Von lachenden Menschen und fliegenden Gummischeiben
Montag, 1. März 2010 8:28
Ein alter Zirkusbär aus Minnesota hat mal gesagt: “Wenn ein Mensch mit einem Schießgewehr hinter Dir her ist, hast Du immer noch eine Chance. Wenn er aber beginnt über Dich zu lachen, hast Du endgültig verschissen.” So ähnlich fühlte sich Archibald. Er lag auf dem Fußboden und schnüffelte verzückt an diesem Buch über den Anzugbären, während die herbeigeeilte Eva Pelagia und der erwachte Ernst Albert herzlichst über die neuesten Sperenzien ihres Haus- und Hofbären lachten. “Er mutiert wohl gerade zum Intellektuellen.”, meinte Ernst Albert, hielt sich aber Gott sei Dank nicht länger mit dieser Angelegenheit auf, da er unbedingt seinen Bilderapparat anstellen mußte. Es war der letzte Tag mit Eis und Schnee und Bergen in dem Land jenseits des Meeres. Eva Pelagia war darüber rechtschaffen froh und ging ins Bett. “Gute Nacht, Jungs.” Draußen rüttelte ein wilder Sturm an den Fensterläden.
Ernst Albert öffnete ein Konzentrations- und Nervenberuhigungsbier und Archibald, nun glücklicherweise an den Rand des Fokus und darüber hinaus gerückt, konnte in Ruhe nachdenken. Diese neue Erfahrung, die er eben gemacht hatte, galt es genauer zu analysieren. Wie konnte es sein, daß eine Ansammlung schwarzer Punkte auf streng riechendem Papier, das bestenfalls ausgehungerten Mäusen als Mahlzeit dienen könnte, in Archibalds Hirn einen solchen Sturm von Bildern und Empfindungen ausgelöst hatte? Archibald war und blieb verwirrt, als auch ihn langsam das Geschehen in Ernst Albert Bilderapparat in den Bann zog. Auf einem zugefrorenen Teich, über den ein riesiges Haus gebaut worden war, rasten viereckige Gestalten auf kleinen Eisenstangen, die an ihren Füßen klebten, über die Eisfläche und prügelten in wahnsinnigem Tempo mit einem Holzbengel auf eine Gummischeibe ein. Oder sie fuhren aufeinander zu und rammten sich mit großer Freude gegenseitig an den Zaun, den man um den zugefrorenen Teich gebaut hatte. “Wie leicht kann man dabei ein Bein verlieren!”, dachte Archibald. “Und wer soll es dann in diesen Tohuwabohu wieder ordentlich anoperieren?” Und hinter dem Zaun saßen hunderte ausgelassener Menschen, die meisten weiß und rot kostümiert mit einen riesigen roten Blatt auf der Brust und schrieen sich die Seele aus dem Hals, besonders dann, wenn die pfeilschnelle Gummischeibe sich in einem der zwei Netze verfing, die rechts und links des Teiches aufgestellt waren und vor denen jeweils eine ganz besonders große und furchterregend aussehende viereckige Gestalt stand. Wenn der Teich im Frühjahr wieder aufgetaut sein würde, könnte man mit diesen Netzen bestimmt riesige Lachse fangen, dachte sich Archibald. Am Ende haben die Rotweißen mehr Gummis ins Netz gemacht als die anderen, die blau und rot mit Sternen kostümiert waren und alle sind total durchgedreht. Auch Ernst Albert. “Wahnsinn. Der Young schaut zu und der Crosby macht das entscheidende Ding.” Archibald verstand kein Wort und begann am mentalen Zustand seines Chefs zu zweifeln. Und dann begann Ernst Albert zu erzählen, wie sein Vater, der nicht mehr lebte, vor langer langer Zeit in diesem rotweißen Land, wo die Bären wohnen, gearbeitet habe. Er habe dort drüben Bäume umgesägt und klein gehackt. Wie der wilde Sturm, der heute nacht vor dem Fenster der Höhle tobte. Aber das ist eine neue Geschichte.
Thema: Öffentliche Leibesübungen | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth