteils, mit Kant wissend daß der allzu euphorische Ausdruck des Wohlgefallen die Schönheit mit ihr keineswegs zugehörigen Zwecken und Begehrlichkeiten verbindet und ihr nimmt: ihre Freiheit. Hüte Dich wenn Aufrechtgeher eine Gegend als schön preisen. Es wird sein die Umzäunung erst, dann der Verkauf und dann der Untergang. Also steht der Bär auf, um den Eigensee mal ein bißchen alleine zu lassen – man möchte ja auch nicht permanent beglotzt werden – und auch um den plattgesessenen Pöter mal etwas in Bewegung zu setzen. Unten an der nahen Lahn, wohin er seine Schritte lenkt, rauscht ein kleines Wehr. Dort steht am Ufer eine Hinweistafel. „Aufstiegsmöglichkeit für Fische!“ Daß dies doch mal schön sei, denkt der Bär, dann können die Fische noch schnell Karriere machen, bevor er sie frißt. Eine Brachse zögert vor dem Wehr. Denkt sie über Aufstiegsmöglichkeiten nach? „Schön!“ Archibald Mahler ist schneller. Guten Appetit! Mahler kaut, weil er kauen muß. Ein Fisch ißt sich nicht von alleine. Zurück zum Eigensee. Verdauen. Sitzend. War ein schöner Ferientag. Findet die Brachse zwar nicht, aber Archibald Mahler kann dem Begriff schön in diesem Zusammenhang durchaus etwas abgewinnen. Und sonst? Was macht bärman sonst? Fragt sich der Bär. Und dann schaut er aufs Wasser. Guck an!

Thema: Anregende Buchstaben, Draußen vor der Tür | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

LES VACANCES DE MONSIEUR MAHLER 5

Samstag, 16. Juli 2011 18:52

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«Wer den Himmel im Wasser sieht, sieht die Fische auf den Bäumen!» So wird ein Aufrechtgeher aus dem fernen Chinesien zitiert. War es ein Mönch im Fastendelirium oder ein Angler im Sakerausch? Wir wissen es nicht. Archibald Mahler schon gar nicht. Esoterisches Gewisper und das Knurren eines Bärenmagen, es gibt Dinge, die schließen sich gegenseitig aus. Und dann gibt es die Nacht. Und den Traum. Den Traum, in dem ein Bär in Mittelhessen in der Krone einer Silberweide sitzt, einer Silberweide am Ufer des Eigensees, den der volle Mond überzogen hat mit glitzerndem Zuckerguß, und der Bär namens Mahler blickt hinauf ins Firmament und dort hängt dieses Mobile, dreht sich und schaukelt im leisen Nachtwind, und am Mobile da hängen sie, die Döbeln und Eschen und Zander und Waller und drehen sich und duften schon nach Pfanne, nach Grill und die Pranken des Bären werden lang und die Fische ferner und wieder näher und grüßen fast schon filetiert und Speichel fließt und kocht im Maul und jetzt faßt er sie die fette Esche unser Archibald, als der Hecht von hinten und spitze Zähne sich graben in den Nacken eines Bären, der sich schüttelt und brüllt und zürnt und erwacht und sieht den frühen Teich und etwas Nebel und etwas Licht und frühen Himmel, der im Teich sich rosablau wölbt, und greift sich in den Nacken ob des Hechtes. Nein Mücken warn’s und Schnaken! Mistgetier, das einen Traum vom Vollmondmahl gestört. Verdammt. Was so ein blödes Zweibeinerschild doch für Träume macht. Man legt sich hin, schläft, um zu verdauen was der Tag einem serviert, das Denkgedärm arbeitet und emaniert ein paar Häufchen. Die nennt man dann die Träume. Bequem ist’s oft zu schlafen, doch das Erwachen, da wird es interessant. Keine Fische in den Bäumen, obwohl der Himmel im Wasser, der Himmel, der immer im Wasser sein muß, weil sonst das Wasser gar keine Farbe hat außer eben die Farbe des Himmels. Das stellt Archibald Mahler fest am rosablauen Morgen seines fünften Urlaubstages. Doch warum hängt dieser Einkaufsbeutel, ein ihm entfernt bekannter Einkaufsbeutel, in den Zweigen dieser Schwarzerle rechter Pranke? Ein Zettel? Eine Nachricht? „Für Herrn A. M. von Frau Eva Pelagia! Guten Appetit.“ Man sorgt sich. Sehr schön. Schlemmerfilet a la Bordelaise! Vorgegart! Großartig. Man muß, nur weil Ferien sind, ja nicht gleich einen auf Neandertaler machen. Sagt sich der Bär und schmatzt vor sich hin. Und sonst? Was macht bärman sonst? Fragt sich der Bär. Und dann schaut er in den Himmel, also aufs Wasser. Guck an!

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LES VACANCES DE MONSIEUR MAHLER 4

Freitag, 15. Juli 2011 17:01

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„Freiheit war ein Wort aus dem Fernsehen.“ Das hat ein Aufrechtgeher geschrieben, der gerne mal losläuft, um zu schauen. Zum Beispiel von Berlin nach Moskau oder rund um dieses Land. Und unlängst querte er von Nord nach Süd das Herz des großen Landes auf der anderen Seite des Meeres, querte das Herz jenes Land auf der Straße der Erleuchtung, nur in entgegengesetzter Richtung, das Herz jenes Landes der Urururgroßväter des Archibald Mahler, seines Zeichens Bär und sitzender Denker. Versteht Ihr jetzt nicht? Dann müßt Ihr lesen. Es ist großartig. Archibald Mahler erwacht nach unruhiger Nacht. Hinein in den vierten Ferientag. Die Sonne strahlt vom Firmament und der Eigensee glitzert .. ähem .. danke, hatten wir schon. Gestern abend hatte der Bär noch liebevoll den Schwarm Döbeln betrachtet, Speichel in den Lefzen gesammelt, den Magen wonnig vibrieren lassen, doch die große Müdigkeit und die strahlende Abendsonne über dem glitzernden See .. tschulligung .. aber man kann es nicht oft genug erwähnen: Ferien halt. Wie gesagt, Mahler war zu müde, um noch einen Fisch aus dem Teich zu pranken. Fehler! Vernehmet! Des Bären morgenfeine Nase erschnüffelt den Geruch frisch gesägten Holzes, den Odeur ebenst vergossener Tinte. Sieh an! Die nächtliche Unruhe – Trappeln, Wispern, Hämmern, Pinseln – nicht der Soundtrack eines bösen Traumes war dies, nein: es waren die Angler von Allendorf. Und der erwachende Bär blickt nach links – die Sonne scheint und der See .. (Wage es noch einmal! Gruß vom Säzzer!), dann blickt er nach rechts, zurück zur Mitte, wieder nach rechts, klassischer Doubletake und sieht eine Holztafel, frisch errichtet. Die Nachricht: „Warnung! Betreten, Befischen und Betauchen des Sees unter allen Umständen und ohne offizielle Papiere strengstens untersagt! Auch für Bären! Wir sind dann mal weg, meinen es aber ernst. Wir haben Aufpasserhechte ausgesetzt. Mit Zeigefinger und Gruß: Die aufmerksamen Allendorfer Angelbrüder!“ Man hatte den Petz verpetzt. Diese Aufrechtgeherin vom Mittwoch und ihr leptosomer Köter! Soviel zum Thema Freiheit, Natur und Vollpension! Doch Archibald Mahler erlaubt sich zu grinsen. Der Hecht, und dies auf manche Weise, ist des Bären Lieblingsspeise. Drahtiger Jäger, feines Fleisch, ein schneller Kämpfer, ein richtiger Gegner. Nacht komme herbei! Aber spitze Zähne hat dieser Kampfpfeil schon. Archibald Mahler steht auf. Dort hinten war doch ein Brombeerstrauch. Überprüfen wir mal den Reifegrad. Man ist so frei. Hinweistafeln? Vielleicht der Biebertaler Beerensammler? Der Dorlarer Dornenschützer? Keine Schilder! Aber die ersten süßen Kügelchen. Er schmatzt. Er kehrt zurück auf seinen Ausguck. Die Freiheit! Ist so eine Sache. Wahrscheinlich ist sie dann da, wenn sie einen umgibt wie eine Stille, eine noch nicht wahrgenommene Stille, eine Stille, die ihre Zeit benötigt bis sie ins Bewußtsein dringt. Dieser Moment von Begreifen, das etwas da ist, schon lange und doch so plötzlich. Vielleicht ist das die Freiheit? Die Ruhe nach dem Kampf. Laut und schrill und ist sie jedenfalls nicht, die Freiheit. Das war am vierten Ferientag. Und sonst? Was macht bärman sonst? Fragt sich der Bär. Und dann schaut er aufs Wasser. Guck an!

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LES VACANCES DE MONSIEUR MAHLER 3

Donnerstag, 14. Juli 2011 19:18

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«Ich möchte den Totenkopf des Mannes streicheln, der die Ferien erfunden hat.» Das hat der ehrenwerte Wortschöpfer Jean Paul niedergeschrieben, der solch klarsprechende Worte wie Selberlebensbeschreibung, Herzpolypen und Dentalbuchstaben ersonnen hat und diese Wunderausdrücke gerne in einer Gaststube namens „Rollwenzelei“ zu Papier brachte. Wohl gedacht, doch hat man Ferien, hat man sie an der Backe. Es ist, als wäre die Zeit, die dieselbe Zeit ist wie vor Beginn der Ferien, nun keine Zeit mehr, keine schlichte Zeit, die es zu durchatmen und ohne Verletzungen hinter sich zu bringen gilt, nein, diese Zeit namens Ferien tut  oder scheint so zu tun, als befände sie sich in einem Zustand profane Zeit transzendierender Qualität, sie gebärdet sich als eine Zeit der Güteklasse allumfassendes Glück und Erfüllung gebärende Leichtigkeit – Silbersekunden, Goldminuten, Platinstunden – und macht so einen Bären am Eigensee gar eifrig denken. Archibald Mahler blickt auf das Silbertablett, das ihm der neue Ferientag gereicht. Fein säuberlich darauf drapiert kleine lustig herausgeputzte Häufchen kostbarer Ferienzeit. Forderungen. Rufe. Bitten. Anweisungen. Tipps. Reiseführer. Leihfahrräder. Fahrpläne. Abkürzungen. Geheimtipps. Insiderhinweise. Der Bär schnauft. Gut daß immer noch die Sonne durch die fettwülstigen grauen Wolken strahlt und man bei knappen fünfzehn Grad Celsius so richtig ins Schwitzen kommt. Das ist das Schöne an der Ferienzeit. Potzrembel die Aufrechtgeher! In großem Bogen fliegt ein Silbertablett in den Eigensee, die Zeithäufchen durchschneiden die Wasseroberfläche, ein Schwarm Döbeln (für die Freunde im Heckerland: Alet) freut sich über die Zusatzfütterung. Archibald Mahler holt seinen Laptop aus der Pelztasche und schreibt an die Allendorfer Angler: „Meine Herren! Das Silbertablett ist ein Gedankenträger und virtuell. Nie würde ich solchen Schatz im Eigensee versenken. Herzlichste Feriengrüße von Old Mahler“ Aber die Döbeln sind da und wahr. Und der Hunger. Und der Bär denkt, daß er doch sowieso das ganze Jahr sitzt und schaut und sinnvoll faulenzt und keine Untergebenen oder Übergebenen hat, von denen er sich erholen muß und nicht über Betonpisten hetzt mit einer stinkenden Blechmilbe, Tag und Nacht auf Fremdweltbildschirme schaut und auch kein Spiegelbild braucht, welches ihm in zwei Wochen zurufen soll: „Bär bist braun!“ Was ist das denn für eine Farbe, die sein Pelz trägt? Eben. Und trotzdem, das ist das Schöne an einem dritten Urlaubstag, daß bärman auch braun werden kann, obwohl bärman es schon ist. Und sonst? Was macht bärman sonst? Fragt sich der Bär. Und dann schaut er aufs Wasser. Guck an!

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LES VACANCES DE MONSIEUR MAHLER 2

Mittwoch, 13. Juli 2011 16:16

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«Man braucht zwei Jahre, um sprechen zu lernen und fünfzig, um schweigen zu lernen.» Hat ein alter Aufrechtgeher aus Nordamerika gesagt, der entweder wunderbare Geschichten über Söhne, Stiere, Fische, alte Männer und Meere verfasste oder Gnus, Löwen und Elefanten jagte. Den letzten Elefanten, den er erlegte hatte, war er selbst gewesen. Talking about the Jagd: der nächtliche Karpfen war schmackhaft, sein Gesichtsausdruck, als die Tatze zuschlug, selbst für einen Fisch etwas dümmlich. Man rechnet in mittelhessischen Teichen nun mal nicht mit einem Bären. Peching! Zurück zum Thema! Schweigen ist eine gute Tätigkeit, um einem Urlaub Sinn und Tiefe zu verleihen. Die Frage ist nur, wird das Selbstgespräch als eine Form des Schweigens akzeptiert und gerade hier, unter gelegentlicher Beobachtung? Verzwickt. Die Sonne geht auf – im Urlaub scheint immer die Sonne, auch wenn gerade eine Regenfront über Mittelhessen hinwegrauscht – und Archibald Mahler sitzt am Eigensee und plappert vor sich hin, zitiert den alten Ernest, Gottvater aller Petrijünger, pult sich eine Karpfengräte aus den Lefzen. Kein Lachs, aber auch nicht allzu schlammig das Karpfenteil. Der nächste Urlaubstag kann kommen. Ach, da ist er ja. Der Tag wird begrüßt, man zieht sich ins Gebüsch zurück – muß auch sein – und kehrt erleichtert auf seinen Ausguck zurück. Der See glitzert. Im Urlaub glitzert ein See immer, auch wenn gerade graues Wolkengehänge alles Blau und Glitzergrün aus dem Gewässer vertrieben hat und die Wasseroberfläche eher einer ungeputzten Bleiplatte ähnelt. Die Karpfen ziehen sich auf den Teichgrund zurück. Nützt Euch nichts. Genießt die Stunden vor der Nacht. Der Bär ruht am Tage. Oder vielleicht doch ein Hauch von Aktivurlaub? Den Eigensee umrunden? Einmal im und einmal gegen den Uhrzeigersinn drumherum, auf daß Welt, Seele und niederzutretendes Gras im Gleichgewicht bleiben? Wäre eine Möglichkeit. Morgen dann. Vielleicht! Heute nachdenken über Möglichkeiten. Seine eigene Sanduhr sein und die Gedanken von oben nach unten durchrieseln lassen. Wenn man sich vollgedacht hat, macht man einen Kopfstand und die Gedanken rieseln an ihren Ursprung zurück. Eine Aufrechtgeherin führt ihren Vierbeiner am gegenüberliegenden Ufer spazieren. Sie bleibt stehen, erschrickt. Sie hat noch nie einen Bären gesehen, der einen Kopfstand macht. Der Vierbeiner klemmt seine Rute zwischen die Hinterbeine und wimmert. Archibald Mahler ist wieder allein und denkt, wie schön doch so ein zweiter Urlaubstag sein kann. Und sonst? Was macht bärman sonst? Fragt sich der Bär. Und dann schaut er aufs Wasser. Guck an!

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LES VACANCES DE MONSIEUR MAHLER 1

Dienstag, 12. Juli 2011 13:38

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Das hat sich Archibald Mahler schon immer gewünscht: einen See. Einen kleinen See. Einen ganzen kleinen See. Einen ganzen kleinen See ganz für sich allein. Fische natürlich auch im See. Die dürfen. Der Bär muß essen. Hier ist der See. Und der Bär am See. Der Bär zum See. Der See zum Bär. Wie für einander geschaffen. Das heißt ab sofort und heute morgen: Urlaub am See. Am Bärensee. Oder besser Mahlersee. Nicht übertreiben, ja ja! Ist aber gebucht. Der Urlaub am Eigensee. Leider den Prospekt nicht richtig gelesen. Gar nicht gelesen, um ehrlich zu bleiben. Die optische Kulisse Note ganz oben, der akustische Teil eher durchwachsen. Rechts rauscht die Autostraße, die von der Kleinen Häßlichen Stadt Richtung dorthin, wo der Geheimrat der kleinen Lotte den Hof machte, führt und links liegen Schienen und auch dort halbstündliches Zerreißen der morgendlichen Stille. Beschwerdebrief! Halt! Vorteil, nun da der ehrenwerte Herr Ernst Albert, der ihn gebracht, ebenst zurückgekehrt ist zu Tee und Hühnersuppe: vor Ort regiert komplette Aufrechtgeherfreiheit. Einschränkung: starke Tendenz zu weitgehender Zweibeinerlosigkeit! So nicht erwartet. Wird gebucht. Ist gebucht. Schilder vermelden gelegentlich kämen Angler vorbei, um Fische auszusetzen. Nichts auszusetzen seitens Archibald Mahler. Setzt aus, ihr Angler, ich nenne das Vollpension. Die Wasseroberfläche glitzert sich einem heißen Tag entgegen. Luftblasen vereinzelt. Schwimmt, ihr Leckereien. Es komme die Nacht und meine Nüstern werden jubeln, meine Lefzen zittern. Gut. Die Verpflegungsfrage ist geklärt. Unterkunft? Unter meiner wurzeligen Sitzgelegenheit befindet sich ein Erdloch. Sollte genügen. Wetteraussichten? Interessieren Bären nicht. Heiß ist heiß, kalt ist kalt und Regen fällt vom Himmel. Und sonst? Ja, was macht man eigentlich so, wenn man das erste Mal Ferien hat? Essen natürlich. Schlafen? Zeitverschwendung! Was macht bärman sonst? Fragt sich der Bär. Und dann schaut er aufs Wasser. Guck an!

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VERGESSEN/KÖNNEN/ERINNERN/WOLLEN

Montag, 11. Juli 2011 16:47

vater2

„Das Foto!“

„Oh, Chef und Herr Albert. Geht’s wieder?“

„Tee und Hühnersuppe und ein bißchen Chemie stellen den Aufrechtgeher wieder auf seine Beine. Geht so geht’s!“

„Man kann Sie erkennen!“

„Wie?“

„Das Foto!“

„Ja. Ich. Mein Vater. Ein Bär!“

„Damals war die Welt schwarz – weißer?“

„Vielleicht. Vielleicht liegt aber in dieser Beschränkung mehr an Farbe verborgen, als man heute für möglich hält!“

„Noch!“

„Genau! Noch!“

„Wo ist der Vater jetzt!“

„Er würde heute sechsundachtzig!“

„Das ist alt!“

„Wäre! Schade!“

„Sie sind nicht mehr blond!“

„Aber wahrscheinlich immer noch naiv! Verzeihung! Dummer Witz!“

„Aber der Bär! Er schaut seit wir in dieser Höhle wohnen hinunter auf ihren Arbeitsplatz.“

„Ist mir noch gar nicht aufgefallen!“

„Aber mir! Allerdings erst gestern. Wo ist der Bär jetzt!“

„Ich weiß es nicht mehr. Ich erinnere mich noch nicht einmal daran, daß es ihn gab.”

„Das haben Sie einfach vergessen?“

„Die Dinge an die Du nicht erinnern kannst, berichten von den Dingen, die Du nicht vergessen kannst!“

„Schön!“

„Nicht von mir. Ein Lied! Von der Zeit!“

„Auch schön! Das Lied. Ein Frage noch?“

„Ja!“

„Bin ich hier wegen des Fotos? Also weil damals schon ein Bär aus dem Fenster? Also: Landkarten und Traumpfade und Schatten und Seelenwanderung und überhaupt? Deshalb und Bedeutung gar?“

„Weiß man’s. Coincidencia rules ok.“

“Gott sei Dank. Find ich auch. Und wegen dem, was Sie mir versprochen haben auf dem Alten Friedhof noch?”

„Nicht vergessen ist, lieber Bär und Herr Mahler. Morgen. Morgen, wenn es wieder geht. In Ordnung?“

„Bitte ja! Wissen Sie, ich brauche nämlich Urlaub.“

„Genau deshalb!“

„Übrigens!“

„Ja!“

„Ich mag das alte Foto!“

„Pst!“

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