Nachdem Budnikowski der Teppich auf den Kopf gefallen, erst ein Schrei und dann kommt Mahler

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Da war dieser Schrei. Vielleicht nur ein lautes Rufen. Mahler vernahm seinen Namen, soviel ist sicher. Mahler lebte ja noch. Er hing zwar immer noch im Geäst – nächtens hatte es gar etwas geschneit – und regte sich eher nicht, aber ein Bär ohne Winterschlaf scheißt sich da nix, nutzt die Kunst der günstigen Stunde und bleibt im Geäst hängen ohne eine seiner vielen Sorgen. Der Gravitation trotzend und sachte schaukelnd. Die wesentliche Frage ist aber doch, werte Damen und Bären: Lebt er noch, unser Herr von und zu Lippstadt – Budnikowski? Sekunde!

Etwas hatte nach dem Leib des Hasen gegriffen. Hätte der Hase noch gelebt oder wäre er sich zumindest sicher gewesen, daß er sicher und gewiß noch unter den Lebenden weilt, hätte er vielleicht gefragt, was die fremde Hand im Schilde führte, eventuell zum Zeichen der Mißstimmung mit den Löffeln gewackelt oder sich gar über Rettung gefreut, denn Hasen frieren des Nachts schneller als im Geäst tatenlos schnarchende Bären, die nicht in der Lage sind einen fliegenden Teppich unfallfrei durch Mittelhessen zu fahren, zu fliegen, zu lenken oder zu irgendwie’n. Der fremde Griff wärmt nun recht angenehm das Restleben, dies bestätigt das Unterbewußtsein des Rest – Budnikowski, doch als diesem ein langer Holzspliss ins Fell fährt, öffnen sich seine Augen und was er erblickt im grauen Morgen formt seine Lippen zu einem gewaltigen Schrei, gewaltig gewiß für Hasenverhältnisse und des Herrn Mahler Namen hinausstoßend zwischen bebenden Schneidezähnen gen Dünsberg, erwacht Budnikowski. Er denkt sich: Sieh mal an, so leb’ ich doch.

Uns Mahler war gemeint. Er erwacht. Äußerst ungern. Noch nicht mal anständiger Vormittag. Minusgrade noch. Und wo ist die Förde? Warum kreischen keine Möwen? Kann ich bitte ein Fischbrötchen haben? Und wo ist – Potzrembel! – das Hotel, nein: der Teppich, quatsch: wo bin ich? Egal! Runter vom Geäst! Sieh: Da ist dieses Wesen! Und noch ein anderes, entschieden kleineres Wesen. Das erste Wesen ist dem Mahler gänzlich unbekannt, das andere, entschieden kleinere: genau: Budnikowski. Schock! Entsetzen! Gelähmt der Atem und die Motorik! Das erste Wesen fasst nach dem zweiten. Etwas fasst Mahler an. Etwas, was einem Solitär fremd und im Aussterben begriffen sowieso: die solidarische Wut. Er tut einen Satz und altes Genmaterial erwacht im domestizierten Bär und haste das gesehen bohren sich die an Schokolade und Faulheit und anderen Teppichböden der Zivilisation stumpf gewordenen, aber nicht komplett verkümmerten Zähne in den Nacken des fremden und großen Wesens. Und wie der heldenhafte Herr Archibald Mahler schon zu spüren meint, daß sich die Nadel einer güldnen Lebensrettermedaille in sein Fell bohrt, haben seine Zähne das untrügliche Gefühl auf Holz zu beißen. Es knirscht und etwas bewegt sich sehr sachte, aber gewaltig.

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Montag, 16. Februar 2015 20:29
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