DR. A. MAHLERS GESAMMELTE BÄNKE XI (KOPFLOSER ENGEL / KAPITEL EINS)

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Und so beginnt die Geschichte, die Archibald Mahler einfiel, als das Viech sein Bein hob:

………..

Ingo war sauer, sauer und im Streß. Und wenn er etwas verabscheute, dann war es Streß. Wenn es von allen Seiten an ihm zurrte und zerrte, wenn er spürte wie erigierte Zeigefinger sich in seine Richtung streckten und vom ihm wissen wollten, ob er schon Vollzug melden könne. Das haßte er. So wie grad eben. Fünf Minuten vor Beginn der Sportschau. Mitlifekrise machte ihn mal wieder wahnsinnig. Nein, nicht diese angeblich alle Männer über 30 befallende Phase des Zweifelns und Haderns, die letztlich in der Feststellung mündet, daß jede Pubertät zwangsläufig irgendwann ein Ende finden muß, selbst wenn Mutti bis zum Beginn der Frührente immer noch die Klamotten wäscht. Nein: „MITLIFEKRISE“, das war die legendäre Giessener Punkcombo, gegründet Ende der 80er Jahre des letzten Jahrtausends, als Punk eigentlich schon vor sich hin moderte wie der Leichnam von Sid Vicious. Aber in den Giessener Clubs und Kellern jener Tage fanden sie doch noch etliche offene und bierselige Ohren, die die Fahne des kurzen und schnellen Liedgutes hochhielten. Nach raschen Anfangserfolgen und einer gewissen sogar überregionalen Wertschätzung in der betreffenden Szene, verwalteten die Bandmitglieder nun seit bald zwanzig Jahren mit gelegentlichen Auftritten im wesentlichen ihre ewige Jugend. „MITLIFEKRISE“, damals noch ein ironischer Einfall überheblicher Adoleszenz, war nun schlichtweg Alltag geworden. Unlängst hatten die Jungs sogar darüber nachgedacht sich in „BANDSCHEIBENVORFALL“ umzubenennen. Aber wie der Gott der drei Akkorde es wollte, war ihnen vor einigen Monaten – nach einem inspirierenden Gastspiel in Hamburg, der Stätte ihrer größten Erfolge – in den Sinn gekommen, wieder mal einen Tonträger zu produzieren. Und wenn vier berufstätige Mittvierziger, teils in festen Verbindungen, teils scheidungserprobt und mit Erziehungsaufträgen behaftet oder zur Lieblingsfreundin Dosenbier zurückgekehrt, dies bewerkstelligen wollen, dann dauert das. Und Ingo, Ingo Wolfsbeuel, war der Manager dieses Haufens. Manager war ein bißchen hochgegriffen. Er kümmerte sich meist um das Unangenehme, hielt den Laden zusammen und seine Entlohnung bestand im wesentlichen aus der längsten Grillwurst beim jährlichen Bandgrillabend und gelegentlichen Magenverstimmungen nach der Teilnahme an Sitzungen des Bandrates, bei der fünf über Vierzigjährige das Trinkgebaren von Abiturienten nachzustellen versuchten.

Soeben hatte sein Handy das Intro von „Pretty Vacant“ von den Sex Pistols gedudelt. Die Band ruft.

„Bingo Ingo hier.“

„Hi Wolfsbeutel.“ – Ingo mochte diese Verballhornung seines Namens nicht wirklich – „hier ist Gottes Fritz. Der Bandrat hat noch mal getagt. Wir machen das mit dem Coverfoto so wie besprochen. Aber der dafür gebuchte Fotograf hat einen Job für REWE annehmen müssen, Joghurt oder so was fotografieren. Also mußt Du das jetzt machen. Und wir brauchen das Ding morgen, spätestens übermorgen früh. Die Plattenfirma macht einen Scheißdruck. Wir hätten zu lange rum gemacht und wir sollen in die Hufe kommen.“

„Hey Fritz, jetzt ist Samstag, gleich ist Sportschau und dann „Wetten daß?“. Wann soll ich das bitte auf die Reihe kriegen? “

„Du machst das schon. Die Band sei mit Dir. Ich komm gleich bei Dir vorbei und bring Dir das wichtigste Requisit. Bis denne.“

……………….

So! Pause erstmal. Archibald Mahler erhebt sich und macht sich auf zu einer neuen Bank. Und dem nächsten Kapitel. Bis morgen dann!

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Sonntag, 12. Juni 2011 5:55
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