Appenzeller Vergewisserungen / Gruezi wohl!

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„Gruezi!“

„Wat iss?“

„Gruezi wohl, Herr Budniccchhowsccchhi!“

„Grütze mit Kohl? Hasse Mandelentzündung oder bisse am Gurgeln, Meister Mahler?“

„Werter Budnikowski, ich grüße lediglich in der Sprache der Eingeborenen!“

„Wat getz? Grüzzi?“

„Ebend nicht! Dem hier Verheimateten ist ein „ü“ nicht geläufig. Es wird ersetzt durch ein „ue“ mit leichter Betonung des „e“. Letztlich aber klingt es so, als habe man dem „ü“ noch ein „e“ angehängt. In etwa Grü – ey – zie. So sind sie halt hier, etwas verquer. Aber die Löffel gespitzt und hören Sie selbst!“

(In folgendem Zusammenhange spitzt der Hase seine Löffel auf Empfang: Der letzte sonnige Augusttag des Jahres 2014. Aber das weiß man immer erst von hinten her. Eigentlich wie alles. Die Sonne bemüht sich. Wanderer bergauf, Wanderer bergab. Begegnungen. Einheimischer trifft auf Fremden, Fremder begegnet noch Fremderen, der Einheimische grüßt einen Fremden, dem das Einheimische nicht ganz fremd. Und so fort. Babel feiert fröhliche Urständ. Alle machen mit. Chinesen auch und Russen und sogar Wesen vom nahen Bodensee. Man grüßt, wird begrüßt und wieder zurück und hin und zurück und wieder her. Von den Hügeln ringsherum schallt tausendfach ein fröhliches „Gruezi! Gruezi wohl! Gruezi mitenand!“ By the way: Es ist eine Art von Pflicht, die der Wanderer gerne tätigt. Je nach Provinienz ernsthaft, belustigt oder verständnislos. Je nach Kondition keuchend, schmetternd oder unhörbar.)

„Hömma, dat iss getz die sagenumwobene Stille vonne Alpenregion, wosse nur mit dich selbst und dem Himmel und den Steinhäufen herum dich selber finden tun sollst? Fallse dat können tust. Und wo ich gerade inne Nöhlerei mich befinde, weshalb heißt dat Stückchen Gelände, von wo wir inne Tiefe hinab blicken, Ebenalp? Ist dat der lokale Humor?“

„Uff, Budnikowski, Humor und Schweiz. Eventuell wurde hier im Moment ein heikles Thema angeschnitten!“

„Hömma Bärli, wenn ich hier als Kuh auffe Weide den ganzen Tach in diese Quasselwolke wiederkäuen müßte, dann könnte et passieren, dat mir die Milch im Euter noch zu Quark gerinnen tut.“

„Brechen wir auf, Hase!“

„Erst mal muß ich noch inne Tiefe blicken. Dat haut einen doch ausse Socken raus. Iss dat eine Aussicht! Ne, wat iss dat schön!“

(Vom Bodensee steigt ein milder Wind die Ebenalp hinauf. Vom Hals der Kühe bimmelt es gleichmäßig und sehr gelassen. Mahler und Budnikowski – das erste Mal im Appenzell – staunen und lassen ihre Augen glücklich in die Tiefe fallen. Und Ernst Albert singt der wunderbaren Eva Pelagia ein altes Lied.)

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Mittwoch, 17. September 2014 16:14
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