Reich ist die Stadt
Dienstag, 27. April 2010 9:36
Links und rechts der großen Kirche mit dem filigranen Turme, jeden Tag, außer Sonntag: Markt. Rechts ist zu vernachlässigen. Händler und Chichikram. Zehntausend Sorten eingelegter Oliven, Strohschuhe, bemalter Tonkrempel, Tulpen aus Amsterdam. Links jedoch, Bauern, welche tatsächlich ihre eigene Ware verkaufen. Kartoffeln (zwanzig Sorten), Rote Beete, Spargel, Weißkohl, Rotkohl, Lauchzwiebeln, rote Zwiebeln, weiße Zwiebeln, Schalotten, Knoblauch, Sellerie, Kohlrabi, Karotten, Radieschen, weiße Rettiche, rote Rettiche, Blumenkohl, Rosenkohl, Brokkoli, Wirsing, Zucchini, Blattsalat (zwanzig Sorten), Feldsalat, Rhabarber, Mangold, Gurken, Tomaten, Brombeeren, rote Johannisbeeren, schwarze Johannisbeeren, Stachelbeeren, Himbeeren, Zwetschgen, Süßkirschen, Sauerkirschen, rote Trauben, weiße Trauben, Äpfel (zwanzig Sorten), Birnen (zwanzig Sorten), Pilze (zwanzig Sorten), grüne Bohnen, Zuckererbsen, Petersilie, Schnittlauch, Kerbel, Dill, Brunnenkresse, Salbei, Kümmel, Senf, Liebstöckel, Majoran, Rosmarin, Lavendel, Rosen, Margeriten, Veilchen, Forellen, Speck (zwanzig Sorten), gekochter Schinken (zwanzig Sorten), roher Schinken (zwanzig Sorten), Würste (hundert Sorten), Käse (zweihundert Sorten), Hühner, Enten, Gänse, Hasen, Walnüsse, Haselnüsse, Kirschwasser, Zibärtle, Himbeergeist, Kirschwasser., Riesling, Müller-Thurgau, Spätburgunder, Gutedel, Gewürztraminer, Weißburgunder, Bratwürste, Bratwürste, Bratwürste (zehn Stände), Kartoffeln. Sie essen gerne und gut hier unten. Und jeden Freitag um elf Uhr morgens schlägt die Knöpfleglocke im Turm der schönen Kirche und ruft die Frauen auf, das Kochwasser für die beste Teigware der Welt aufzusetzen. Manche tun es noch heute, die anderen gehen neue Joggingschuhe kaufen. Die Stadt ist reich.
Selbstverständlich steht das älteste urkundlich erwähnte Gasthaus des ganzen Landes hier in der Stadt der Gerne- und Gutesser und selbstverständlich heißt es “Zum Bären”. Ehre, wem Ehre gebührt. Über gelegentliche Aasfressereien sei hinweg gesehen. Und da gibt es: Gambas, gebraten und in Gelee mit kleinem Kräutersalat. Marinierte grüne Spargelspitzen mit Spargelmousse und Parmaschinken. Rahmsuppe von Frühlingslauch mit Schnittlauchecken. Gebratenes Doradenfilet mit Tomaten und Oliven auf sautiertem Gemüse mit Butterkartoffeln. Lammrücken mit Paprikakruste, Bohnengemüse und Bärlauch-Gnocchi. Ziegenfrischkäse, Bergkäse und Roter aus dem Münstertal. Variation von Rhabarber- Mousse. ½ Bund Spargel mit Kräuter-Vinaigrette und Salat von Kirschtomaten und Salatherzen. Marinierte grüne Spargelspitzen mit Spargelmousse und gebratenem Kalbsbries. Spargelteller mit gemischtem Schinken, Sauce Hollandaise und neuen Kartoffeln. ½ Bund Spargel mit Kräutercrêpes, Sauce Hollandaise und gebratenem Lachsforellenfilet. 1 Bund frischer Stangenspargel mit Sauce Hollandaise oder zerlassener Butter, Kratzete oder neuen Kartoffeln. Freiburger Festtagssuppe mit Klößchen, Flädle und Maultäschchen. Weißweinrisotto mit Champignon-Ricotta-Ragout und grünem Spargel. Gebratene Forelle “Müllerin” mit Mandelbutter, Dampfkartoffeln und Blattsalaten. Lachsschnitte mit Bärlauchschaum, Frühlingsgemüse und Dampfkartoffeln. Gebratenes Zanderfilet mit Safransauce, Frühlingsgemüse und Tagliatelle. Kalbsschnitzel „Wiener Art“ mit Bratkartoffeln und Blattsalaten vom Markt. Rinderrücken in Gewürzöl eingelegt mit jungem Gemüse und Butterkartoffeln. Medaillons vom Rind, Kalb und Schwein mit verschiedenen Saucen dazu hausgemachte Spätzle und Salate vom Markt. Nicht erwähnt werden muß: Billig ist es nicht, denn die Stadt ist reich.
Wem der Magen jetzt nicht knurrt! „Das ist ja ein richtiges Schlaraffenland hier.“, bemerkte Archibald, der gerade dabei war zum Gourmetbär zu mutieren. Kurz entschlossen sprang er in die Dreisam und zog sich einen Fisch an Land. Filetiert, pochiert, gewürzt und fertig eingedost. Ernst Albert verspeiste einen Apfel. Der Gast mit dem schmalen Geldbeutel geht auch mal einen Kompromiß ein. Gestärkt folgten sie dem Lauf des Flüßchens. Hinaus aus der reichen Stadt. Vor der Stadt ist in der Stadt. Früher nannte man das Gemeindereform. Herr Lenz blieb den zwei Wanderern weiterhin gnädig gestimmt. Er möge sich darauf aber nichts einbilden.
Thema: Im Heckerland | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth