Herr Schmidt hilft Archibald und Ernst Albert dabei sich etwas aus den Pfoten zu saugen
Dienstag, 2. März 2010 13:45
Ein Schriftsteller aus Hessen, den alle nur den Geheimrat nennen, schrieb: “Dichter gleichen Bären, die immer an eignen Pfoten zehren.” Archibald war sehr froh, daß dieser Herr Geheimrat – man sagt, kein anderer Schreiber auf der ganzen Welt habe so viele Buchstaben auf Papier gebannt wie er – tiefes Verständnis für seinen Zustand hatte. Und der war heute in der Tat etwas desolat. Früh schon hatte Archibald sich an Fenster gesetzt, die Sonne schien, die Luft war kalt und klar. Eigentlich ein guter Tag weiter an der Ordnung im Gedankenschrank zu arbeiten. Pustetorte. In Archibalds Kopf sah es aus wie in Nachbars Garten, wo wild durcheinander die Hinterlassenschaften des Orkans, der vorletzte Nacht über die Stadt gefegt war, herumlagen: abgebrochene Äste, Zeitungen, Plastiktüten, Kinderspielzeug und ein paar Dachziegel. Das gefiel ihm nicht. Archibald schloß die Augen und er sah unzählige, ineinander verwobene Gedanken, die völlig unsortiert vor seinem Gedankenschrank lagen und nach Einordnung schrieen. Archibald öffnete die Augen. Wo war die Unordnung größer, draußen oder drinnen? Manchmal ist die Welt ein großes Ach und der Himmel fällt einem auf den Kopf. “Sterben – schlafen – vielleicht auch träumen! Ja, da liegts: Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen, wenn wir die irdische Verstrickung lösten, das zwingt uns stillzustehn.”, brummte er leise vor sich hin und wußte im selben Moment nicht, welcher Wind ihm diese Worte eines Prinzen aus Dänemark in den Kopf geweht hatte. In einer warmen Höhle, tief im Wald, liegen und schlafen, das war es was Archibald heute wollte und er beschloß, daß der Winterschlaf dieses Jahr doch etwas zu kurz aufgefallen war und die Welt ihm heute gestohlen bleiben könne. Sollen andere hinschauen.
Ernst Albert saß im Nebenzimmer vor seiner aufklappbaren Schreib- und Bildermaschine und hatte begonnen eine neue Spielvorlage für die Musentempel zu verfassen. Er machte dabei den Eindruck, als habe heute auch er nur ein übelst verknotetes Wollknäuel im Kopf. Wie das Gescherr, so der Herr. Und so beschlossen die zwei Wirren die Flucht vor der Leere und setzen sich – der Reflex aller Faulpelze – vor den Bilderapparat. Doch sie hatten die Rechnung ohne den ehemaligen Abgeordneten aus Bergedorf gemacht. Der alte Mann saß im Bilderapparat, beantwortete geduldig Fragen, rauchte dabei eine Zigarette nach der anderen, rieb sich dazwischen Schnupftabak in die Nasenlöcher, trank etwa 8 Liter Kaffee mit geschätzten 125 Stück Würfelzucker darin und sprach, als der Fragesteller ihn bat, sein Lieblingsgedicht zu rezitieren: “Des Waldes Dunkel zieht mich an, doch muss zu meinem Wort ich steh’n, und Meilen geh’n bevor ich schlafen kann, und Meilen geh’n bevor ich schlafen kann.”
Selten wurde ein Bilderapparat so schnell ausgeschaltet und Ernst Albert und Archibald machten sich an die Arbeit. Ernst Albert kämpfte wieder mit den Worten und Archibald begann an seinen Pfoten zu saugen und siehe da. Doch davon später.
Thema: Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth