Beiträge vom 3. Mai 2020

Mit gebührendem Abstand betrachtet / Sechs

Sonntag, 3. Mai 2020 17:36

abstand06.1

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Freiheit? Das kann doch weg, oder?

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Wie war man in diese Lage geraten? Eingeklemmt wie eine Wurst im Schlafrock? Druck von oben, Druck von unten. Die Bandscheiben knirschen. Wie stark war der Druck? Der tatsächliche Druck? Der empfundene Druck? Hat wer die zwei Gefährten in diese Lage unfreiwillig versetzt, gar gezwungen? Sind Schuldige auszumachen? Gibt es Hinweise, ersten Verdacht? Denkste Puppe, keine haltbaren Fakten, lediglich Gemunkel. Man vermutet sogar Freiwilligkeit, eine selbstständig und bei vollem Bewußtsein gefällte Entscheidung. Archibald Mahler und Kuno Budnikowski vulgo – um hier den Ideenstifter und Initiator in die rechte Position zu rücken – Kuno Budnikowski und Archibald Mahler haben sich ohne Zwang dem Zwang ausgesetzt. Sie wollen es am eigenen Leib spüren. „Hä? Mit dem Puderbeutel geklammert oder so?“, hätte der Säzzer – manch anderer wohl auch – gerne eingeworfen, aber der Säzzer wusch die Hände und seine Maske. Aber schlauer werden wir nicht, wenn wir weiter rumspekulieren in diesen Tagen, in denen das wertvollste Wissen das Wissen über das eigene Nichtwissen ist. Wie gehabt: also … ähem … bereit … wir könnten dann … Dings. Sie wissen schon!

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„Budnikowski, eifern wir hier den Sadhus, den heiligen Männern, nach und zelebrieren Selbstkasteiung?“

„Wir sind so frei und ich spüre noch nichts!“

„Na ja, Sie als möhrenkauender Strich in der Prärie, fallen hier auch nicht weiter ins Gewicht, welches auf uns lastet! Ich hingegen in meiner Pockigkeit werde platt sein wie eine Flunder, die ich lieber verzehrte, bevor der Druck bei Ihnen angelangt!“

„Hier könnten wir eigentlich schließen, sprachen Sie doch das Wort zur Lage. Gerechtigkeit ist in Ausnahmesituationen nur bedingt herzustellen, Meister Mahler! Sollten Sie anfangen zu müffeln wie besagte Flunder, ich werde mich melden und nun bitte räsonieren!“

„Weia, die Waldfee! Sprachen Sie unlängst nicht davon, über die Entsorgung der Welt nachdenken zu wollen?“

„Ich war zu schnell, erst muß die Freiheit weg. Beginnen wir wie gehabt!“

„Sie sind ja heute ungewohnt streng, also: Beginnen wir!“

„Mit gebührendem Abstand betrachtet, teurer Mahler, die Freiheit, das kann doch weg. Brauchen wir das noch? Was wäre Ihre Meinung?“

„Da liegen Sie im Prinzip vollkommen richtig, Freund Budnikowski, wobei ich über Einwände noch nachzusinnen habe. Man ist ja in dieser Causa recht unerfahren. Die Freiheit, welche der hiesige Aufrechtgeher sich auf seine im Wind sich ständig drehenden Fähnchen schreibt, das kann es ja wohl nicht sein!“

„Bingo! Die gute alte Freiheit des anderen, die ließ ich gerne über.“

„Na die ist – verzeihen Sie den Vergleich – ein totes Karnickel, Fell abgezogen und ausgeweidet. Die Feier der eigenen Freiheit liegt auf der Wiese rum wie ein ausgebrannter Einweggrill.“

„Und deshalb sollten wir den Druck aushalten, wenn sogar in Venedig die Gondeln nicht nur Trauer tragen und der Delfin über die Rialtobrücke hüpft. Ein paar Wochen lang lediglich!“

„Da bin ich dabei, Freund Budnikowski, aber so ein paar Kanthölzer neben uns, druckmildernd?“

„Ha, Mahler, Kanthölzer, schön bemerkt. Mal einfach frei zitiert den Königsberger Denkklops: ‚Was Du nicht willst, daß man Dir tu undsoweiter‘. Erinnern Sie sich als wir zwotausenddreizehn auf den Spuren des Odysseus in Hellas weilten?“

„Oh ja, ich erinnere mich! Da war Druck! Jahre lang, alte Aufrechtgeher fielen um wie Fliegen. Weit über zwanzig Prozent ohne Arbeit und am Ende der Schlange war der Laden leer. Und die hiesigen Aufrechtgeher riefen denen zu: ‚Selber schuld, ihr Faulsäcke‘ und ‚Isch over!‘ Das Mitleid hielt sich außerordentlich in den Grenzen von neunzehnhundertneunzig!“

„Die Aufrechtgeher betrachten die Toten gerne als Zahlenwerte in Statistiken. Das beunruhigt mich gelegentlich.“

„Budnikowski, ohne jetzt gleich an der nächsten Kreuzung die Abzweigung auf den Pfad der Erhellung nehmen zu wollen, aber langsam begreife ich unseren Selbstversuch! Unter Druck kühl weiterdenken, Konsequenzen des eigenen Tuns bedenken. Druckfreiheit iss nicht grundrechtlich verfügbar, nur für den Preis der Druckverlagerung!“

„Das tät ich meinen wollen, weil, überall liegt das Zeugs von den Aufrechtgehern rum und wird versendet an die, welche nicht in der Lage sind die Annahme zu verweigern! Derart frei zu sein bedarf es tatsächlich wenig!“

„Hasenfreund, ich erlebe Sie in heller Empörung! Ihnen steht es an, die gute Nachricht zu verkünden! Wohlan!“

„Die Aufrechtgeher hier können sich ab Montag wieder die Haare schneiden lassen!“

„Hyper! Hyper! Man sagt ja beim Friseur gibt es was zu lesen!“

„Dann das da!“

„Ich glaube bald sollte hier über die Welt räsoniert werden. Und zwar die andere!“

„Herr Archibald Mahler!“

„Herr Kuno Budnikowski!“

„Ich danke für das Gespräch!“

„Der Druck … ähem … der Dank liegt bei mir!“

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abstand06.2

Thema: Gebührender Abstand | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth