Archibald beginnt sich zu sortieren
Archibald war gestern nicht wirklich in der Lage gewesen aus dem Fenster zu blicken. Das heißt, er schaute durchaus hinaus, aber was er sah hinterließ keinen Eindruck, es rauschte durch seine Iris über die Synapsen ins Kleinhirn und von dort aus mit jedem Ausatmer durch die Nasenlöcher wieder hinaus in die Welt. Die Stahlzigarren, die fallenden Mädchen und der ganze Unsinn in den Bergen auf der anderen Seite des Meeres ließen ihn nicht los. Er spürte, wie seine Bärenruhe zu einer Art Hundehibbeligkeit mutierte. Das mochte er nicht. Ihm war, als verklebten Spinnweben die Furchen seines Hirnes. Doch es rettete den Bären Eva Pelagia. Eva Pelagia teilt sich in Archibalds Behausung – und das sollte man wissen – mit Ernst Albert Bett und Tisch und vieles mehr. Sie hole jetzt den neuen Schrank ab, rief sie Ernst Albert zu und verließ die Wohnung.
Durch Archibalds Schädel wehte ein belebender Wind. Schrank! Schrank! Schrank! Da war sie die Lösung. Archibald beschloß sich einen Gedankenschrank zu bauen mit vielen Fächern und Regalen. Und in diese Fächer und Regale würde er dann seine Gedanken einordnen und sortieren. Wichtige, ganz wichtige, nutzlose, vollkommen sinnlose und fundamental brauchbare Gedanken. Und so baute Archibald im Dienste der Wiederherstellung seiner Bärenruhe vor seinem inneren Bärenauge einen wunderschönen Gedankenschrank. Nach erfolgreicher Bauabnahme des Gedankenschrankes begann Archibald als erstes die Stahlzigarren, die fallenden Mädchen und den ganzen Unsinn in den Bergen auf der anderen Seite des Meeres in das Fach “vollkommen sinnlos” einzusortieren. Und wie er nun abheftete, ablegte, ordnete und sortierte, erschrak er ganz gewaltig, als er zur Entspannung kurz aus dem Fenster blickte. Draußen vor der Tür zogen nichtendenwollende Menschenschlangen vorbei und schleppten Tüten und Taschen voller Lebensmittel, Elektroartikel, Kleidungsstücke und Kopfschmerztabletten in ihre Höhlen. Ein Bär tut dies nur, wenn der Winter sich ankündigt. Potzrembel! Ein Gedanke verdrängte alle anderen Gedanken in Archibalds Kopf. Doppelt Potzrembel! Der Winter kommt, es gilt sich vorzubereiten! Und so ließ Archibald das Abheften, Ablegen, Ordnen und Sortieren sein, konzentrierte sich auf die kommende Jahreszeit und schlief darüber ein, verwirrt. Und als Archibald heute morgen aufwachte, da war er da, gekommen über Nacht wie es so seine Art: der Winter. Archibald stutzte. War Väterchen Frost nicht schon vor einigen Tagen zu Besuch gewesen? Und dies für längere Wochen und Monate? Hieße dies nun, Archibald habe den ganzen Sommer verschlafen? Einen Sommerschlaf getätigt und somit erfunden? Archibald schaute an sich herauf und herab, konnte aber keinerlei Anzeichen einer Alterung an Fell und Tatze feststellen. Auch fühlte er sich putz und munter. Nur sein Kopf dröhnte ein wenig vom Denken. Sapperdautz, dachte Archibald, jetzt habe ich aber ein fundamentales Problem, welches es zu bedenken gibt, bevor ich es abhefte, ablege, ordne und sortiere. Und so vergaß er ganz, was er heute eigentlich erzählen wollte, nämlich wie damals sein abbes Bein anoperiert wurde. Aber morgen ist auch noch ein Tag.