AUF MEINEM BALKON IN DER WIEHRE 16 (HEUTE MAL IM MUSENTEMPEL I)

kantine

Lieber Leser,

man muß sich das vielleicht so vorstellen. Da ist Gerümpel und Durcheinander. Gerümpel von Dingen und Durcheinander vom Denken. Aber wiederum auch sehr viele gerümpelige Gedanken und Dinge, die so etwas von durcheinander liegen, daß sie darüber vergessen, wie sie eigentlich heißen. Und dann sind da Aufrechtgeher. Die sprechen etwas anders als der gemeine Aufrechtgeher, den man so auf der Strasse trifft. Und sie sagen etwas und haben es schon wieder vergessen, was sie sagen sollen, wenn sie es dann sagen oder wissen es noch nicht, weil der eine Aufrechtgeher, den ich kenne und der Ernst Albert heißt und mich heute mitgenommen hat zu seiner Arbeit im Musentempel, den armen anderen Aufrechtgehern sagt, daß das was sie sagen, eigentlich anders heißen muß und außerdem sollen sie alle nach links gucken, dazu die englische Nationalhymne singen und Charleston tanzen. Ganz schön nervig für die, die da was sagen sollen und es schon wieder vergessen haben oder es noch gar nicht wissen aus allerlei Gründen. Von den Gründen wiederum will Herr Albert nichts wissen. Scheint mir. Dann wird wieder gelacht. Einer der Aufrechtgeher macht Geräusche. Autos. Käuze. Hupen. Züge. Wind. Stahl. Brücke. Ja, man kann das Geräusch einer Brücke machen, über die ein Zug fährt. Gut nicht alle können das, aber der eine Aufrechtgeher macht das. Und der Musentempel in dem ich heute sitze ist gar kein Musentempel, sondern eine alte staubige Garage oder Lagerhütte und Zeugs liegt rum und vor das Fenster hat ein Kater markiert, aber die Aufrechtgeher stört das nicht, sie tun so als sei hier ein Bauernhaus oder ein Auto oder ein Brücke mit Geräuschen oder alles Mögliche. Und jetzt Musik. Es wird gesungen und auf die alten Koffer getrommelt. Ernst Albert muß aber auch an allem rumkritteln. Kann der die mal machen lassen? Offensichtlich nicht. Gut, ich gebe zu, jetzt singen sie auch schön. Vielleicht sogar ein bißchen schöner als zuvor. Aha, man lacht. Puuh! Also ich denke ja immer, so die Aufrechtgeher, die ich sonst auf der Strasse sehe und belausche, die wären jetzt schon ein wenig mehr beleidigter, wenn man ständig an ihnen rumnölt. Und dann sagt der eine mit dem Hut: „Aber das Verrückte ist – du machst weiter! Du hast zwar keine Ahnung, was eigentlich passiert.“ Und das Gerümpel und die Gedanken liegen immer noch herum. Morgen muß ich mal genauer hinschauen. Jetzt bin müde. Staubig und verwirrend ist es hier, aber besser als immer nur vom Balkon zu schauen. Sommer im badischen Lenz hin oder her.

Gute Nacht dann auch Ihnen. Oder hieß es exakt: Dann auch Ihnen Gute Nacht?

Ihr Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz, z.Z. auf einer Probebühne im Heckerland

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Montag, 9. Mai 2011 23:59
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