Von der Primula vulgaris, einer Geschäftsidee am Sonntag und was Jeff Bridges dazu sagt

maerzschneeDraußen lag frischer Schnee. „Wenn der Quark auf den Boden fällt, fällt der Quark auf den Boden.“, sagen die Inguschen gerne, die an den Nordhängen des Kaukasus leben und dort schon manchem Bären das Leben schwer gemacht haben. Archibald war wach, hellwach und war fest gewillt, keinerlei Meinung haben zu wollen in Bezug auf die Verzögerungen im Betriebsablauf betreffs der Ankunft der nächsten Jahreszeit. Welt zu schauen heißt Rückschläge erdulden zu müssen. Außerdem gab es viel zu bedenken und in die richtigen Gedankenschrankfächer zu lenken. Angesichts einer solchen Aufgabe sollte man schlichtweg – Archibald schämte sich im selben Moment, da er das nun folgende Wort dachte – Bärenruhe zu bewahren. Nichtsdestotrotz: hatte nicht Archibalds Bärenahnvater, als er damals auf dem Ararat die Arche als letzter verließ, zu dem ihn zur Eile antreibenden Noah gesagt: „Gott hat Euch Menschen eine schwere Aufgabe auferlegt. Er beschleunigte Eure Zeit.“?

Draußen jagten die Menschen von Kaufstube zu Kaufstube. Es war  Sonntag und irgend jemand hatte den Menschen verboten zu Hause zu bleiben. Vor den übervollen Kaufstuben standen junge frierende Frauen und drückten den Tüten und Taschen voller Lebensmittel, Elektroartikel, Kleidungsstücke und Kopfschmerztabletten aus den Kaufstuben zerrenden Menschen eine Primula vulgaris in die unfreien Hände, gratis. Archibald wollte sich davon nicht beeindrucken lassen und rieb sich am Fensterrahmen. Es war zwar nicht zu erwarten, daß in nächster Zeit ein weiterer Bär in Ernst Alberts und Eva Pelagias Höhle einziehen würde, aber zum einem gilt: „Traue keinem Menschen! Abbes Bein hin, Anoperation her!“ und zum anderen: „Gelegentliches Markieren des Reviers hat noch niemandem geschadet.“ Man ist ja schließlich Bär und keine Ameise und weiß einen solitären Lebensstil zu schätzen, der außerdem Voraussetzung für Nachdenkarbeiten aller Art ist. Die Menschen draußen erhöhten die Schlagzahl und Archibald hatte das Gefühl, er müsse nun doch etwas tun. Nur was? Nachdenkarbeiten? Ist das der Weg? Ja! Nachdenkarbeiten! Da war sie: die Geschäftsidee. Archibald konnte zwar nicht klagen über sein Leben im Haushalt Albert / Pelagia, aber ein kleines Zubrot verdienen mit Nachdenkarbeiten, warum nicht? Selbstlos die Ergebnisse tage- und nächtelanger Hirnarbeit teilen. Nein, nicht selbstlos, ein paar Lachse, Honig und Heidelbeeren könnten schon dabei abfallen, denn geteiltes Nachdenken ist doppeltes Nachdenken. Eine Bärenweltidee: staatlich geprüfter Nachdenker! “Sie gehen shoppen jeden Tach, solange denk ich für sie nach.” Ungeahnte Möglichkeiten! “Die einen wählen Westerwelle, ich denke nach an ihrer Stelle.” Eine Wachstumsbranche! “Wollen Sie dem Kind was schenken, Archibald kann für es denken.” Euphorie bemächtige sich des Bären. “Wenn ihr Arsch auf Grundeis hängt, ruf den Bär, der für Dich…” Archibalds Blick fiel auf die Mülltonne, die vor dem Nachbarhaus stand. Er kratzte sich am Hintern. Ein Schwarm Raben flog über die Höhle hinweg. Es dämmerte. Ideen kommen, Ideen gehen und raus bist Du. Archibald dankte den Bärengöttern. Sie hatten ihn gerade vor einer großen Dummheit bewahrt. Wie schön es ist, die hereinbrechende Nacht willkommen zu heißen. So ganz ohne Geschäftsidee.

“Wenn mein Impuls ist, das zu tun, was ich wirklich liebe – dann ist jetzt die richtige Zeit dafür! Aber bin ich auch wirklich dazu in der Lage? Weil: Es kann auch sein, daß ich nur ein faules Arschloch bin. Ach, immer diese Selbstzweifel…” Aber das hat Jeff Bridges gesagt.

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Sonntag, 7. März 2010 15:15
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