EIN ATEMZUG PRO MINUTE ENTLASTET DIE WELT

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Am Aschermittwoch ist alles vorbei. So ein Quatsch aber auch! Archibald Mahler versucht – und das ist mühsam genug – zu erwachen und sein System wieder in Schwung zu bringen. Er betrachtet sich nicht als Anfänger, Wiedereinsteiger oder Neustarter, nein, er macht lediglich weiter. Er war nie weg! Er hat geschlafen. Und „alles vorbei“ ist Zweibeinerkokolores. Spurenelemente von allem, was da mal geschah, machen das aus was man nennt: Meine Identität. Zumindest bei einem nachsinnenden Bären. Aber so weit war Archibald noch gar nicht. Mental und in Sachen Tiefenschärfe. Also sitzt er auf dem Küchentisch und weil er noch nicht die Kraft und Laune hat unter dem Kamellenberg hervorzukrauchen und auch keiner der werten Aufrechtgeher in seiner Höhle es für nötig gehalten hat ihn freizubuddeln, sitzt er eben da wo er sitzt und atmet ein und wieder aus. Pustekuchen!

Ernst Albert kommt von der Arbeit. Er schwingt eine Zeitung durch die Küchenluft. „Lausche Bär, man spricht von Dir.“ Und er liest dem Bären vor: „Seinen Stoffwechsel fährt der Schwarzbär im Winter auf ein Viertel der im Sommer üblichen Rate zurück. Erstaunlicherweise sinkt seine Körpertemperatur nur um fünf oder sechs Grad auf etwa 30 Grad Celsius. Daß ein Tier bei dieser vergleichsweise hohen Körpertemperatur monatelang überleben kann, obwohl sein Stoffwechsel nur minimal arbeitet, überraschte auch die Forscher. Hinzu kommt, daß der Bär nach dem Ende seines Winterschlafes bis zu drei Wochen braucht, bis er seinen Stoffwechsel wieder vollständig auf den Sommermodus hochgefahren hat. Sehr sparsam gehen die Bären im Winter auch mit ihrem Atem um: Lediglich ein oder zwei Mal pro Minute holen sie Luft. Nur während dieses Momentes haben die Tiere eine annähernd normale Herzschlagrate von 55. Doch nach einem Atemzug können bis zu 20 Sekunden vergehen, ehe das Bärenherz erneut schlägt. Im Durchschnitt kommen die Tiere so auf einen Puls von 14.“ Tja, sogar die überregionale Presse beschäftigt sich mit dem Archibald Mahler der letzten Monate. Welche Ehre!

Der Bär, noch zu müde um stolz zu sein, bittet Herrn Albert um die nochmalige Verlesung eines bestimmten Satzes.

„Welcher denn, mein Freund!“

„Der mit dem Sommermodus!“

„Gerne! Hier: Hinzu kommt, daß der Bär nach dem Ende seines Winterschlafes bis zu drei Wochen braucht, bis er seinen Stoffwechsel wieder vollständig auf den Sommermodus hochgefahren hat!

„Nimm Dir das zu Herzen, Chef!“

Selbstredend begreift Herr Ernst Albert den Wink seines Bären. Er hat ja selber in den nächsten Wochen ausreichend zu ackern, zu rödeln und zu sein. Da soll auch der Herr Bär sich seine Zeit nehmen. Und er liest dem andächtig lauschenden und atmenden Archibald Mahler, wieder öffentlich anwesender Bär vom Brandplatz, den restlichen Artikel vor. „Und während ein Mensch, der monatelang im Bett liegt, erheblich an Muskel- und Knochenmasse verliert, bleiben Bären von diesem Problem verschont. Unumstritten ist, daß sich Tiere aktiv auf den Winterschlaf einstellen. Die Details bleiben bisher jedoch unklar. Sicher spielt die Kombination von Tagesdauer und Außentemperatur eine Rolle – doch was genau läßt Bär oder Murmeltier im Winter einschlafen und Monate später aufwachen?“ Und irgendwo in den Tiefen seiner Synapsen verspürt Archibald schon wieder die Lust. Die Lust am Nachsinnen. Gähn! Was war da noch mit dem Atmen? Erst mal Energiesparen. Doppelgähn! Später denken, genauer denken. Archibald nickt ein.

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Mittwoch, 9. März 2011 14:50
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